Tichys Einblick
Kommentar zum Jahrestag des 29. August 2020

Nichts ist vergessen oder wie Corona-Demonstrationen das Bewusstsein veränderten

Vorbei und vergessen? Gestern jährte sich zum dritten Mal der 29. August, Berlins große Demonstration gegen die Corona-Politik. Im Kern ging es um Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft. Für viele Teilnehmer die erste Demonstration – mit Folgen. Ein persönlicher Rückblick von Christian Moser

Foto: Christian Moser

Ein Jahrestag hat immer etwas Weihevolles. Die Erde hat sich einmal um die Sonne gedreht, die Jahreszeiten sich einmal abgewechselt und alles wiederholt sich wieder. Auch die Geschichte ist so nach Nietzsche die Wiederholung des ewig Gleichen. Es ist immer das gleiche Kommen und Gehen, es ist immer der gleiche Antrieb der Menschen, im Guten wie im Schlechten, der uns auseinandertreibt und wieder zusammenfügt.

Gestern jährte sich erneut der 29. August, an dem vor drei Jahren in Berlin eine große Demonstration stattfand, mit der viele Ereignisse der heutigen Tage noch immer in Zusammenhang stehen. Angeblich 17.000 Menschen, tatsächlich dürften es viel mehr gewesen sein, hatten sich in Berlin nach dem 1. August desselben Jahres ein zweites Mal versammelt, um ihrer Forderung nach Aufhebung der Corona-Pandemie-Deklaration und der damit begründeten Maßnahmen Nachdruck zu verleihen.

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Es ging jedoch nur vordergründig um dies, sondern im Kern um die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft, die Rückkehr der Macht von der Politik zum Volk.

Am 1. August 2020 war ich unter den Teilnehmern der Demonstration gewesen, direkt vor der Bühne im Angesichte der Polizei, am 29. August war ich bereits Anwalt vom Dienst und vor und hinter der Bühne ständig beschäftigt. Ich war auch der Erste vor Ort, als in der Friedrichstraße der Beginn des Demozuges durch eine Polizeisperre verhindert wurde. Es war zwar möglich, eine schrittweise Öffnung derselben zu verhandeln, andere Teilnehmer entschieden sich jedoch für eine Sitzblockade und verblieben dort noch viele Stunden. Trotzdem waren dann um die Siegessäule herum unübersehbar viele Menschen versammelt und hörten mit freudiger Erwartung den Reden der vielen Aktivisten und mit großer Begeisterung der Botschaft von Robert F. Kennedy Jr. zu.

Es hätte viel Großes daraus werden können, ist man geneigt zu sagen, weil damals die Erwartung, die Hoffnung so überwältigend waren. Zwar konnte die Zwingherrschaft, der wir unterliegen, bis heute nicht überwunden werden und drohen wieder neue Schlingen um unserem Hals, so haben wir dennoch die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen und viele Institutionen und ein ganzes Netzwerk geschaffen, die vor jenem Datum völlig unmöglich schienen.

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Es schien nicht nur völlig unmöglich, dass sich so viele Menschen zusammenfinden, die etwas aufbauen können, nein, vor allem schien es unmöglich, dass die jahrzehntelang von der Herrschaft gepflegten Gräben unserer Gesellschaft überwunden werden konnten, wenn sich nur alle einer beherrschenden Frage gegenüber sehen. Wie ganz im faustischen Geiste so viele Deutsche wieder nach der Frage strebten, was denn die Welt im Innersten zusammenhält, so hatten alle, ob sie wollten oder nicht, auch die Frage Gretchens zu beantworten, wie sie es nun, nicht mit der Religion, sondern mit der Freiheit halten.

Daran hat sich bis heute nichts geändert, nur die Erscheinungen dieser Frage wechseln sich ab. Und wie sich so die Schmerzpunkte immer wieder ändern, es gestern Impfkritiker waren, heute Hausbesitzer und Autofahrer und morgen vielleicht die restlichen verbliebenen Industriellen, so werden immer wieder neue Menschen der Herrschaft einer Berliner Blase abtrünnig, weil sie merken, dass sie nur deren Spielball sind.

Es ist gut, an diesem Jahrestag innezuhalten und sich abseits allem Gedränge einmal des Erreichten zu vergewissern und der Gnade des Schicksals, dass es uns eine Zeit erleben ließ, die uns die Möglichkeit gab, all unsere Kraft, den Schwung unseres Geistes und die Liebe unseres Herzens in unserer Gemeinschaft erblühen zu lassen und damit den Grundstein zu legen für die Freiheit unserer Kinder und Enkelkinder.

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Mir ist es egal, ob ich einmal die Früchte ernte, aber mein Sohn und seine Kinder sollen es tun. Unser Volk findet langsam wieder zu sich selbst und damit gewinnt es seine Heimat zurück.

Und ebenso wie wir damals nicht wissen konnten, wo wir heute stehen, so wissen wir nicht, was morgen alles möglich sein wird, mögen die Regierenden noch tun, was sie glauben, tun zu müssen. Je mehr Druck sie ausüben, desto mehr Tatkraft setzen sie in uns frei. Im gleichen Maße wie wir staunen über die Niedertracht mancher Akteure auf offener Bühne, so werden wir staunen, was in uns steckt, die guten Fähigkeiten, die in uns wieder lebendig werden und was in unserem Lande, in anderen Völkern und in der ganzen Welt noch gedeihen mag.

Die große Chance unserer Zeit und für die Menschheit liegt heute darin, dass wir alle  zugleich erkennen, wer wir sind und dass die  Freiheit in unseren Herzen liegt, dass nicht mehr die einen gegen die anderen gehetzt werden, sondern alle zugleich und gemeinsam die Fesseln von sich werfen.

Bis dahin sind noch viele Fragen zu klären und müssen wir uns noch viele Hände reichen, aber es ist allemal die größte Chance der Menschheit auf den Frieden und die Freiheit, die sie jemals sah.

Jahrzehntelang hatte ich geglaubt, ich habe nur noch das Ende unserer Kultur vor Augen. Heute weiß ich, es war nur das Ende unserer Schatten. Unsere Kinder werden einst im Lichte ihrer Freiheit auf dem Erntefeld des Friedens stehen. Wir haben heute die Gnade, in der Dämmerung des Völkermorgens auf das Feld hinauszutreten und säen die erste Saat.

Christian Moser ist Rechtsanwalt und Steuerberater.