Tichys Einblick
Dokumentation Spezial zur Buchmesse

Buchmesse gegen Rechts

Ein Arbeitskreis „Buchmesse gegen Rechts“ will mißliebige Verlage von der Buchmesse verbannen. Diese lehnt ab. Wir dokumentieren die Antwort eines angeschriebenen Publizisten der Szene.

© Getty Images

Liebe Freundin, du hast mich aufgefordert, einen Brief zu unterschreiben, der betitelt ist: „Buchmesse gegen Rechts“. Begründet wird diese Initiative mit der Anwesenheit von Verlagen und Autoren, die mit den Vokabeln „rechtskonservativ“, „völkisch-nationalistisch“, „verfassungsfeindlich“, „rechtsextrem“,  „antidemokratisch“, „rassistisch“,  „identitär“ qualifiziert werden. Konkrete Belege dafür und für die Unterschiede zwischen den genannten Kategorien gibt es nicht. Das ist ärgerlich, denn selbstverständlich sind fast alle Messebesucher gegen Rassisten und „Antidemokraten“. Aber welche Jury erläßt hier ein Urteil? Und sind einzelne Autoren mit bedenklichem weltanschaulichen Hintergrund gleichzusetzen mit einem gesamten Verlagsprogramm?

Die Jury tagt im Geheimen

Die Verfasser des Briefs führen gerade mal zwei verdächtige Autoren eines Verlags an, der einige hundert Titel anbietet. Sie gehören offenbar einer militanten Bewegung an, die Aktionen „gegen die Flüchtlingspolitik und den Islam“ unternimmt. Das ist wahrscheinlich ziemlich fragwürdig, aber aus der Sicht der vom Grundgesetz Verlagen garantierten Meinungsfreiheit ist doch zu unterscheiden zwischen  politischen Handlungen und publizistischen Äußerungen. Marcel Reich-Ranitzki hat als Literaturchef der FAZ immer wieder Gedichte und Artikel von kommunistischen Autoren veröffentlicht, deren Haltung zur bundesdeutschen Verfassung sehr umstritten war. Für die Geistesart der Unterschriftlieferanten bezeichnend ist hingegen schon ihre Entrüstung über die Werbeparole eines der beschuldigten Verlage: „Alle reden von Fortschritt, unsere Austeller zeigen ihn.“ Eine rassistische, antidemokratische Ungeheuerlichkeit? Oder ein gängiger Werbeslogan? Ich gestehe, dass ich angesichts dieser Anklage auch Gänsehaut bekam.

Welche „Gefahr“ von einzelnen Publikationen einzelner Kleinverlage da drohen soll, ist mir nicht nachvollziehbar. Anscheinend gibt es bei der extremen Rechten einen ähnlichen Richtungswirrwarr, wie wir ihn aus den 70er Jahren von der linken K-Gruppen-Szene oder – historisch etwas weiter zurück – aus der protestantischen Sektengeschichte kennen. Damit ist aber wohl auch die weitere Entwicklung dieses Milieus klar – Absinken in Sektierertum und Bedeutungslosigkeit.

Als besonders schlimm wird der Auftritt des allseits berüchtigten Akif Pirinccis auf zwei Veranstaltungen angeführt. Der habe in einer „Pegida Rede“ 2015 bedauert „die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Das unterstellt, er habe die Wiedereinführung von Konzentrationslagern verlangt. In der benannten Rede ist genau das Gegenteil formuliert. Für die vom „Arbeitskreis“ wiederholte Falschmeldung mussten sich seinerzeit nachträglich einige seriöse Medien entschuldigen. Die rechter Gesinnung völlig unverdächtige „Frankfurter Rundschau“ schrieb letzte Woche korrekt über Pirinccis Pegidarede: „Er hatte deutschen Funktionsträgern indirekt unterstellt, Gegner der Merkelschen Flüchtlingspolitik gerne in Konzentrationslager stecken zu wollen, wenn sie könnten.

Man kann seine Rede als Opferwahn bezeichnen, eine „Forderung nach KZs“ ist eine bösartige Unterstellung. Mit jenem medial blitzschnell verbreiteten Fake wurde der Autor von Katzenkrimis, dessen vulgäre, vom GangstaRap inspirierte Prosa bejubelt wurde, als triebe er sich in der linken Popszene herum, an den Rand der ökonomischen Vernichtung getrieben. Ähnlich vulgärer linker Grobianismus hingegen gilt als witzig – Bushido darf sogar unter Beifall frauenfeindliche und antisemitische Sprüche klopfen.

Erinnerungen an die Adenauer-Zeit

Weil außer vagen oder falschen Behauptungen nichts vorgebracht wird, ist die Beschwörung einer scheinbar gewaltigen Gefahr „von rechts“ um so absurder. In der politischen Topographie gilt üblicherweise als „rechts“, was Institutionen oder Regeln bewahren oder verteidigen will, von Rechtsstaat, Kirchen, Gewerkschaften, Marktwirtschaft, bis zu Familie, Meinungsfreiheit und Schutz des Eigentums. Das alles in die Nähe von Rechtsextremismus und Rassismus zu rücken, ist gelinde gesagt perfide.

Ich bin noch zur Adenauerzeit in die Schule gegangen und erinnere mich an die Methoden, die damals gegen alles, was links war, angewendet wurden: Denunziationen, ökonomische Pressionen, Indizierungen, Hausdurchsuchungen, Verbote. Schon allein der Gebrauch bestimmter Begriffe und Wörter wurde beargwöhnt. Was nur im entferntesten als „marxistisch“ klang, wurde als Anzeichen für Subversion aus dem Osten beargwöhnt. Wer über die Anerkennung der bestehenden Grenzen sprach, geriet in den Verdacht „aus dem Ostren bezahlt“ zu sein. Die herrschende Politik nutzte das KPD-Verbot, um alle politischen Richtungen links der Mitte zu denunzieren. Fundamentale staatliche Institutionen wie die (bis 1959 sich auf Marx berufende) SPD und die Gewerkschaften gerieten in den Ruch des Landesverrats. Künstler oder Filmproduzenten, die irgendwelche Beziehungen zur DDR hatten, bekamen die volle Härte des offziellen Mobbings zu spüren. Der Regisseur Wolfgang Staudte etwa galt wegen seines Films „Die Mörder sind unter uns“ (1946) als Ost-U-Boot. Als er 1951 bei der DEFA eine Heinrich-Mann-Verfilmung des „Untertan“ produzierte, blieb die im Westen fünf Jahre verboten und durfte dann bis 1971 nur gekürzt gezeigt werden. Bevorzugter Vorwurf gegen Leute wie ihn war der Terminus „Nestbeschmutzung“.

Die Verlagswelt wurde besonders schurigelt und sollte peinlich genau nach den Vorgaben der Regierungspolitik parieren. Bei Anzeigen im Börsenblatt durfte die DDR nur in Anführungszeichen, als „DDR“ oder besser „SBZ“ oder kurioserweise als „Währungsgebiet der DM Ost“ genannt werden. Theaterintendanten, die Stücke von Bert Brecht ins Programm nahmen, riskierten ihren Job. Antifaschistische Verleger wie der linkskatholische Heinrich Kierzek von der Fuldaer Verlagsanstalt, einer der ersten hessischen Zeitungslizenzträger, wurde mit Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und ökonomischen Druck an den Rand des Konkurses getrieben. Der Freiburger Pazifist Helmut Soeder, der den Film „Der lachende Mann“, eine auf „Stern“recherchen basierende DDR-Doku über den brutalen Kongo-Söldner Müller, vorgeführt hatte, wurde mit einer Geldstrafe von 1.000 Mark belegt, weil der Verdacht bestand, dass der Film „in seiner Tendenz gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist“.

Im berühmten Bundestagswahlplakat der CDU ist die Tendenz dieser Mobbingstrategie treffend ins Bild gesetzt: „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau!“

In meiner persönlichen beruflichen Laufbahn begegnete ich permanent der Tendenz, oppositionelle Vorstellungen durch Verbote zu diskriminieren. Das ging los im linken Buchverlagsprojekt, begegnete mir bei „Pardon“, wo die „Einstweilige Verfügung“ sozusagen zur Tagespost gehörte, war Alltag im Stadtblatt „Pflasterstrand“ und zeigte sich während meiner Zeit beim Eichborn Verlag in der Beschlagnahme des Buchs „Der sogenannte Gott“ (wegen eines satirischen Essays von Matthias Beltz).

Befremdlich finde ich die Unterschrift verschiedener Buchläden auf dem Brief des Arbeitskreises. Durchsuchungen in Buchhandlungen waren eine bevorzugte Methode der Staatsorgane, unliebsame Meinungen zu sanktionieren. In den 80er Jahren war man schnell staatsanwaltlich dabei,  linke Positionen als  Begünstigung des RAF-Terrorismus zu diskreditieren.

Radikaler Zorn und die Buchhändler

Als Folge einer Großfahndung in vielen Buchläden nach einzelnen Ausgaben der Zeitschriften „Revolutionärer Zorn“ und „Radikal“ (1986) wurden 76 Ermittlungsverfahren gegen etwa 150 Personen eingeleitet. Ein betroffener Buchhändler schrieb später: „Das Ärgerlichste war, wir hatten mit dieser Zeitung gar nichts am Hut. Wir waren politisch ganz weit entfernt von den bewaffneten Aposteln und Predigern. Aber aus dem Anspruch heraus, dass ein linker Laden so etwas zugänglich zu machen hat, dass man pluralistisch sein muss, war uns klar, dass wir eine solche Zeitschrift vorrätig halten.“

Aktionen wie der Brief des Arbeitskreises „Buchmesse gegen Rechts“ sind vom selben Geist der Unterdrückung und Denunziation inspiriert – nur eben topographisch seitenverkehrt. Und weil man in Wahrheit eigentlich auf etwas anderes zielt, nennt man die Initiative nicht gegen „Buchmesse gegen Rechtsextremismus“, sondern gleich gegen „Rechts“.

Das Verdikt „Rechte“ haben sich in den letzten Jahren die unterschiedlichsten Leute zugezogen. Da gehören neben den bekennenden Rechten der AfD dazu konservative Katholiken, Lebensschützer, Atomkraftbefürworter und Kritiker der Energiewende, Klima“skeptiker“, Befürworter technischen Fortschritts oder der Gentechnik, Wirtschaftsliberale, libertäre Antietatisten, Kritiker von Veggiewahn und Raucherverboten. Vertreter der unterschiedlichsten politischen Positionen sind als „Rechte“ stigmatisiert ins Visier der Begriffszensoren geraten: Winfried Kretschmann, Boris Palmer, die ganze FDP mit Ausnahme von Baum und Hirsch, Otto Schily, Heinz Buschkowsky und Klaus von Dohnanyi, die CSU, Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski, Papst Benedikt, Alice Schwarzer und Birgit Kelle, Hendryk Broder und Jörg Baberowski.

Die Hegemonie linken Denkens und die Fleischtöpfe

Aktionen wie die Initiative des Arbeitskreises sind der Versuch, alle weltanschaulichen Posiitonen, die sich „rechts“ von der jeweils aktuellen linken Mode befinden, zu diskreditieren. Es geht in Wahrheit nicht um irgendwelche Kleinverlage, sondern um die linke Hegemonie im gesellschaftlichen Diskurs. (Und vieleicht auch – als Kollateralnutzen – um die Förderung akademischer Karrieren in den neuen „linken“ Modedisziplinen.)

Gegen die polizeilichen Beschränkungen der Buchmesse 1968 und die Unterdrückung linker Veranstaltungen verfassten damals die ausländischen  Verlage Grove Press, Einaudi und Pantheon Books eine Deklaration, der sich innerhalb einer halben Stunde 35 Autoren und 105 Verlage anschlossen. Darin hieß es: „Bücher können nur in einer Atmosphäre der Freiheit veröffentlicht und verkauft werden … In diesem Jahr tragischer Bekräftigung autoritärer Kontrollen fordern wir eine offene Messe in einer Atmosphäre freier Diskussion und Versammlung.“

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat 2017 in dieser Tradition reagiert. „Wir haben komplett verlernt, uns mit Themen auseinanderzusetzen, die uns nicht passen“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Dachverbands der deutschen Buchbranche, Alexander Skipis. „Unsere Haltung ist glasklar“, die Meinungs- und Publikationsfreiheit gilt für jeden. Deshalb akzeptieren wir Verlage und Bücher, solange sie nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen.“

Das ist deutlich und für jeden liberalen und freiheitlichen Geist einsichtig. Deshalb bitte ich dich meinerseits, die Unterschrift unter dieses Machwerk zurückzuziehen.

Frankfurt, 10.10.2017

Albert Sellner

Albert C. Sellner hat als Programmmacher für den linken Politladenverlag Erlangen, als Redakteur für die Satirezeitschrift „Pardon“ und für das Frankfurter Stadtmagazin „Pflasterstrand“ gearbeitet, als Lektor im Eichbornverlag und als Herausgeber bei „Metropolitan“ und „Econ“. Seit 2000 widmet er sich als Autor und Antiquar der Pflege des kulturellen und religiösen Erbes.

In diesem Jahr ist Tichys Einblick 2x auf der Buchmesse vertreten:

Ab heute finden Sie uns in

Halle 3.1, Stand G72 mit einem Stand für die Zeitschrift – hier können Sie auch unsere Autoren treffen; wir laden Sie herzlich dazu ein. Am Donnerstag werden Roland Springer, Matthias Matussek und K.J. Gadamer anwesend sein, heute Roland Tichy.

Im Erdgeschoss der Halle 3.0, Stand B31 finden Sie beim Finanzbuchverlag  die Bücher der Edition Tichys Einblick.

Außerdem laden wir Sie am Mittwoch und Donnerstag zum Vortrag und Diskussion mit Markus Vahlefeld ein.