Tichys Einblick
Verzerrt im "Spiegel":

Lauterbach und Drosten offenbaren im Interview ihre Eitelkeit und Selbstgefälligkeit

„Der Spiegel“ gab Lauterbach und Drosten eine Bühne zur Darstellung von Harmonie und Einigkeit. Nebenbei sollte etwas Corona-Aufarbeitung stattfinden. Die beiden verdrehen in dem Interview Tatsachen und schieben Verantwortung von sich. So geht Aufarbeitung nicht. Von Friedrich Pürner

IMAGO/Frank Ossenbrink - Collage: TE

Sicher haben Sie sich schon mal gewundert, weshalb ein Spiegel rechts und links, aber nicht oben und unten vertauscht. Hängt Ihnen eine Locke rechts über die Stirn, so hat Ihr Spiegelbild diese Locke auf der linken Seite. Der Kopf bleibt im Spiegelbild – glücklicherweise – oben.

Der Spiegel bildet nicht nur ein Bild von uns ab, nein, er macht uns auch alles nach. Hebe ich meine rechte Hand, dann passiert das auch im Spiegel so. Erst wenn ich mir mein Spiegelbild als reale Person vorstelle, dann wird es interessant. Denn dann hebt diese „Person“ im Spiegel plötzlich sichtbar die linke Hand. Das ist nun keine Teufelei, sondern liegt lediglich an der Perspektive des Betrachters, also im Beispiel an der meinen. Für die meisten von uns ist dies derart selbstverständlich, dass wir diese Merkwürdigkeit im Alltag gar nicht wahrnehmen.

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Merkwürdigkeiten nehmen wir meist nur wahr, wenn wir uns hineindenken. Weshalb ich nun daran denken muss? Nun ja. Lauterbach und Drosten gaben dem Magazin Spiegel ein Interview. Darin ist so einiges merkwürdig und so manches wird darin auch vertauscht. Doch der Reihe nach.

Vor ein paar Tagen gab Karl Lauterbach „der Wissenschaft“ die Schuld am Malheur der Schulschließungen. Jeder wusste, dass damit Christian Drosten gemeint war. In dem Spiegel-Interview soll nun der Eindruck von Friede, Freude, Eierkuchen erweckt werden. Harmonie pur zwischen Drosten und Lauterbach. Und ganz nebenbei sollte natürlich auch etwas Aufarbeitung erfolgen. Man will sich dem nicht verschlossen zeigen. Denn der Öffentlichkeit ist nun bekannt, wie falsch beide Protagonisten lagen.

Doch anstatt einer Aufarbeitung mit etwas Menschlichkeit und dem Zugeben von gemachten Fehlern deuteten beide lediglich die bisherigen Fakten der Pandemie sowie die negativen Auswirkungen der Maßnahmen um.

So wird eine Aufarbeitung nicht gelingen. Ein Beispiel: Drosten und Lauterbach geben an, die gleichen Studien zum Thema Kinder und Ansteckung gelesen zu haben und verstanden dabei die Studien so, dass Kinder gleichermaßen ansteckend wie Erwachsene seien. Da sind die beiden wohl dem gleichen Irrtum aufgesessen oder haben beide eine sehr einseitige Studienlage bemüht. Denn bereits im Mai 2020 wurde ein Review veröffentlicht, dass Kinder wahrscheinlich nicht die Treiber der Pandemie sind.

Man hätte zumindest mal diesen Review überdenken können. Zudem sprachen die Lebensrealität und die Daten an einigen Gesundheitsämtern eine gänzlich andere Sprache. Wenige Kinder waren tatsächlich krank, viele waren lediglich positiv. Nachvollziehbare Ansteckungen innerhalb der Klassen waren sehr selten. Die Kinder wurden nur in Quarantäne geschickt, weil sie in der Klasse mit einem positiven Mitschüler saßen. Von den quarantänisierten Kindern wurde selten jemand durch den Kontakt in der Klasse krank.

Von der Influenza wissen wir seit vielen Jahren, dass die Übertragung am häufigsten im häuslichen Bereich vorkommt. Weshalb sollte es bei Covid-19 anders sein? War es natürlich nicht. Doch im Mai 2020 durfte die Influenza noch keinesfalls mit Covid-19 verglichen werden. Direkt galt man als Leugner. Das wollte weder Drosten noch Lauterbach. Von einem Fehler sprechen beide aber nicht.

Drostens Blick aus dem Labor reicht nicht aus

Nun steht fest, dass Schulschließungen unsinnig und nachteilig waren. Schuld will keiner haben. Laut dem Interview war es die Rolle von Drosten bei der Ministerkonferenz, die Krankheit zu erklären, wie sie sich ausbreitet und „die ganze Epidemiologie“. Da drängt sich die Frage auf, warum man keinen echten Epidemiologen gefragt hat. Drosten ist bestimmt kompetent im Labor. Von der Verbreitung von Krankheiten hat er gewiss keine praktische Erfahrung. Ganz sicher aber hat er als Virologe keine Ahnung von Epidemiologie. Wie auch? Ein Labor ist ein geschützter Raum.

Theorie ist sein Fach. Die Epidemiologie kann man im Labor nicht verstehen lernen. Drosten ist kein Epidemiologe. Auf diesem Gebiet hat er wenig bis keine Ahnung. Hätte er an dieser Stelle nicht ehrlich klarstellen müssen, dass er hierzu – mangels Wissen – keine kompetente Erklärung abgeben könne? Hat niemand der Ministerpräsidenten sich die Frage bezüglich Drostens Kompetenz in diesem Bereich gestellt? Weshalb wurde bei so einer weitreichenden Thematik und Entscheidung keine zweite Meinung eingeholt?

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Auf die Frage, wer nun Schuld habe, dass Kinder keine Priorität eingeräumt bekamen, zeigt Drosten eindrucksvoll, dass er eben kein Epidemiologe ist. In der elitären Kanzleramtsrunde hätten nicht alle Konsequenzen von politischen Entscheidungen bearbeitet werden können. Mag sein. Allerdings müssen in dieser Runde zumindest die gravierendsten Folgen beratend thematisiert werden. Ein Epidemiologe hat die gesamte Bevölkerung im Blick. Eingeständnis von Drosten, dass er über seinen Kompetenzkreis hinaus beraten hat? Fehlanzeige!

Und so schieben nun Lauterbach und Drosten die Schulschließungen dem bayerischen Ministerpräsidenten Söder zu. Der habe in ganz Bayern die Schulen geschlossen, worauf die anderen Bundesländer „umgekippt“ wären. Wenn das stimmt, dann ordnete Markus Söder – zumindest in Bayern – aufgrund Anratens eines Nichtfachmannes wochenlange Schulschließungen an und sorgte dafür, dass Generationen an Kindern darunter nun zu leiden haben. Für die Entscheidung der anderen Bundesländer kann Söder nichts – für die negativen Auswirkungen in Bayern allerdings schon. Dieses Beispiel zeigt sehr schön, dass kein Ministerpräsident aus der Reihe tanzen und eigene Verantwortung tragen wollte. Ein furchtbarer Fehler.

Ebenfalls irritierend ist Drostens Aussage über Dänemark. Nach seiner Auffassung konnte sich Dänemark bereits eine Öffnung leisten – Deutschland aber nicht. Drosten begründet dies damit, dass Deutschland zu der Zeit eine schlechte Impfquote hatte. Schaut man sich aber die Impfquoten beider Länder zu diesem Zeitpunkt an, dann wird sichtbar, dass Dänemarks Impfquote niedriger als die Impfquote Deutschlands war. Das nennt man ein Verdrehen von Tatsachen. Einer Aufarbeitung ist damit nicht geholfen. Drosten bemüht hier ein Scheinargument. Denn es ist nun mal so, dass es keinen Zusammenhang zwischen Impfquote und Maßnahmen gab. In keinem Land! Manche Länder öffneten trotz niedriger Impfquote, andere verschärften ihre Maßnahmen, obwohl eine vergleichsweise hohe Impfquote vorlag.

Lauterbach klagt an – und beschreibt sich selbst

Lauterbach beklagt nun ein Verdrehen der Tatsachen und belastet damit einige Medien, Parteien und die sogenannten „Querdenker“ – was einer bestimmten Ironie nicht entbehrt. Sind es doch gerade Lauterbach und Drosten, die hier verdrehen, was das Zeug hält.

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Wo also Fakten fehlen, da werden nun Kampfbegriffe benutzt. Schuld sind mal wieder die Querdenker. Daran lässt Lauterbach keinen Zweifel. Am Ende des Interviews wird er so zitiert: „Technisch sind wir jetzt viel besser gerüstet. Aber kommunikativ und politisch sind wir wegen all der Verharmloser und ‚Querdenker‘ schlechter vorbereitet, als wir es vor Corona waren.“ Lauterbach wälzt sein persönliches Versagen auf andere ab. Auf eine Gruppe, die er nicht einmal exakt definieren kann. Hier zeigt Lauterbach seinen Charakter. Er ist ein Zündler an einer hochexplosiven Gesellschaft. Ihm ist jedes Mittel recht, um Recht zu behalten. Fehler sind ihm fremd. Fehler machen andere. Schuld sind die, die ihm nicht folgen. Lauterbach ist pathologisch geworden. Aber das ist nicht meine Sorge.

Meine Sorge ist eine andere. Wenn Aufarbeitung und das Eingestehen von Fehlern so abläuft, wie es die beiden Herren hier vorleben, dann sehe ich wenig Chancen, dass wir es bei einer nächsten Pandemie besser machen werden.

Zu einer Aufarbeitung gehört das unumwundene Benennen von Fehlern. Der Wille zur Aufklärung, weshalb und wie Fehler passiert sind. Danach müssen daraus Konsequenzen folgen. Es geht nicht darum, dem Gärtner zu kündigen, weil er ein paar Sträucher falsch beschnitten hat. Hier geht es um die Beschneidung unserer Grundrechte, die zu keinem Zeitpunkt in der Art und Weise notwendig gewesen ist. Vor Lauterbach war Spahn. Das ist korrekt. Aber Drosten war von Anfang an da. Er hat mit Unterstützung der jeweiligen Bundesregierung großen Schaden an unserem Land und an unserer Bevölkerung angerichtet. Das Bundesverdienstkreuz wurde ihm zu Unrecht verliehen. Er ist nicht würdig, diese Auszeichnung zu tragen. Ein Blick in den Spiegel, und er würde erkennen, dass das Kreuz am falschen Hals hängt.

Dr. med. Friedrich Pürner, MPH, ist Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe


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