Tichys Einblick
Bericht aus einem Job-Center

Integration – Für sozialen Frieden Geschenke an Hartz IV-Empfänger

Der Praktiker im Job-Center über Betrug, Verschwendung, Unvermittelbarkeit, und Bedrohungen. Warum Integration nicht funktioniert, der Islam zur letzten Zuflucht der Betroffenen wird - und Einheimische mit Geschenken ruhig gestellt werden.

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Nicht einmal jeder zehnte Asylbewerber bringe die Voraussetzungen mit, um direkt in eine Arbeit oder Ausbildung vermittelt zu werden, so Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bereits im September letzten Jahres. Seitdem sind viele Monate vergangen. Getan hat sich wenig. Ein Konzept, wie man Hunderttausende, die zumeist nicht annähernd die Qualifikation für den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen, in Arbeit bringen und von staatlichen Leistungen unabhängig machen will, fehlt auch nur in Ansätzen. Schaffen wir das?

Reden wir mit einem, der „Wir“ ist und die Integrations-Aufgabe an Ort und Stelle bewältigen soll. In diesem Zusammenhang habe ich jemanden ausfindig gemacht, der es wissen muss. Was ich dabei herausfand, ist ein echter Hammer. Tichys Einblick liegen hierzu exklusiv Unterlagen vor.

Die alltäglichen Probleme eines Jobcenter-Mitarbeiters

Timo Felber ist 34 Jahre alt und seit sechs Jahren Arbeitsvermittler in einem Jobcenter in einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen. Seinen richtigen Namen nennen wir nicht, weil er um seinen Job fürchtet. Bis zu 150 Kunden betreut er dort parallel – vom Facharbeiter über die Akademikerin bis zum Langzeitarbeitslosen. Die Probleme sind die Gleichen wie in vielen Jobcentern. Durch die gute Konjunktur der letzten Jahre, aber vor allem auch durch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes durch Zeitarbeit und Co., gäbe es derzeit nicht allzu viele Arbeitslose, erklärt Timo. Das sorge dafür, dass es sich bei denen, die da seien, größtenteils um jene handelt, die ohnehin nur schwer oder kaum zu vermitteln seien. Viele von ihnen verfügen über keine Ausbildung oder haben bereits mehrere abgebrochen, weshalb sie nur auf Hilfskraftniveau anzusiedeln seien. Gerade die Jobs gebe es kaum mehr. Kaum jemand käme über die Zeitarbeit hinaus.

„Vermittlungshemmnisse“ nennt man das in Jobcenter-Sprech, wenn Menschen keine oder nur eine unzureichende Qualifikation besitzen. Aber auch Schulden oder psychische Probleme fallen darunter. Gerade bei Hartz IV-Empfängern gebe es die oft. Vielen nimmt die Arbeitslosigkeit das Selbstwertgefühl. Die meisten von ihnen haben gleich mehrere Vermittlungshemmnisse. Die Aufgabe des Arbeitsvermittlers sei es, diese erst einmal abzubauen, bevor er die Menschen überhaupt in Arbeit bringen kann. „Da muss man dann auch manchmal wie ein Psychologe wirken.“ sagt Timo mir.

Auch Alleinerziehende  haben es schwer. Sie seien zeitlich sehr unflexibel, was es schwierig machen würde, sie in Arbeit zu bringen und wenn, dann würde Teilzeit eben auch in der Regel nicht zum Leben reichen. Dann müsse das Gehalt  aufgestockt werden. Die schwierigste Problemgruppe sei allerdings jene der Menschen mit Sprachproblemen. Bei ihnen sei es besonders schwierig, sie in gute, langfristige Arbeitsverhältnisse zu bekommen. „Das sind in der Regel die Leute, die ihr ganzes Leben auf staatliche Hilfe angewiesen sind“ räumt Timo resignierend ein und ergänzt: „Wer die Sprache in Deutschland nicht spricht, hat ein ganz großes Problem. Da sehe ich auch in Zukunft die große Herausforderung im Bereich der Arbeitsvermittlung hierzulande. Das System in Deutschland fängt die Leute materiell relativ gut auf.“

Das sei ja zunächst erst einmal gut, aber in diesen Fällen werde es zum Problem. Gerade das würde es insbesondere für junge Leute, die noch nicht wissen, wo sie im Leben hinwollen oder worauf es ankommt und vor allem für Menschen mit niedriger Qualifikation und vielen Kindern attraktiv machen, nicht arbeiten zu gehen. Der Großteil der Geringqualifizierten könne halt nie über einen Job die eigene Familie so finanzieren, so wie es das Amt dann tut. „Die haben immer einen Hartz IV-Satz, der höher ist als das Arbeitseinkommen. Dementsprechend ist es für diese Leute vollkommen unattraktiv zu arbeiten.“ Der Staat würde hier falsche Anreize setzen, gibt Timo zu bedenken.

Kaum zu überblickende Parallelstrukturen

„Du hast von Sprachbarrieren gesprochen“, setze ich an und füge hinzu, dass diese ja nun vor allem für Menschen mit Migrationshintergrund gelten würden und frage ihn nach den spezifischen Problemen mit Kunden mit Migrationshintergrund.

Die Sprachprobleme hingen natürlich vor allem mit dem niedrigen Bildungsniveau zusammen. So würden Migranten immer noch einen Großteil der bildungsfernen Schicht in Deutschland stellen. Die Großeltern, die häufig als unqualifizierte Arbeiter in den 1950er und -60er Jahren nach Deutschland kamen und die Abschottung dieser Migrantengruppe hätte es ihnen schwer gemacht, sich daraus zu lösen.

Ob es kulturell bedingte Probleme gäbe, frage ich daraufhin.

Vor allem bei religiös durch den Islam Geprägten sei zu beobachten, dass die Motivation gering sei. Das Verständnis dafür, dass der Staat nur eine Übergangslösung sein könne, eine Hilfe, eine Stütze bis zur nächsten Arbeitsaufnahme, sei bei diesen Menschen ganz oft nicht gegeben. Bei Deutschen, aber auch Spaniern und generell Europäern sei zumeist deutlich der Wille erkennbar, sich aus der Situation heraus zu kämpfen. „Wie oft habe ich schon den Satz gehört, dass man sich nichts Schöneres vorstellen könne, als nicht mehr vom Staat leben zu müssen.“ erklärt Timo. „Diesen Satz habe ich noch nie von jemandem aus islamischem Kulturkreis gehört.“ Auch bei Osteuropäern sei der Wille groß, auf eigenen Beinen zu stehen. „Die nehmen eigentlich fast jeden Job, also wirklich Knochenarbeit.“ Oft würden sie es auch ohne Qualifikation und mit Sprachbarrieren schaffen, auf ein recht gutes Niveau zu kommen. „An denen sieht man ganz gut, dass wenn der Wille da ist, es auch einen Weg gibt.“ Vor allem bei Menschen aus dem islamisch geprägten Raum hätte Timo diesen Antrieb jedoch noch nie festgestellt. Stattdessen hätte man häufig mit Parallelstrukturen zu kämpfen, die für das Jobcenter kaum zu überblicken seien.

„Da gibt es dann diese marokkanische Großfamilie, deren Mitglieder alle volles Hartz IV beziehen und zeitgleich Immobiliengeschäfte betreiben.“ Einer von ihnen, ebenfalls Hartz IV-Empfänger, wollte dies gar als Qualifikation bei Timo geltend machen. „Das sind halt ganz dubiose Strukturen.“ kommentiert er und weist darauf hin, dass dies lange kein Einzelfall sei. „Die haben in diesem Staat ihre eigenen Wirtschaftszweige gebildet. Da läuft so viel unter der Hand und das durchblickt der Staat nicht. Da besitzt eine Großfamilie Immobilien, keiner weiß, über wen die laufen und die beziehen alle Hartz IV. Normalerweise würde man das ja dann nicht mehr kriegen, aber es blickt halt keiner mehr durch.“ Schuld daran sei nicht zuletzt auch der Dschungel an internen Regeln und Weisungen. Es sei überhaupt schwer, zu wissen, wie da gerade der aktuelle Stand gesetzlich ist. „Das ändert sich laufend.“

Vielen würde man darüber hinaus ansehen, dass sie ihr Einkommen nicht nur aus Hartz IV-Leistungen beziehen. Oft würden auch kleine Nebentätigkeiten angegeben werden, wobei man den Leuten schon an der Kleidung, dem Schmuck etc. ansehen würde, dass sie deutlich mehr verdienen, als sie angeben.

„Die können einem schön was vorlügen, legen einem unglaublich viele Bewerbungen vor, aber man weiß im Prinzip, dass es da nicht zu einer Arbeitsaufnahme kommen wird, weil man merkt, dass die das gar nicht möchten und schon ihre Einkommensquellen haben. Da guckt man dann aus dem Fenster und sieht, dass die mit einem Dreier-BMW kommen, der auch nicht auf sie zugelassen ist, weil die das in der Regel ja auch nicht dürfen. Ob das jetzt über die kriminelle Schiene läuft, also Verbrechen, Gewalt etc., kann man nur mutmaßen, aber der Durchschnitts-Hartz4-Empfänger kann sich diese Sachen eben nicht leisten und da ist meiner Meinung nach auch der Staat gefragt, dass man da rigoroser vorgehen müsste, denn diese Leute sind halt wirklich meiner Meinung nach darauf aus, den Staat wie eine Kuh zu melken. Die Leistungen werden ergaunert. Anders kann man das nicht sagen.“

Zwar hätte man einen Ermittlungsdienst, der würde aber hinter solche Strukturen auch nicht blicken. Stattdessen würde höchstens einmal bei den Menschen vorbeigeschaut werden, um zu überprüfen, ob diese auch wirklich dort wohnen, wo sie gemeldet sind oder ob da beispielsweise mehr Leute wohnen als angegeben. Das sei im Prinzip aber das Einzige.

„Und dann bist Du der ‚Nazi’“

Ein weiteres Problem sei das fehlende Verständnis gegenüber der Anspruchshaltung des Staates. „Als ich von einem Kunden, der angab, für 165 Euro im Monat in einem Dönerladen auszuhelfen, wollte, dass er mehr Stunden arbeitet, meinte er lediglich, dass es ihm doch so gut gehe.“ Als Timo ihm daraufhin deutlich machte, dass der Staat durchaus ein Anrecht hätte, von den Leuten zu verlangen, dass sie mehr arbeiten gehen, damit sie nicht mehr von den Steuerleistungen der anderen müssen, wurde er direkt sehr wütend und ausfallend. „Und dann fällt in der Regel auch immer sofort der Begriff ‚Nazi’.“

„Man hätte kein Verständnis für seine Situation und weil er halt Ausländer ist, will man ihm jetzt etwas Böses und dass er den Dreck für uns Deutsche machen solle. Da merkt man dann, dass da so ganz tief drin so ein bisschen Hass ist und ich verstehe nicht warum. Dieser Mensch wird versorgt, er hat ein Dach über dem Kopf, er muss nicht hungern … wenn ich, sag ich mal, in Marokko arbeitslos bin, dann lebe ich wahrscheinlich auf der Straße, habe nicht genug zu essen, kann meine Familie nicht versorgen und das ist hier ja nicht gegeben. Woher dann dieser Hass kommt, bei dem man direkt merkt, dass das jetzt hier gegen die deutsche Bevölkerung geht, obwohl der Mann eigentlich selbst Deutscher ist (er hat ja einen deutschen Pass), entzieht sich für mich jeder Logik.“

Mittlerweile gibt es einen Knopf und eine Tastenkombination für die Mitarbeiter des Jobcenters. Die Tastenkombination ist für einen „regulären Alarm“ gedacht. Wenn man sich zum Beispiel bedroht fühlt. Das andere ist der sogenannte „Amokknopf“. Mittlerweile würde man schon öfter auf diese Tastenkombination gucken. Gerade bei Kunden mit Migrationshintergrund käme es häufig vor, dass die Leute ausfallend und sogar handgreiflich werden. Auch wurde den Mitarbeitern angeraten, keine Fotos von Familie und Lebensgefährten auf den Schreibtisch zu stellen, um sie nicht zur Zielscheibe von wütenden Kunden zu machen. Es seien diese Umstände, die dafür sorgen, dass man mittlerweile bei vielen Kunden gar keine Sanktionen mehr verhängen würde, aus Angst, man setze sich selbst einem nicht kalkulierbarem Risiko aus.

Frauen? Dürfen nicht arbeiten

Dabei gäbe es diese Probleme nicht nur mit arabischen Großfamilien. Auch Männer, die nicht wollen, dass ihre Frau arbeiten geht, seien hierbei ein Problem. „Wir sind halt dazu angehalten, dass wenn jemand staatliche Leistungen bekommt, auch die Frauen – und wenn es nur in geringfügigem Umfang ist, in Arbeit zu bekommen.“ Dabei ginge es nicht zuletzt auch um Umschulungen (z.B. im Bereich der Altenpflege), damit man die Leute nachträglich qualifiziert.

Dies sei ausschließlich ein Problem mit muslimischen Kunden. Die Frau soll nicht arbeiten. Sie hat zu Hause zu bleiben und sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern. Das seien dann oft Familien mit vielen Kindern, die ihr kulturelles Selbstverständnis über das Grundgesetz stellen würden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Frauen im Gespräch nicht sprechen. Und dass der Mann auch dann die Antworten gibt, wenn man die Frau explizit anspricht. Diese kulturellen Diskrepanzen würden vor allem auch die weiblichen Kolleginnen zu spüren bekommen, weil die Männer auch ihnen gegenüber stets sehr dominant auftreten würden. Aber ohne Mitarbeit der Frau reicht das geringe mögliche Gehalt für den Lebensunterhalt nicht aus. Es wird aufgestockt.

Einmal saß bei einer Kollegin von Timo ein Mann, der kein Verständnis dafür hatte, dass man ihm nicht gewährte, drei Wochen in die Türkei zu fliegen. Er hatte eine Arbeitsaufnahme, d.h. er hätte in diesem Zeitraum Arbeit aufnehmen können. „Das wollte er aber nicht, weil er eben erst einmal für drei Wochen in die Türkei fliegen wollte.“ Die Kollegin hätte ihm dann gesagt, dass es dann zu Sanktionen kommen würde, weil das eben nicht ginge, dass man die Arbeit sausen lässt, weil man in den Urlaub will. „Da hat ja eigentlich jeder Mensch vollstes Verständnis für. Aber er hatte das nicht und da muss man sich bei solchen Menschen dann erst einmal trauen, demjenigen zu sagen: ‚Du nimmst die Arbeit auf oder du kriegst von uns keine Leistungen mehr.’“ Ein großes Eskalationsgespräch mit Teamleitung sei das gewesen. Später kam auch der Sicherheitsdienst dazu. „Also da wird schon deutlich, dass das sehr schnell eskalieren kann, und die haben dann einfach keinerlei Verständnis für die Situation.“

Das muslimische Selbstverständnis als Problem

Was für ein Verständnis haben sie denn, frage ich.

Deren Verständnis ist halt so, dass sie die Berechtigung sehen, dass der Staat für sie bezahlt.“ Das Verständnis von Hartz IV-Leistungen sei ein vollkommen anderes. Wenn Timo mit anderen Kunden darüber spricht, was der Sinn der Arbeitslosenversicherung und des ALG II ist, dann verstünden sie das, Kunden aus dem islamischen Kulturkreis nicht.

„Für mich wirkt das manchmal so vom Verhalten, als würden sie irgendwie denken, sie seien etwas Besseres oder hätten halt besonderen Anspruch darauf. Sie denken halt, dass Deutschland ihnen das schuldig ist – aus welchem Grund auch immer. Dieses Anspruchsdenken ist glaube ich ganz gefährlich bei den Leuten, die jetzt als Flüchtlinge nach Deutschland kommen und so ein Verhalten dann relativ schnell vielleicht adaptieren. Im islamischen Kulturkreis herrscht einfach ein anderes Selbstverständnis. Man denkt sich: Der Westen, der hat das so gut und der hat sich diesen ganzen Wohlstand auf Kosten der arabischen und afrikanischen Welt ergaunert und deswegen hat man jetzt ein Anrecht darauf, davon etwas zurückzubekommen – das kann ich nicht belegen, aber so kommt das in den Gesprächen herüber.“

Ich muss unweigerlich an Broders Idomeni-Artikel denken und das Stichwort Selbstverantwortung und frage ihn, ob er das so unterschreiben würde, dass man in diesem Kulturkreis ein Problem mit der Selbstverantwortung hätte.

„Ja, das hört man oft von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis“ bestätigt mir Timo. Man gäbe ihnen keine Chance hier. Man könne hier ja eh nichts werden. Aber Timo sagt auch, dass das ein generelles Problem im ALG II-Bereich wäre. So hätten viele, auch Deutsche, das Gefühl, man hätte ihnen Unrecht getan. Der Unterschied läge eher im Selbstwertgefühl. Bei Deutschen und anderen Europäern hätte man oft das Gefühl, es fehle ihnen an Selbstwertgefühl. Das gäbe es bei den Menschen aus dem islamischen Kulturkreis nicht. Diese würden sich ihres über die Kultur, die Religion wieder hereinholen. Die Arbeit hätte dort einfach nicht so einen hohen Stellenwert. „Wenn man keine Perspektive auf eine Arbeit hat, dann sucht man sich diese eben über die Kultur bzw. Religion – das ist, glaube ich, das größte Problem mit dieser Personengruppe.“ Derjenige, der kein Selbstwertgefühl mehr durch die Arbeitslosigkeit hat, hätte noch einen größeren Ansporn, sich aus dieser Situation zu kämpfen. Das fehlt hier, weil man sich das Selbstwertgefühl woanders holt. Dieser Umstand würde, so Timo, vom Staat total unterschätzt und als Problem nicht analysiert werden.

„Man möchte nicht ausländerfeindlich wirken“

Woran das liegen könnte, frage ich.

Man würde immer sehr stark versuchen, diese Themen zu umgehen. „Man spricht sehr ungerne darüber“, gibt Timo zu. Gerade in solch sozial geprägten Jobs im öffentlichen Dienst spiele die Komponente, dass man nicht ausländerfeindlich wirken möchte, eine große Rolle. „Es gibt da sehr viele, die dann auch solche Umstände einfach herunterschlucken.“ Außerdem würde vom Arbeitgeber sehr genau kontrolliert werden, wer sich da falsch äußert. Die Folge sei nicht selten ein Mitarbeitergespräch.

„Ich denke, man versucht das Bild zu vermitteln, dass es eben nicht so schlimm ist, aber eigentlich bräuchte man da viel mehr Transparenz: Wie viele Leute gibt es da mit diesen Problemen und wie kriegt man die wieder integriert? Wenn man da bessere Transparenz schaffen würde, hätte man viel mehr Möglichkeiten, die Leute wieder in den Arbeitsmarkt zu bekommen, da fehlt aber einfach vom Staat her der Mut zur Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern.“

Darüber hinaus würde der Staat auch keine Ansprüche stellen. „Da wird nicht gesagt: ‚Ihr lebt jetzt 20 Jahre hier, wir verlangen jetzt mal von euch, dass ihr die Sprache sprecht’ – ich habe hier ja diese Leute, die seit 20-30 Jahren hier sind, wo dann der Sohn als Dolmetscher mitkommt und man von vornherein weiß, dass man denjenigen nicht in den Arbeitsmarkt vermittelt bekommt.

Ich hake nach, frage, auch wenn ich mir die Antwort bereits denken kann, ob es da Zahlen, Statistiken gibt, wie hoch der Anteil der Leute mit Migrationshintergrund bei den Kunden der Jobcenter sei.

Die Herkunft könne man nur erfassen, wenn jemand keinen deutschen Pass hat. Die meisten hätten aber einen und würden dann somit auch nicht mehr aus Ausländer zählen. Statistisch wäre es also nahezu unmöglich, festzustellen, wer einen Migrationshintergrund hat und wer keinen. Vom Gefühl her würden die Kunden aus dem islamischen Kulturkreis jedoch deutlich die Mehrheit stellen.

„Wir machen ja oft Suchläufe bei uns im System, also in der Hauptdatenbank (Verbis) und wenn ich dann z.B. nach Kunden suche und ich gebe dann einen klassisch türkischen Nachnamen ein, bekomme ich in der Regel wesentlich mehr Datensätze als wenn ich jetzt Meyer oder Müller eingebe, das ist natürlich nicht statistisch belegbar, aber von meinem Gefühl her ist der Anteil deutlich höher. Auch bei meinem eigenen Kundenstamm befinden sich deutlich mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Deutsche.“

Von 150 Leuten seien maximal 20% Ursprungsdeutsche, 15-20% hätten einen osteuropäischen Hintergrund und der Rest, also so ca. 60%, käme aus dem islamischen Kulturkreis. Mit den Asylbewerbern hätte dies nichts tu tun. Die kämen erst jetzt langsam in das System.

Die Vorzeige-Beispiele sind Einzelfälle

Aber natürlich gibt es sie auch: Die Vorzeige-Beispiele. Und so erzählt mir Timo von einem jungen Syrer, der sich selbstständig einen Ausbildungsplatz in der Altenpflege besorgt hätte. „Er sprach schon relativ gut Deutsch, aber er hatte eben auch die entsprechende Bildung.“ Abitur und Studium in Syrien hätte er absolviert. Ein anderer Kunde, syrischer Ingenieur, wäre sich dann auch nicht schade gewesen, am Fließband zu arbeiten. Das sei durchaus so bei den Leuten mit entsprechendem Bildungsniveau. „Die sind dann auch gewillt, was zu tun und schaffen es dann auch, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“

Bei den Leuten, die dieses Bildungsniveau nicht haben, sähe das natürlich wieder ganz anders aus, sagt Timo. Das seien dann auch wieder die, die sich ihren Selbstwert über die Religion und Kultur suchen und die würden leider die Mehrheit stellen. So hätten sie sehr viele Kunden, die nicht einmal lesen und schreiben können. Von hundert Leuten würde vielleicht einer bis fünf Englisch sprechen. An Berufsausbildung sei da gar nicht zu denken. „Man merkt einfach, dass da vom Niveau her eher noch mehr Problempotenzial kommt.“ Diese Menschen würden, wenn überhaupt, irgendwann für den Hilfskraftbereich infrage kommen. Dies sei aber genau das Problem. Gerade, wenn das die einzigen Jobaussichten sind, würden sie relativ schnell lernen, dass es attraktiver für sie ist, staatliche Leistungen zu bekommen, als arbeiten zu gehen. Daher sei auch die Motivation, die Sprache zu lernen, sehr gering. Durch die bereits vorhandenen Parallelgesellschaften bräuchte man das ja auch nicht. „Man hat da sein Netzwerk an Leuten, die dieselbe Religion haben, aus derselben Kultur stammen, dieselbe Sprache sprechen. Wenn man dann sagt, die staatlichen Leistungen reichen mir, weil ich gewohnt bin, mit deutlich weniger auszukommen, dann ist die Motivation, arbeiten zu gehen, relativ gering.“ Und selbst wenn der Anreiz, nicht zu arbeiten, nicht so groß wäre, könne man auch nicht alle Leute im Helferbereich unterbringen. Dann müsse man den Arbeitsmarkt noch weiter flexibilisieren, was wieder mehr Zeitarbeit und aufstocken bedeuten würde.

Im übrigen hätte man das gleiche Problem auch mit Menschen aus Afrika, ergänzt Timo. Zehn Jahre hätte es gedauert, bis ein Mann aus Uganda kürzlich seinen ersten Job aufgenommen hätte, aus dem er nach drei Monaten schon wieder raus war. Dieser hätte selbst nach diesen zehn Jahren noch unzureichend Deutsch gesprochen. Auch hier fehle nach Timo die Transparenz. Man müsse doch schließlich wissen, wie viele Menschen Analphabeten etc. seien, um die Leute vernünftig in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

„Keiner weiß bei den Integrationskursen, wer da ist.“

Was ist mit Integrations- und Sprachkursen frage ich?

Meist wüsste man gar nicht, wer da überhaupt hingeht. Die Leute hätten keine Pässe oder sie lägen noch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. „Da sind dann Leute für die Integrationskurse angemeldet, die sind alle theoretisch voll und dann geht da keiner hin. Da sitzen dann fünf Leute und man weiß nicht, wer das ist. Und wenn man irgendwann dann mal fragt, wer da war, waren natürlich immer alle da.“

Ein Haufen Steuergelder würde in diese Kurse geschossen. Die Leistung, die da erbracht wird, könne gemäß Timo jedoch eher als schwierig angesehen werden.

„Da wird halt auch kein Qualitätsmanagement gemacht, also wie der Output da ist, dass man wirklich mal feststellt, ja die Leute kommen da raus und verfügen über ein bestimmtes Sprachniveau, das ist halt eher so notwendiges Übel, was man über sich ergehen lassen muss. Die verstehen halt teilweise nicht einmal, warum sie dahin sollen. Die sind sowieso vollkommen überfordert mit der Bürokratie hier in Deutschland.“

So sei es beispielsweise ziemlich schwierig, einem Asylbewerber aus Syrien oder Marokko zu erklären, was eine Bedarfsgemeinschaft ist. Vor allem, wenn derjenige dann auch noch in einer Mehrfachehe steckt und man auch von Seiten des Amtes nicht weiß, ob jetzt alle Ehefrauen mit in die Bedarfsgemeinschaft zählen. „Da haben wir einfach ganz große Probleme in der Arbeitsvermittlung, aber auch im Jobcenter komplett. Kollegen aus der Leistungsabteilung laufen da echt teilweise am Limit. Meiner Meinung nach ist der Staat auf solche Sachen gar nicht vorbereitet.“

Der deutsche Arbeitsmarkt ist nicht für Einwanderer aus diesen Regionen gemacht

Im Zuge dessen würde man oft auch versuchen, Dinge nach außen schöner darzustellen, als sie sind. Gerade im Bereich der Asylbewerber würden sehr oft gezielt Vorzeige-Menschen gesucht, die nicht wirklich repräsentativ für die Mehrheit sind. Natürlich seien das tolle Leute und diese positiven Beispiele sollte man auch nach außen hin verkaufen, sagt Timo, „aber man sollte da auch ehrlich sein und sagen was sie sind, nämlich Einzelfälle, und da sollte man nicht so tun, als wäre das jetzt ein repräsentativer Fall für das Gros der Leute, das verzerrt einfach die Sicht auf die Dinge.“

Die Realität seien halt eher Menschen wie der Mann aus Uganda. Mehrere tausend Euro musste das Jobcenter investieren, bevor er überhaupt nach zehn Jahren kurzfristig eine Arbeit aufnehmen konnte.

„Zum Großteil kommen hier halt Leute her, die mehrere Jahre brauchen werden, um überhaupt in Arbeit zu kommen und dafür wird auch sehr viel Geld in die Hand genommen werden müssen. Einerseits für die Arbeitsaufnahme selbst und zum anderen, um überhaupt erst einmal die Qualifikation herzustellen. Wenn ich beispielsweise jemanden habe, der Analphabet ist, dann bringe ich dem erst einmal lesen und schreiben bei. Das dauert vielleicht zwei Jahre. Weil, wie will man jemandem die Sprache beibringen, der nicht einmal lesen und schreiben kann? Das ist ja utopisch.“

Dies versuche man laut Timo unter den Teppich zu kehren, in dem man immer bestimmte Vorzeige-Flüchtlinge präsentiert.

Dabei seien sprachliche Barrieren lange nicht das einzige Problem. Dazu käme, dass viele Leute, die aus Kriegsgebieten kommen, psychische Probleme hätten.

Die bräuchten dann erst einmal psychologische Unterstützung und Betreuung. Da ist noch gar nicht dran zu denken, die irgendwie in eine Qualifikation zu bringen, um Integration voranzutreiben. Die müssen halt wirklich erst einmal stabilisiert werden. Teilweise habe ich Leute erlebt, die sind in Arbeitsstellen reingesteckt worden und haben dann irgendwie Flashbacks bekommen, wo der Arbeitgeber im Nachhinein gesagt hat: ‚Was habt ihr mir hier gebracht?’ Wo Leute einfach an Maschinen umgefallen sind oder wenn ein lautes Geräusch passiert ist, einfach weggelaufen sind, das sind so Probleme, die kriegt der normale Bürger gar nicht mit.“

Die Wahrung des sozialen Friedens oder: Steuergelder als Wahlkampfmittel

Aber das sei längst nicht alles. Und damit kommen wir zu einem Thema, über das Timo mir bereits in unserem ersten Gespräch berichtet hatte und das ich bis heute kaum glauben kann.

Durch die Flüchtlingskrise hätte man momentan auf Seiten der Regierung große Angst davor, dass die Stimmung bei den ansässigen Hartz IV-Empfängern kippen könnte. Im Zuge dessen würde momentan sehr viel Geld zusätzlich in die Jobcenter gepumpt, um den Hartz IV-Empfängern zusätzliche Wünsche zu erfüllen. „Wir sind dazu aufgefordert worden, die Leute mit dem zu versorgen, was sie möchten.“ Diese zusätzlichen Leistungen sollen zwar einen gewissen Bezug zum Arbeitsmarkt haben, aber so lange man das irgendwie unter die Begründung fallen lasse, dass dadurch eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt möglich sei, könne im Prinzip alles finanziert werden. „Ob das jetzt ein Haarschnitt, Laptop oder Führerschein ist.“ Sogar ein günstiges Auto sei möglich, wenn es der Arbeitsaufnahme diene. Das sei zwar noch etwas schwieriger zu bekommen, ginge aber auch.

Man wolle um jeden Preis das Gefühl bei den den Hartz IV-Empfängern verhindern, dass sie jetzt durch die Asylbewerber in einen Wettbewerb kommen. „Wobei der Arbeitsmarkt ja de facto ein Wettbewerb ist.“ Es soll aber vermittelt werden, dass es diesen Wettbewerb nicht gibt und dass keine neuen Wettbewerbe auf den Arbeitsmarkt kommen.

Und diese massive Zusatzförderung aus Steuergeldern vom Bundesamt für Arbeit müsse verwendet werden. Es sei keine Kann-Leistung, sondern eine Muss-Leistung, macht Timo deutlich. Jeder Vermittler müsse eine gewisse Anzahl an Förderungen jeden Monat durchnehmen. Das würde auch kontrolliert werden. „Wenn man das nicht macht, hat man ein Problem. Dann muss man sich auch vor der Teamleitung verantworten und da werden dann auch fragen gestellt: Warum hast du denn jetzt deine Quote nicht erfüllt, warum hast du keine Förderung rausgehauen?“

Es müsse Geld rausgehauen werden – unbedingt und da seien der Kreativität auch keine Grenzen gesetzt. „Wenn ich z.B. der Meinung bin, dass jemand in den Kletterpark muss, weil das als Motivationsstütze dient, eine Arbeit aufzunehmen, dann finanziere ich ihm einen Tag im Kletterpark – ob das Sinn macht oder nicht, ist dann wieder eine andere Frage.“

Für Timo steckt ganz klar politisches Kalkül dahinter. Um Wirtschaftlichkeit bzw. darum, die Leute ernsthaft wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ginge es dabei nicht. Es sei nur Geld, was in die Hand genommen wird, damit die Leute zufrieden, also quasi ruhig gestellt sind. „Das ist quasi viel mehr eine Wahlkampfunterstützung in meinen Augen, als dass man den Leuten wirklich was Gutes tun will.“

Wohlfahrtsstaat und offene Grenzen

Erneut denke ich an Milton Friedman und seine Aussage, dass man entweder einen Wohlfahrtstaat oder offene Grenzen haben könne. Das beides zusammen einfach nicht ginge. Wenn ich mir so anhöre, worüber wir die letzte Stunde geredet haben, erscheint es mir so, als würde er Recht behalten. Ein letztes Mal frage ich Timo, was sich seiner Meinung nach ändern müsste.

Man könne einfach nicht sagen, dass alle gut integrierbar seien. Das Gros der Leute hätte sehr viele individuelle Probleme. Das zweite Problem sei, dass Deutschland einfach die Leute anziehe, die um dieses hohe Niveau in der sozialen Absicherung wissen. Es wäre schlichtweg falsch, zu behaupten, dass das nicht attraktiv für die Menschen sei und der Hauptgrund, weshalb sie nach Deutschland flüchten. Umgekehrt würden Personen, die eine hohe Qualifikation haben, eher in Länder gehen, die nicht so hohe Steuerabgaben haben. Deutschland würde hier einfach die falschen Anreize bieten. Diese müsse man senken. Das würde hart klingen, aber langfristig müsse man, um alles am Laufen zu halten, eben auch die Menschen nach Deutschland locken, die etwas zur Wirtschaft beitragen können und das sei bei dem Gros der Leute, die bis jetzt gekommen sind, eben nicht der Fall. „Die meisten“, da ist sich Timo sicher, „werden bis zur Rente auf staatliche Leistungen angewiesen sein.“

Ein letztes Mal frage ich, ob er wirklich nicht dran glaube, dass diese Menschen irgendwann doch zu Nettosteuerzahlern werden könnten. „Ich glaube nicht, dass die Frage lautet, ob sie es werden. Ich glaube, sie lautet eher, ob sie es nicht irgendwann müssen. Dieses System, so wie es jetzt ist, werden wir unter diesen Bedingungen nicht auf Dauer aufrecht erhalten können. Der deutsche Staat muss anfangen, Ansprüche zu stellen.“

Das Gespräch wurde aufgezeichnet.