Tichys Einblick
Interview

Hans-Georg Maaßen: Politische Zukunft „zur Not außerhalb der Partei“

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will Hans-Georg Maaßen aus der Partei werfen. Er wirft dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes unbotmäßige Sprache und Gedanken vor. TE hat Maaßen befragt, wie es weitergeht.

Hans-Georg Maaßen, Aufnahme vom 16.09.2021

IMAGO / ari
Hans-Georg Maaßen sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne. An der beteilige sich nun auch der Vorstand der CDU, Friedrich Merz, indem er seinen Rauswurf öffentlich fordert. TE wollte von ihm wissen, ob und wie er sich dagegen zur Wehr setzt und wie gegebenenfalls ein Leben nach der CDU für ihn aussieht. Noch kann sich Maaßen eine Zusammenarbeit mit Merz vorstellen, stellt aber Bedingungen. Sonst gehe sein politischer Weg „zur Not“ außerhalb der Partei weiter.

Tichys Einblick: Herr Maaßen, treten Sie aus der CDU aus?

Hans-Georg Maaßen: Nein. Ich werde jetzt den Schriftsatz, der mir vom Vorstand zugestellt wurde, sorgfältig und mit Anwälten prüfen und dann eine Entscheidung treffen. Die CDU ist seit Jahrzehnten meine politische Heimat. Sie ist die Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls, sie steht für eine Volkspartei mit unterschiedlichen Positionen und für eine Politik, für die ich stehe. Die heutige CDU, geprägt durch Angela Merkel und ihre Unterstützer, hat sich von dieser Politik und dem Anspruch, Volkspartei zu sein, weit entfernt.

Wie bewerten Sie die Chancen des Ausschlussverfahrens?

Dazu möchte ich jetzt noch keine Stellungnahme abgeben. Ich werde das Schreiben sorgfältig mit meinen Beratern prüfen. Dann ist es juristisch zu bewerten – aber auch politisch. Zu gegebener Zeit werde ich dann eine Stellungnahme abgeben.

Wie reagiert die Werteunion darauf, dass ihr Vorsitzender vom Parteichef derart angegangen wird und ihm mit dem Parteiausschluss gedroht wird?

Die Mitglieder der Werteunion, ihr Vorstand, aber auch viele Freunde an der Basis der Partei sind empört. Ich habe viele Zuschriften erhalten, die mich in meiner Position bestärkt haben, die mich ermutigt haben, weiterzumachen. Die Initiative des Parteivorstands ist Teil einer breiteren Kampagne gegen mich, die schon seit Wochen läuft. Sie begann mit dem Druck, den Medien auf den C.H.Beck-Verlag ausübten, um mich als juristischen Autor aus dem Verlag zu drängen und zu canceln. Danach wurde ich tagelang mit absurden rassistischen und anderen Vorwürfen diffamiert. Nachdem ich trotz dieser Schmutzkampagne mit 95 Prozent der Stimmen am vergangenen Samstag zum Vorsitzenden der Werteunion gewählt wurde, beschloss nur zwei Tage später die CDU-Parteiführung mich ultimativ zum Parteiaustritt aufzufordern und andernfalls ein Ausschlussverfahren gegen mich in die Wege zu leiten. Dabei ist ein Grund für den beabsichtigten Ausschluss, dass ich zum Vorsitzenden der Werteunion gewählt wurde. Also meine Wahl zum Vorsitzenden der Werteunion ist ein Grund, um mich aus der Partei zu entfernen.

Rechnen Sie damit, dass weiteren Mitgliedern oder gar der ganzen Werteunion der Ausschluss droht?

Ja, damit rechne ich. Das ist auf jeden Fall der politische Wille des jetzigen Bundespräsidiums. Ich glaube aber nicht, dass es auch der Wille des Bundesparteitags ist, der letztlich über eine Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Werteunion mit der Mitgliedschaft in der CDU entscheiden muss.

Wir wird die Zukunft der Werteunion in der CDU aussehen, wenn es keinen Ausschluss gibt?

Die Werteunion hat wiederholt die Hand ausgestreckt, hat gezeigt, dass sie zur Zusammenarbeit bereit ist. Die Werteunion hat auch massiv Friedrich Merz unterstützt, als dieser sich in der Direktwahl um den Parteivorsitz beworben hat. Doch statt diese entgegengestreckte Hand anzunehmen, wurde die Werteunion immer wieder diffamiert, zum Beispiel als „Krebsgeschwür“. Was an Diffamierungen und Unterstellungen passiert ist, kann man durchaus als innerparteiliche Feindbekämpfung bewerten. Wir sind zwar nach wie vor bereit, Friedrich Merz zu unterstützen. Aber wir sind nur dazu bereit, wenn es in programmatischer und personeller Hinsicht zu Reformen kommt. Wenn er die Partei wieder ihren Werten zuführt, wie er das versprochen hat. Passiert das nicht, müssen wir einen eigenen Weg gehen. Zur Not außerhalb der Partei.

Können Sie sich selber ein politisches Engagement außerhalb der CDU vorstellen?

Es hängt vom konkreten Ausschlussverfahren ab. Und vom Willen der Partei, sich zu reformieren. Dass die Funktionärsebene das nicht will, war mir von Anfang an klar. Aber der Unterbau der Partei will es. Wenn diese beiden nicht zusammenfinden und die Funktionärsebene stur durchzieht, dann ist die CDU irgendwann ein toter Gaul – und den soll man besser nicht weiterreiten.

Nun kommt die Debatte aus Sicht der CDU zur Unzeit. In weniger als zwei Wochen wird in Berlin gewählt. Kai Wegner und die CDU hatten die Chance, stärkste Partei zu werden. Wie wirkt sich jetzt das angedrohte Ausschlussverfahren gegen Sie auf den Wahlkampf aus?

Ich bin überzeugt, dass das Ausschlussverfahren der CDU im Ergebnis schaden wird. Die Wähler sind zu einem wichtigen Teil strukturell konservativ, und sie verstehen nicht, wieso die CDU den bekanntesten Repräsentanten des konservativen Parteiflügels ohne überzeugende Begründung ausgrenzt und aus der Partei werfen will. Wieso besorgt die CDU, die konservative Köpfe wie Heinrich Lummer, Manfred Kanther oder Alfred Dregger hervorgebracht hat, das Geschäft des politischen Gegners? Ich befürchte, dass diese Wähler dann nicht mehr die CDU wählen werden.

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