Tichys Einblick
Nicht umgekehrt, Frau Bildungsministerin

Die Kinder lehren fremdsprachige Eltern Deutsch

Das umgekehrte ist der Fall: Die Kinder können, wenn es gut geht, den Erwachsenen, die der Sprache des Einwanderungslandes nicht mächtig sind, sprachlich etwas beibringen: „Mama, es heißt nicht Schule gehen, sondern in die Schule gehen“.

© Adam Berry/AFP/Getty Images

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka ist die letzten Tage mit der folgenden Forderung oder Empfehlung an die Öffentlichkeit getreten. Es dürfe keine Klassen geben, in denen der hohe Migrantenanteil dazu führe, „dass die Schüler untereinander vorwiegend in ihrer Muttersprache sprechen und damit eine Integration erschwert wird“, appellierte die Ministerin an die Bundesländer.

Wanka forderte die Eltern in Migrationsfamilien zudem auf, zu Hause mehr Deutsch zu sprechen: „63 Prozent der vier- und fünfjährigen Kita-Kinder mit Migrationshintergrund sprechen zu Hause nicht Deutsch.“ Das sei kein kleines Problem, „sondern eines, das Auswirkungen auf spätere Leistungen in allen Fächern und damit auf die Chance zur Teilhabe und die Integration hat“, sagte sie.

Jeder denkende Mensch müsste sich ob solchen groben Unfugs an den Kopf fassen. Wieso?

Erstens ist mittlerweile bekannt, dass große Teile der Neubevölkerung mit Migrationshintergrund gravierende Bildungsdefizite haben. Wenn laut Ludger Wößmann vom Zentrum für Bildungsökonomik in München „zwei Drittel kaum lesen und schreiben“ können – es geht hier wohl gemerkt um ihre eigene Sprache, nicht um das Deutsche –, wie soll es dann mit deren Beherrschung einer völlig neuen Sprache, nämlich derjenigen des Zuwanderungslandes, bestellt sein? Man stelle sich eine Migrantenfamilie am Abend zu Hause vor, die, obwohl alle mit muttersprachlicher Kompetenz Arabisch sprechen, plötzlich auf Deutsch losgackert, damit die Kleinen am nächsten Tag bessere Erfolge in der Schule erzielen. Selten so gestaunt!

Das Szenario ist von einer solchen Absurdität, dass es allenfalls in einem Slapstick Platz finden könnte. Bekanntlich erwerben Kinder die Sprache ja dadurch, dass sie einem bestimmten sprachlichen input ausgesetzt sind. Alle (gesunden) Kinder sind mit einem angeborenen kognitiven System ausgestattet, das es ihnen erlaubt, innerhalb eines begrenzen Zeitfensters bei geeignetem sprachlichen input jede natürliche Sprache zur Perfektion zu erlernen. Ist der input Deutsch, wird das Kind die Grammatik und Lexik des Deutschen aufbauen, ist der input Arabisch oder Türkisch oder Farsi, wird das Kind die Grammatik und Lexik des Arabischen oder des Türkischen oder des Farsi aufbauen, usw.

Woran würde sich aber das bedauernswerte Kind orientieren, dessen sprachlicher input ein pseudodeutsches Gegackere ist, ein „Deutsch“, das von arabischsprachigen Analphabeten quasi „erfunden“ worden ist? Was wäre das Resultat? Es wäre allenfalls das, was in der Linguistik als pidgin bekannt ist, d.h. eine aus der Not geborene Mischsprache ohne Flexion, ohne Kasus, ohne Genus, ohne grammatische Funktionswörter (Artikel, Präpositionen, Konjunktionen etc.) usw. sowie ohne komplexen Satzbau. Wie eine solche Sprache den Kindern mit Migrationshintergrund den Weg in Bildung und dann auch noch den Weg in die Arbeits- und Lebenswelt in Deutschland gewähren sollte, müsste Frau Bundesbildungsministerin erst einmal erklären. Kinder mit einem solchen Sprachhintergrund würden es allenfalls bis zu der von den Grünen und sonstigen Expertenverbänden propagierten „leichten Sprache“ schaffen. Bevor sich die Gesamtgesellschaft aber dieser Lächerlichkeit unterordnet, dürfte noch sehr viel Zeit vergehen.

Zweitens – und dieses Argument steht mit dem ersten durchaus in einem engen Zusammenhang – sind es nicht die Erwachsenen, die Kindern die Sprache „beibringen“, sondern es ist allenfalls das umgekehrte der Fall: Die Kinder können, wenn es gut geht, den Erwachsenen, die der Sprache des Einwanderungslandes nicht mächtig sind, sprachlich etwas beibringen: „Mama, es heißt nicht Schule gehen sondern in die Schule gehen“. Ich spreche hier von einer Grundtatsache, über die in der Linguistik völliges Einverständnis herrscht. Sprache wird nämlich in einer bestimmten frühen Lebensphase, der sog. kritischen Periode, aufgrund des inputs einer Umgebungssprache „erworben“ und keineswegs so „erlernt“ wie etwa eine spätere Fremdsprache oder das Klavierspiel etc. Zu Hause Deutsch zu sprechen, wie es von Frau Wanka empfohlen wird, hätte nur dann Sinn, wenn die Sprechenden Sprecher oder Sprecherinnen des Deutschen wären. Das ist bei Migrantenfamilien definitiv nicht zu erwarten.

Dass es „keine Klassen geben dürfe, in denen der hohe Migrantenanteil dazu führe, dass die Schüler untereinander vorwiegend in ihrer Muttersprache sprechen“, ist eine hehre Forderung. Dieser Forderung mit Regelungen zum Sprachgebrauch am heimischen Herd nachkommen zu wollen, ist der blanke Unsinn. Wie es zu so einer schlechten wissenschaftlichen Beratung einer Bundesministerin kommen kann, ist kaum nachvollziehbar. Ich würde Frau Bundesbildungsministerin Wanka dringend empfehlen, sich für eine Politik stark zu machen, die die unkontrollierte Massenimmigration von vorwiegend ungebildeten und kulturfremden Menschen unterbindet. Das wäre der Ansatz am richtigen Punkt.

Josef Bayer lehrt an der Universität Konstanz Sprachwissenschaften.