Tichys Einblick
Der Trigema-Chef im Gespräch

Wolfgang Grupp: „Über einen Mindestlohn in Deutschland zu sprechen ist eine Schande“

Seit mehr als 50 Jahren leitet Wolfgang Grupp sein Unternehmen Trigema. Trotz vieler Krisen ist er seinen Mitarbeitern und dem Standort Deutschland treu geblieben. TE-Autor Julian Marius Plutz führte ein Gespräch mit dem Unternehmer.

TRIGEMA / Pressefoto

Seit mehr als 50 Jahren leitet Wolfgang Grupp sein Unternehmen Trigema. Trotz vieler Krisen ist er seinen Mitarbeitern und dem Standort Deutschland treu geblieben. Doch die aktuelle Situation sorgt dafür, dass sich die Gaspreise in nur wenigen Jahren verfünffachten. Ein Gespräch über den Krieg, aber auch über Werte und warum er niemals Mindestlohn zahlen würde.

Julian Marius Plutz: Das Ifo-Institut veröffentlichte in der vergangenen Woche eine Erhebung, wonach Unternehmen erhebliche Lieferengpässe befürchten; bis zu 18 Monate. Auch die Bekleidungsindustrie ist dabei erwähnt worden. Inwieweit trifft das auch Trigema?

Wolfgang Grupp: Kaum. Unser Grundmaterial ist das Garn. Die Lieferanten, mit denen wir teilweise über Jahrzehnte zusammenarbeiten, sitzen hauptsächlich in Deutschland. Trigema hat immer zwischen 50 und 100 Tonnen Garn auf Lager, sodass wir nicht von heute auf morgen von einer Lieferung abhängig wären. Wir bestellen rechtzeitig und könnten mehrere Wochen problemlos überbrücken. Das, was Sie in der Branche hören, betrifft Unternehmen, die vor allem im Ausland, wie zum Beispiel Bangladesch usw. produzieren. Aber dazu gehören wir nicht, daher haben wir auch keine Probleme.

Ist das auch der Grund, weshalb Sie ausschließlich in Deutschland produzieren?

„In 53 Jahren habe ich keinen Mitarbeiter wegen irgendeiner Krise entlassen“

Ich stelle Ihnen die Gegenfrage: Nennen Sie mir Unternehmen aus meiner Branche, die reicher geworden sind, nachdem sie im Ausland produziert haben. Zum Beispiel Schiesser oder Jockey, sie haben Tausende oder Hunderte von Mitarbeitern beschäftigt und waren, als sie ausschließlich in Deutschland produzierten, gestandene Millionäre. Dann haben sie ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, weil sie dem Preisdruck ihrer Kunden nachgegeben haben, und sind anschließend alle Konkurs gegangen. Deshalb müssen Sie verstehen, dass ich meine Arbeitsplätze nicht ins Ausland verlagert habe, weil ich nicht Konkurs gehen wollte!!!

Verstehe.

Wenn die einzige Prämisse der Unternehmen immer mehr Wachstum bzw. Umsatz ist, dann kann dies nur durch niedrige Preise erreicht werden. Der Verbraucher kauft bei mir nicht mehr Polo-Hemden, weil ich Wachstum haben will, sondern er kauft das, was er braucht. Will ich mehr verkaufen, dann müsste ich die Preise senken und dann sind irgendwann die Kosten zu hoch und ich muss meine Arbeitsplätze verlagern. Das ist genau die Spirale, die ich meine! Schiesser war ein großartiges Unternehmen mit 3.500 Arbeitsplätzen in Radolfzell und Umgebung; Jockey hatte viele Mitarbeiter in Hechingen und Umgebung, aber leider sind sie, weil sie den Wandel der Zeit nicht erkannten und nicht den Mut hatten, ihren Kunden, die die Preise drückten, auch einmal nein zu sagen, alle Konkurs gegangen. In den 53 Jahren, in denen ich Trigema führe, gab es viele Krisen. Doch wir haben keinen Monat Verlust gemacht, haben keine Mitarbeiter entlassen und haben auch niemanden in Kurzarbeit geschickt.

Und wie sieht es aktuell aus – Stichwort Ukraine-Krieg?

„Auf meine Produkte verzichten die Mitarbeiter als erstes, wenn der Geldbeutel leer ist“

Jetzt stehe ich allerdings vor einem großen Problem. Zunächst halte ich es für indiskutabel, dass der Krieg nicht diplomatisch verhindert wurde. Wenn mir die Grundenergie Gas genommen wird bzw. nicht mehr geliefert wird, müsste ich den Betrieb schließen!

Die steigenden Gaspreise sind ein massiver Inflationstreiber. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Preise?

Vor einigen Jahren zahlten wir rund 100.000 Euro im Monat für Gas. Im vergangenen Jahr waren es 200.000 und nun sind es 500.000 bis 600.000 Euro und mehr. Das heißt, fünf bis sechs Millionen Mehrausgaben im Jahr kann ich sicher einige Jahre überbrücken. Wir haben 100 Prozent Eigenkapital und starke Reserven. Aber unsere Preise kann ich nicht entsprechend erhöhen. Dann kauft man mein Produkt nicht mehr. Wenn der Kunde kein Einkommen mehr hat, kann er sich auch kein Polo-Hemd mehr leisten. Auf mein Produkt verzichten die Leute als erstes, wenn der Geldbeutel enger geschnallt werden muss.

Deshalb sind Sie auch auf Arbeitsplätze in Deutschland angewiesen, weil sie sonst ihre Textilien nicht verkaufen können.

„Putin wird den Krieg nicht als Verlierer beenden“

Genau deswegen habe ich immer für Arbeitsplätze in Deutschland plädiert. Ein Arbeitsloser kauft bei mir schlicht nicht ein. Ich bin auf eine funktionierende Wirtschaft, am besten mit Vollbeschäftigung, angewiesen. Überspitzt gesagt: Ideal ist, wenn die Leute genügend Geld zur Verfügung haben, damit sie bei uns auch ein wenig Luxus kaufen können!

Was macht die Politik hier konkret falsch?

Es kann nicht sein, dass man sich über 20 Jahre von Russland abhängig gemacht hat. Milliarden in Nord Stream 1 und 2 investiert hat und plötzlich, von einem Tag auf den anderen, ist Putin der Todfeind. Da muss irgendetwas vorgefallen sein, damit das Ganze so eskalieren konnte.

Was schätzen Sie?

Die Rolle der USA zum Beispiel. Statt auf Diplomatie zu setzen, werden nun massiv Waffen geliefert. Wenn zwei Menschen miteinander streiten, wäre es sicher undiskutabel, wenn man dem einen eine Axt gibt und dem anderen ein Messer. Man müsste beide beschwichtigen, um Eskalation des Streites zu verhindern. So werden jetzt in der Ukraine Milliarden Euro verbrannt, die Infrastruktur zerstört und vor allem Tausende von Menschen getötet. Putin wird diesen Krieg sicher nicht als Verlierer beenden!!!

Kommen wir zu einem anderen Thema. Haben sich, Ihrer Erfahrung nach, die Werte der Menschen, auch im Bezug auf die Arbeitswelt verändert?

Ich würde sagen: Ja. Tugenden wie Anstand scheinen verloren zu gehen. Wenn ich einen Mitarbeiter einstelle, habe ich eine Verantwortung ihm gegenüber. Er hat ein Recht auf einen ordentlichen Arbeitsplatz und auf einen guten Lohn. Umgekehrt erwarte ich vom Mitarbeiter, dass er sich am Arbeitsplatz ordentlich verhält und seine Leistung bringt.

„Je besser ich meine Mitarbeiter behandle, desto mehr Leistung kann ich erwarten“

Hat sich die Qualität der Bewerber, wenn sie dreißig oder vierzig Jahre zurückblicken, verändert?

Bei uns ist es noch ein bisschen normaler! Alle leitenden Angestellten waren bei uns Lehrlinge. Wenn sich jemand bei uns bewirbt, weiß er, dass er einen garantierten Arbeitsplatz erhält, und weiß auch, dass er seine Leistung bringen muss, um zu uns zu passen! Allerdings setzen wir auch auf Migration, das heißt, wenn sich qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland bewerben, stellen wir sie ein. Wir beschäftigen derzeit über 50 Flüchtlinge, davon acht Ukrainerinnen, die bei uns als Näherinnen einen tollen Job machen!

Kamen diese als Flüchtlinge nach Deutschland?

Genau. Acht sind bereits da und zwei weitere werden kommen. Das geht alles seinen Gang, da wir sichere Arbeitsplätze anbieten!

Robert Bosch sagte: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle.“ Würden Sie diesen Satz unterschreiben?

Ja! Leistung darf nicht genauso honoriert werden wie Nichtleistung. Deshalb sage ich: Ich muss meine Mitarbeiter top bezahlen, nur dann kann ich von ihnen top Leistung erwarten, die sie dann auch erbringen müssen. Über einen Mindestlohn in einem Land wie Deutschland zu sprechen, ist eine Schande für die Unternehmer. Bei uns erhält er mehr als den Mindestlohn, weil ich auch mehr Leistung von ihm verlange. Bringt er diese Leistung, muss er auch mehr verdienen, damit er auch weiterhin Freude an seiner Arbeit hat. Was Herr Bosch gesagt, hat ist zu 100 Prozent richtig.

Verstehe.

Wir sind Egoisten! Wenn es mir und meinem Unternehmen gut gehen soll, muss ich meine Mitarbeiter auf Händen tragen. Je besser Sie ihre Mitarbeiter behandeln, desto mehr tun diese auch für die Firma und sind bereit, trotz Feierabend eine Stunde länger zu bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch!


Julian Marius Plutz

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