Tichys Einblick
Ein Leser schreibt

Wenden ohne Ende – am Ende noch ´ne Ehe-Wende

Martin Jacob ist für die FDP Bezirksbeirat in Heidelberg. Mit seinen Gedanken ist er wohl repräsentativ für einen größeren Teil der Deutschen, als Amsträgern, Funktionären und Journalisten bewusst.

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Die Wendigkeit der Bundeskanzlerin ist phänomenal: Nach der Energiewende, der Wehrpflichtwende und der Eurorettungs-/Haftungsunion-Wende in der letzten Legislaturperiode, der Mindestlohnwende, der Frauenquotenwende und der Immigrationswende in dieser Legislaturperiode hat sie nun mit einer Talkshow-Äußerung und Aufhebung des Fraktionszwangs dafür gesorgt, dass im Bundestag eine Ehe-Wende beschlossen wurde. Damit hat sie den Weg für eine Jamaika-Koalition nach der BT-Wahl geebnet. Die asymmetrische Demobilisierung des rot-günen Lagers durch die Kanzlerin hat freilich einen Nebeneffekt: Auf Bürgerlich-Konservative wirkt dies mobilisierend. Wer die vielen Wenden der Kanzlerin nicht länger mitgehen will, wird künftig nicht mehr Union wählen, sondern sich nach Alternativen umsehen.

Die traditionelle bürgerliche Alternative, die FDP, hat die Wenden der letzten Legislaturperiode mitgetragen. Im aktuellen Wahlprogramm wendet sie sich zwar gegen die Energiewende. Aber in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein hält sie als Koalitionspartner die Grünen an der Macht. Derzeit propagiert sie gemeinsam mit rot-grün die „Ehe für alle“.

Diejenigen Bürgerlich-Konservativen, die das nicht mitgehen wollen, werden sich nach einer anderen Alternative umsehen. Besagte Alternative gilt aber bei allen anderen Parteien und in fast allen Medien als suspekt, für Bürgerliche nicht wählbar, populistisch mit fließenden Übergängen zum Rechtsradikalismus. Dieses Narrativ setzt freilich ein hohes Maß an Vergesslichkeit bei den Bürgerlich-Konservativen voraus. Denn die politischen Forderungen besagter Alternative erinnern stark an das, was vor 10-15 Jahren noch feste Programmatik der Union schien: Für eine sichere Energieversorgung mit Kohle und Kernenergie, für die allgemeine Wehrpflicht, für einen stabilen Euro, keine Haftung für fremde Staatsschulden, Deutschland ist kein Einwanderungsland, gegen Mindestlohn, gegen Frauenquoten, für den besonderen Schutz von Ehe und Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern. Heute bezeichnet die Union diejenigen, die solche Positionen vertreten, als rechtsradikal und lässt sie vom Verfassungschutz beobachten. Difficile est, satiram non scribere.

Die Demokratie gewinnt, die Wahlbeteiligung steigt, wenn der Wähler endlich wieder die Wahl zwischen programmatischen Alternativen hat.