Tichys Einblick
Neuer Generalinspekteur Carsten Breuer

Der Minister, der General und die Bundeswehr

Es ist schon ein großes Manöver, wenn ein Vier-Sterne-General neu eingesetzt wird.
 Es ist ein sehr großes, vor allem, wenn es um den ersten Soldaten der Nation geht und der alte nach Hause gehen muss.
 Von Torsten A. Kurschus

Generalleutnant Carsten Breuer, aufgenommen im Rahmen eines Besuchs des Bundeskanzlers beim Territorialen Führungskommando in Berlin, 28.02.2023

IMAGO / photothek

Der neue Offizier Nr.1 ist der aus Iserlohn nordwestlich des Sauerlands stammende General Carsten Breuer. Als neuer Generalinspekteur der Bundeswehr steigt Breuer damit in die höchsten Kreise der NATO/OTAN auf. 
Der Schritt der ersten und wichtigsten Personalentscheidung des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius war absehbar und folgerichtig. Er wird auch folgenschwer sein.
 Alle letzten Regierungen hatten keine gute Hand bei der Wahl ihrer Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, ihrer IBuK genannten Verteidigungsminister. Ungewöhnlich ist auch, dass der Verteidigungsminister gleich eine andere wichtige personelle Entscheidung traf.

Zu lang war die Befehlskette der Politik bei der Organisation ihres Militärs. Die hatten die Regierungen allzu lange an die allzu kurze Leine gelegt.

Es ist richtig, dass das Militär dem Primat der Politik bedingungslos zu folgen hat. Es ist auch richtig, dass vom Militär politische Enthaltsamkeit erwartet wird. Das betrifft aber eben die Parteipolitik und nicht das staatsbürgerliche Verständnis des Soldaten in Uniform. Das ist seit Johann David von Scharnhorst der Führungsgedanke oder das Konzept der inneren Führung, wie es von General Wolf Graf Baudissin in den 50er Jahren maßgeblich entwickelt wurde.
 Demzufolge haben wir selbstverständlich politische Soldaten. Diese sollen auch eine parteiliche Meinung haben, aber keine Parteisoldaten sein. Das ist das Problem.

Streitkräfte sind nicht verteidigungsfähig
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Jede Partei versucht zu instrumentalisieren, wen sie kann. Das liegt in der Natur ihrer Sache. Und zu lange hatten wir parteilich-politische Soldaten. Das geht aber nicht. Das Ende ist sonst Ideologie, der die Demokratie durch den offenen Meinungsstreit entgegenwirken will und muss. Der Machterhalt ist eine immerwährende Verführung. Und jede Parteilichkeit versucht zudem, sich die Institutionen des Staates gefügig zu machen oder sogar zu unterwerfen, wie wir es gerade in Ungarn und Polen erlebt haben. Besondere Meister der Politisierung der bewaffneten Kräfte waren dann die Grünen mit ihrem Weg durch die Institutionen. Seit den 68ern gilt es auf dieser Seite als Trumpf, diese ersten Plätze zu erobern. Dabei ist das Militär ein hoch begehrtes Gut. Und seine ersten Soldaten sind das Faustpfand der ideologisierten Politik.

Das ging mit dem Generalinspekteur Helmut Kujat los, der unter Verteidigungsminister Rudolf Scharping 2000 das Amt von seinem Vorgänger von Kirchbach übernahm. Seitdem waren alle folgenden Generalinspekteure ausnahmslos politische Generäle. Solches Verhalten haben manche militärpolitische Auseinandersetzung den Sieg gekostet. Aber es gab ja auch keine Bedrohungslagen. Heute kostet so etwas mehr.

Dabei reden wir nicht von strategischer Ausrichtung außer der kontinuierlichen Zersetzung unserer bevormundeten Armee und seiner beschnittenen Fähigkeiten, sondern von nutzlosen und überfüllten Segelschulschiffen, die jeden Kostenrahmen sprengten. Wir müssen über die irre Bürokratie des berüchtigten Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINB) in Koblenz mit über 9.000 Beschäftigten sprechen, das auch in Insiderkreisen gelegentlich als „Bundesamt für Wehrtechnik und Bestechung“ bezeichnet werden soll. Wir reden von der zwingenden Frage nach dem Handtaschendesign für weibliche Offiziere und wir müssen dabei beiläufig die zur Doktrin erklärte „feministische Außenpolitik“ artikulieren und die Befähigungen für die Spitze der Verteidigungspolitik. Und selbstverständlich die endlosen, politisch motivierten Beschaffungsprozesse und vor allem jene, welche nicht statt- oder kein Ende finden.

Auch ist das Outfit einer Ministerin im rosa Kostüm mit Highheels, die nicht die Dienstgrade ihrer Untergebenen kennt, beim ersten Truppenbesuch in Mali ein deutliches Symptom für die Unfähigkeit der Politik. Nicht zu vergessen die Aufschreie der rot-grünen Quotenbrigade, als Kanzler Scholz einen gedienten Mann-Minister ernennt.

Die Truppe stand dieser deplatzieren Riege der Verteidigungs-Minister im Stöckelschuh und deren Helferinnen ablehnend gegenüber. Insofern ist Boris Pistorius ein willkommenes Novum. Immerhin hat der Jurist gedient – auch die Zeiten andere waren. Das kommt bei seinen Soldaten gut an. Doch es bleibt ein Kulturbruch mit der woken Übernahme des Staates, der den Versuch unternimmt, wieder zurück zum Wesentlichen zu kommen. Aus dem SPD-Kaderland Niedersachsen stammend und als Macher bekannt, war für Scholz die Ernennung des Pistorius fast schon zwingend. Folgerichtig entsorgte der neue Minister gleich die von der Vorgängerin übernommene Staatssekretärin Margaretha Sudhoff und schickte sie nach Hause. Für den Fehlimport aus Lambrechts Garten setzte Pistorius seinen verwaltungsgetreuen Mitarbeiter Nils Hilmer aus Niedersachsen als neuen Verwaltungschef seines Ministeriums ein. Ebenfalls ein Vorgang, der von der grün-roten Quotenbrigade grollend beargwöhnt wurde.

Territoriales Führungskommando der Bundeswehr
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Die Personalie Carsten Breuer trifft nun ein Schwergewicht, wie es lange nicht zu sehen war. Als Chef des Territorialen Führungskommandos (TerrFüKdoBw), des höchsten nationalen militärischen Entscheidungsgremiums, kennt der Heeresoffizier die Bundeswehr seine Partner und Szenarien wie seine Dienstwaffe im Schlaf – und die damit zusammenhängenden Probleme ebenso.

Nach internen Informationen soll die Truppe aufgeatmet haben. „Hoffentlich ist die Zeit des Weibergetues vorbei“, bekennt ein uns bekannter, ranghoher Führungsoffizier lachend. 
Mit dieser Hoffnung ist er nicht allein. Da gelten Eva Högl, die Bundeswehrbeauftragte, und Marie-Agnes Strack-Zimmermann als die löblichen Ausnahmen in der Inkompetenzvermutung der Politik bei Nichtsoldaten.

Breuer nun genießt nicht nur als Offizier einen exzellenten Ruf, sondern auch als herausragender Organisator, als Krisenmanager hat er sich über die Bundeswehr hinaus hohes Ansehen erworben, als er vor zwei Jahren verantwortlich für das Zusammenspiel von Armee und zivilen Kräften war. Das verbindet ihn mit seinem ebenso populären Vorgänger, Hans Peter von Kirchbach, der 1997 bei der größten bekannten Oderflut durch schnellen und wirkungsvollen Einsatz hervorstach und schließlich Generalinspekteur wurde. Die Erwartungen an Pistorius, Breuer und Hilmer und ihre Führungsqualitäten sind hoch.

Doch es gibt keine Vorschusslorbeeren – sie sind das notwendige Agens in der längst angerissenen Reißleine.
 Gelingt der Schritt zur neuen Konversion nicht, wird Deutschland neben seinem längst vorhandenen Ansehensverlust bei den Verbündeten zudem einen in der Wirtschaft erhalten. Das allerdings wird dann irreversibel sein. So, wie es der Schweiz gerade geschieht, die Munition lieber verschrottet, als sie der Ukraine, die sie dringend benötigt, zur Verfügung zu stellen, und die zudem das bundesdeutsche Angebot ausschlägt, alte Leopard-1-Panzer zurückzukaufen, um damit der Ukraine zu helfen. Die Schweiz wird die Konsequenzen über Jahre deutlich zu spüren bekommen – der Bundesrepublik könnte es ähnlich ergehen, wenn das neue Team versagt – oder versagen muss, weil ihm einmal mehr die rotgrüne Politik in den Rücken fällt..

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Pistorius muss den Spagat schaffen, die Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen und zugleich dem Staatsvolk klarmachen, dass dies keine unzumutbar großen Opfer bedeutet. Auch das Warum und das Wie harren nicht nur konsequenter Umsetzung, sondern bedürfen der Erklärung. Das scheint bei einer satten, über Jahre auf happy-party-peace gepolten, deutschen Bevölkerung kaum möglich. 
Die Chancen stehen nicht gut. Das längst zugesagte NATO-Ziel der zwei Prozent für den Verteidigungshaushalt, der so ganz plötzlich wieder an Bedeutung gewinnt, ist das eine Problem. Die einhundert Schuldenwumms-Milliarden dort ankommen zu lassen, wo sie hingehören, nämlich direkt in der Truppe, ist das andere.

Pistorius und Breuer müssen ihre Partner von USA bis Polen davon überzeugen, dass wir wirklich dabei sind. Schaffen sie das nicht, unterstützen sie jene in den USA, die Europa sich selbst überlassen wollen oder die lieber auf Polen als Prime-Partner auf dem Kontinent setzen. Es hat gute Gründe, weshalb Rüstungsgigant Rheinmetall einerseits Kooperation mit US-Firmen anstrebt und gleichzeitig kritisiert, dass Aufträge aus Deutschland auf sich warten lassen. Auch Rüstungsmacher brauchen Planungssicherheit vor allem dann, wenn potentielle Kunden ihren Blick aufgrund des Gefühls von Unzuverlässigkeit in die USA oder nach Südkorea lenken.

Auch hier muss Pistorius frische Zeichen setzen, um künftig noch mitzuspielen. Es ist ein Vabanque-Spiel. Er kämpft gegen die Windmühlen der rückwärtsgewandten linksgrünen Ideologen und damit auch einen nicht unbedeutenden Teil seiner längst von Linksradikalen unterwanderten Partei. Sollte es ihm jedoch gelingen, sich durchzusetzen, dann könnte er in der ersten Reihe jener stehen, die eines Tages Olaf Scholz als Bundeskanzler ersetzen. Breuer kann sich dabei als perfektes Werkzeug erweisen, der Bundeswehr wieder Rückgrat und Ansehen zu verschaffen. Ein Glanz, der in der aktuellen Krisenzeit, die bei vielen im Bundestag und in den Wohnstuben immer noch nicht angekommen ist, auf den Minister abfärbt.

Generalinspekteur Carsten Breuer ist seit langem der erste Soldat, der für Fachlichkeit und für Führung im Sinne von Scharnhorst und Baudissin steht. Er könnte ein guter erster Militär Deutschlands werden, wenn es ihm gelingt, sich gegen die Politik durchzusetzen. Etwas, das seine Vorgänger nicht einmal versucht hatten, obgleich der Posten des Generalinspekteurs in einer Parlamentsarmee dann eben doch nicht nur ein militärisches Amt ist.

Torsten A. Kurschus

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