Tichys Einblick
Selbstkorrektur dringend nötig

Das EuGH-Urteil ist ein Schlag in das Gesicht jeglicher Wissenschaft

Was den EuGH zu diesem folgenschweren Urteil bewogen hat, ist nicht zu verstehen, es sei denn, er handelte im Interesse von Großkonzernen, was dem Verhalten der EU generell entspräche.

Gregor Mendel ist schon tot, aber wahrscheinlich rotiert er angesichts der aktuellen Entscheidung des EuGH gerade in seinem Grab. Bei den Versuchen, die er zur späteren Vererbungslehre durchführte, führte er eine künstliche Befruchtung durch, die so Hybriden entstehen ließ. Spätestens die Worte „künstlich“ und „Hybriden“ lassen heute jedem Artenschützer die Nackenhaare hochstehen. Hätte er damals einen Forschungsantrag gestellt, hätte er wohl unter dem medialen Aufschrei von NGO und Medien nach kurzer Zeit entnervt aufgegeben.

Was schreibt Wikipedia über die Versuche von Gregor Mendel?

„Dem (der Versuchsanlage) lag die neue Hypothese zugrunde, dass ein Organismus als ein Mosaik von Merkmalen aufzufassen sei, die sich unabhängig voneinander vererben und neu kombinieren.“

Das ist die Grundlage jeder Züchtung, die seit Gregor Mendel immer bestrebt war, Pflanzen und Tiere zu schaffen, die den Bedürfnissen des Menschen besser entsprachen als ihre Vorgänger. Manche Pflanzen oder Tiere würde es ohne Züchtung nicht geben. Triticale ist so ein Beispiel, die Bulldogge, der Zwergpinscher, Broccoli oder die Hunderten von Zierpflanzen, die heute unsere Gärten schmücken. Alles künstlich. Und im Falle der Hunde-, Katzen- oder Zierfisch-Züchtung nur zum Vergnügen des Menschen. Also sinnlos.

Kein Verbot, aber …

De facto läuft es bei CRISPR/Cas auf ein Verbot hinaus, auch wenn das Urteil es nicht so formuliert. Durch die Unterwerfung unter die gleichen Bestimmungen und Auflagen wie gentechnische Veränderungen über Artgrenzen hinweg (Bt-Mais u.a.) und in Erinnerung rufend, was mit Versuchsfeldern hierbei geschehen ist, ist die Forschung, Anwendung und Prüfung durch die neue – übrigens in Europa mit entwickelte Methode und als nobelpreisverdächtig gehandelte Forschung – praktisch unmöglich gemacht. Es kommt einem Nutzungsverbot in Europa gleich, wird aber rund um die Welt schon breitest eingesetzt. Importverbote für so erzeugte Produkte werden allerdings nicht diskutiert. Konsequent ist das nicht.

Mutationszüchtung auch gleich verbieten

Der EuGH hat bei seinem Urteil zu Crispr CAS ausdrücklich die Mutationszüchtung durch Bestrahlung (!) und Chemikalien (!) ausgenommen. Dies ist in höchstem Maße inkonsequent und fahrlässig und sollte daher vom obersten europäischen Gericht jetzt dringend nachträglich überprüft werden. Wie auch bei anderen Entscheidungen sollte hier auch das von Frau Hendricks (Umweltministerin a.D.) und jetzt auch von Felix zu Löwenstein zitierte Vorsorgeprinzip gelten. „Eingriffe in das Erbgut von Lebewesen (mittels Genschere) sind Gentechnik und müssen reguliert werden“.

So sind auch die Züchtungsrichtlinien von Demeter, einem Bio-Anbau-Verband sehr konsequent: Jegliche Hybridzüchtung ist ebenso untersagt wie z.B. Polyploidisierung und andere Verfahren.

So ist in den Richtlinien des Verbandes zur Züchtung zu lesen (S. 3):

„Die Pflanze ist ein Lebewesen, das Himmel und Erde in seinem Dasein verbindet. Irdische Stoffe werden im Pflanzenwachstum durch kosmische Kräfte – modifiziert vom irdischen Umkreis – gestaltet und verwandelt. Die Pflanze richtet sich vom Erdmittelpunkt aus auf und nimmt Bezug zur Umwelt, aus der sie ihr Leben aufbaut. Sie bildet die Grundlage für das höhere Leben auf der Erde.“

Ob mein Artikel zynisch ist? Ja, das ist er, ohne jede Frage. Weil mich (und nicht nur mich) diese Entscheidung ratlos zurücklässt. Ich verstehe schlichtweg nicht, was den EuGH zu diesem folgenschweren Urteil bewogen hat. Dies umso mehr, als es einer der wenigen Fälle ist, wo das Richtergremium der Empfehlung des Generalanwaltes nicht nachgekommen ist. Es ist ein Schlag in das Gesicht jeglicher Wissenschaft. Ein Rückschritt, der nicht ohne Folgen bleiben wird. Dass ich das nicht alleine so sehe, sondern auch die „Süddeutsche“, gleich zweimal der „Spiegel“, die „FAZ“, die „Neue Zürcher“, das Max-Planck-Institut oder „Science“, tröstet mich nicht.

Diese Entscheidung spielt den Großkonzernen in die Hände. Die Gen-Schere wäre eine Möglichkeit auch für kleine und mittelständische Züchter gewesen, die sich andere und teurere Züchtungsmethoden nicht leisten und die eben nicht ihre Züchtungsarbeit mal so eben ins Ausland verlegen können. Wäre gewesen …

Gegen das Urteil des EuGH kann übrigens keine Revision eingelegt werden. Es ist endgültig.


Der Betrag von Dr. Willi Kremer-Schillings (Bauer Willi) ist zuerst hier erschienen.