Tichys Einblick
Angst ums Leben

Corona-Virus: Magisches Denken und Machbarkeitswahn

Einige prominente Virologen haben populistische Maßnahmen für realitätswirksam erklärt. Dadurch haben sie zwar politischen Zielen gedient, doch sind sie ihrer Verantwortung als Ärzte, die den Eid des Hippokrates geleistet haben, nicht gerecht geworden. Sagt Gastautor Johannes Eisleben.

Credit Fusion Animation

Wir leben in einer Zeit, in der irrationale Strömungen sehr stark sind, auch dann, wenn sie sich scheinbar auf die Wissenschaft berufen. Es ist eine Zeit magischen Denkens. Beispielsweise ist die kombinierte Angst vor der Energieproduktion mit Kernspaltung und vor dem Ausstoß von Kohlendioxid bei der Energieproduktion durch Kohleverbrennung in Deutschland gewaltig. So groß, dass in nur acht Jahren, das ist für fundamentale Infrastrukturentscheidungen eine kurze Zeitspanne, der Ausstieg aus beiden Technologien beschlossen wurde.

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Beim „Atomausstieg“ wurden gar keine wissenschaftlichen Erkenntnisse genutzt, dies war eine rein emotionale Entscheidung nach dem Reaktorunfall in Fukushima. Beim Kohleausstieg wurden Modelle einer wissenschaftlichen Community (einer international organisierten Gruppe von Klimaforschern) verwendet, denen andere Forschergruppen vehement widersprechen: Die Hypothesen dieser Gruppe von Wissenschaftlern wurden lediglich als pseudo-rationale Entscheidungsgrundlage verwendet. Denn aus mathematischer Sicht ist klar, dass die Klimamodelle nicht valide sein können, weil man komplexe Systeme mit Differentialgleichungen gar nicht adäquat modellieren kann. Außerdem war es die meiste Zeit der Erdgeschichte viel wärmer als heute, insbesondere während der Kambrischen Explosion vor etwa 500 Millionen Jahren, als die heute dominierenden Species entstanden. Doch wissenschaftliche Erwägungen haben bei diesen Entscheidungen eigentlich keine Rolle gespielt – es ging um kollektive Ängste und Stimmungen, die von Politikern kanalisiert, verstärkt und in Großprojekte wie die “Energiewende” gegossen werden.

Die “Energiewende” ist ein typischer Ausdruck magischen Denkens – inwiefern? Dieses Denken zeichnet sich dadurch aus, dass Verhaltensmustern, die keinen Einfluss auf die Realität haben, realitätsverändernde Wirkungen zugeschrieben werden. Ein klassisches Beispiel aus der Ethnologie ist der Regentanz, durch den ein Wetterwechsel mit Niederschlag herbeigeführt werden soll. Bei der “Energiewende” soll die Abschaltung von 40% der Energiequellen der heutigen Stromerzeugung eines Landes, das 2% des globalen Kohlendioxidausstoßes produziert, zur “Klimarettung” beitragen – was offensichtlich unmöglich ist. Magisches Denken ist heute mit Machbarkeitswahn gekoppelt. Bei der “Energiewende” soll die Primärenergieerzeugung in kurzer Zeit “decarbonisiert” werden, obwohl dazu gar keine Technologien verfügbar sind. Der Machbarkeitswahnsinnige geht davon aus, dass utopische Vorhaben tatsächlich durchführbar sind, ohne sich um die Naturgesetze zu kümmern.

Corona: Die Steigerung des Magischen Denkens

Doch wer dachte, bei der Energiepolitik sei schon die maximale Intensität magischen Denkens erreicht, wird nun eines Besseren belehrt. Denn wir erleben in der sog. Corona-Krise eine weitere Steigerung magischen Denkens mit Machbarkeitswahn.

Um dies zu verstehen, rekapitulieren wir noch einmal die einfachen Grundtatsachen der Virusbiologie und Epidemiologie des Erregers. SARS-Cov2 ist ein Corona-Virus, dass sich mit einer Basisreproduktionszahl von 5-7 per Tröpfcheninfektion verbreitet (das bedeutet: ein Infizierter infiziert wieder 5-7 weitere Menschen). Bei 50% der Infizierten verläuft die Infektion symptomfrei, bei weiteren 30% symptomarm (ohne echte Grippe). Gegen das Virus gibt es noch keine Immunität, sie muss ich in jedem Infizierten erst herausbilden. Ein kleiner Anteil der Infizierten (1-5 Promille), allesamt Menschen, bei denen das Immunsystem nicht mehr funktioniert, sterben an einer durch das Virus ausgelösten Pneumonie. Ihr Durchschnittsalter ist 79,5 Jahre, sie haben alle schwere Vorerkrankungen.

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Junge Opfer sind die Ausnahme, und auch diese sind immuninkompetent und haben schwere Vorerkrankungen. Dies bedeutet Folgendes: (1) Man kann das Virus nicht aufhalten, sondern es wird unweigerlich 50-70% der Population durchseuchen, bis Herdenimmunität entsteht. Die jetzigen Maßnahmen verlagern diesen Vorgang nur ein wenig in die Zukunft. (2) Durch das Virus werden die immuninkompetenten Menschen, die sich damit infizieren, zum allergrößten Teil sterben – unabhängig von therapeutischen Maßnahmen. Denn gegen ein Versagen des Immunsystems gibt es keine Therapie. Die allermeisten Patienten, die eine Corona-induzierte Pneumonie mit Lungenversagen haben, überleben die Beatmung nicht. Ob Intensivtherapie dem Spontanverlauf überlegen ist, wissen wir nicht. Doch ist dies insbesondere bei alten und schwer vorerkrankten Menschen sehr unwahrscheinlich.

Trotz dieser Tatsachen halten wir unsere Wirtschaft an, um die Verbreitung eines Virus zu verhindern, das sowieso die Mehrheit infizieren und eine kleine Minderheit töten wird. Die Argumente dafür lauten: 1. Wir wollen durch die Verlangsamung den Erkrankungsgipfel senken, damit für mehr Patienten Intensivtherapieplätze vorhanden sind. 2. Wir wollen das Virus aufhalten, bis wir Impfstoffe oder Arzneimittel dagegen haben. Das erste Argument ist aus zwei Gründe invalide. Erstens wird die Senkung der Neuinfektionsrate voraussichtlich nicht ausreichen, um auf dem Erkrankungsgipfel für jeden Patienten mit Atemnot einen Beatmungsplatz zu garantieren, da die Maßnahmen dafür nicht lange genug durchgehalten werden können – nach einigen Wochen müssen wir die Maßnahmen lockern, sonst droht eine Versorgungskrise. Zweitens bringt die Intensivthearpie den allermeisten Patienten nichts – für diese alten, moribunden Menschen ist ein sanfter Tod im Pflegeheim oder zu Hause viel besser als ein Stresstod auf der Intensivstation.

Auch Virologen sind uneinig
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Durch Triage ließen sich auch auf dem natürlichen Infektionsgipfel die relativ jungen und gesunden Patienten mit guten Aussichten leicht zur Behandlung aussondern, ohne dadurch die Wirtschaft lahm zu legen – und ohne den anderen zu schaden, für die die Therapie nicht wirksam ist. Das zweite Argument ist invalide, weil die Impfstoffentwicklung – deren Erfolg nicht garantiert werden kann – mit klinischer Prüfung mindestens 3 Jahre dauert und es sehr unwahrscheinlich ist, dass schnell ein gegen SARS-Cov2 wirksames Virostatikum gefunden wird. Virostatika sind sehr schwer zu entwickeln, gegen die meisten Viren gibt es keine. Das liegt daran, dass Viren keinen eigenen Stoffwechsel haben, sondern man an den menschlichen Wirtszellen, in denen sie sich reproduzieren, angreifen muss.

Die derzeit durchgeführten Maßnahmen werden zur schwersten Wirtschaftskrise seit dem Winter 1945/46 führen. Seitdem haben wir noch keinen derartig tiefen kombinierten Angebots- und Nachfrageschock und auch keine vergleichbaren Verschuldungsraten erlebt.: Der Schockt trifft auf eine hohe Verschuldung vieler Unternehmen und die im Wesentlichen niedrigzinsinduzierte Labilität des Bankensektors, was die Ausmaße der Krise noch deutlich verschlimmert.

Da die Maßnahmen also gar nicht geeignet sind, die COVID-19-Pandemie aufzuhalten oder die Anzahl der Toten im Vergleich mit einfachen Schutzmaßnahmen für Alte (deren mittelfristige Wirkung allerdings fraglich ist) in Kombination mit Triagemaßnahmen zu reduzieren, beobachten wir gerade kollektives magisches Denken: Wir wollen glauben, dass unser Handeln die Realität beeinflusst, doch das tut es gar nicht. Gleichzeitig ist der Glaube an die Machbarkeit der Ziele, die wir uns gesteckt haben, Ausdruck von Machbarkeitswahn. Denn wir haben das biologische und medizinische Wissen, über das wir verfügen, gar nicht genutzt, um die Machbarkeit zu durchdenken.

Helds Ausblick 5/2020
Corona – Im Teufelskreis der Schutzmaßnahmen?
Vielmehr haben einige prominente Virologen ohne wissenschaftliche Grundlage populistisch wirksame Maßnahme für realitätswirksam erklärt. Dadurch haben sie zwar politischen Zielen gedient, doch sind sie ihrer Verantwortung als Ärzte, die den Eid des Hippokrates geleistet haben, nicht gerecht geworden.  Dies ist auch dadurch offensichtlich, dass alle Virologen, die sich auf der Grundlage des Stands der Wissenschaft kritisch äußern, schon in Rente sind. Nur sie können es sich leisten, sich dem magischen Denken mit Hilfe der Wissenschaft entgegenzustellen. Die Virologen, die noch im Erwerbsleben stehen und die Sache kritisch sehen, schweigen aus Angst vor den Konsequenzen lieber – ich kenne mehrere.

Warum ist der magische Glaube bei COVID-19 so groß? Weil die Menschen in einer Art Massenpanik alle Angst um ihr Leben haben. Doch dafür gibt es keinen Grund. Sterben gehört zum Leben, es ist sein unweigerliches Ende. Und es sterben nur die, die eben so oder so bald sterben müssen. Noch werden die Maßnahmen gegen Corona aus Angst akzeptiert und positiv bewertet, viele Bürger helfen sogar freiwillig mit, sie durchzusetzen. Doch was passiert, wenn klar wird, dass wir die Wirtschaft umsonst gestoppt haben? Dass im Winter in Deutschland viele Menschen in Folge der Wirtschaftskrise erfrieren, weil sie obdachlos geworden sind oder aus Armut nicht mehr heizen können? Und zwar viel mehr, als jetzt durch die Scheinmaßnahmen gerettet werden können.

Wer wird zum Schuldigen erklärt, wenn klar wird, dass der Kaiser nackt ist? Keiner weiß es. Doch wenn die Zeit der Abrechnung vorbei ist, besinnen wir uns vielleicht wieder auf rationales Denken, das die Erkenntnisse der Wissenschaft als Entscheidungsgrundlage nutzt, anstatt uns magischem Denken mit Machbarkeitswahn hinzugeben. Das wäre nicht nur im Zusammenhang mit der Seuchenpolitik, sondern auch in anderen Bereichen sinnvoll – man denke beispielsweise an Euro, Migration, Rentenpolitik oder Energieproduktion.


Johannes Eisleben ist Arzt und Mathematiker und arbeitet als Systeminformatiker. Er lebt mit seiner Familie bei München.

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