Tichys Einblick
Alles Rassismus?

Die postmodernen Nullitäten der neuen Jakobiner

Die neue politische Linke ergeht sich im Verbund mit Sozialwissenschaftlern in psychophilosophischen Spitzfindigkeiten, die mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun haben. Die Grundlagen dafür sind im postmodernen Denken zu finden. Von Burkhard Voß

Symbolbild

IMAGO / agefotostock

Aussagen wie „Du sprichst aber gut Deutsch“, „Wo kommst Du (ursprünglich) her?“ oder „Macht man das bei Euch auch so“ sind zumindest eine subtile Diskriminierung, wenn nicht „Alltagsrassismus“, vor dem schon die jüngsten Fernsehzuschauer vom WDR gewarnt werden, und den man, wie nicht nur das ZDF verlangt, „kontern“ sollte.

Das entspricht der aktuellen Deutungshoheit. In Ermangelung echter Probleme ergeht sich die neue politische Linke im Verbund mit Sozialwissenschaftlern in derartigen psychophilosophischen Spitzfindigkeiten. In den säkularen Überflussgesellschaften des Westens werden Nullitäten zu existenziellen Problemen aufgepumpt. Die Energie für diese Luftpumpe oszilliert zwischen Ablenkung von wirklichen Problemen und europider Sozialromantik. In einer solch sozialutopischen Absicherungsmatratze können sich insbesondere die Zeitgenossen der Generation Schneeflocke (nach 2000 geboren, vor 1900 garantiert nicht lebensfähig) schon mal in den Ritzen verirren.

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Darin folgen ihnen insbesondere Politiker linker und grüner Parteien, die wiedergewählt werden wollen und eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre fordern. Na prima, pubertäres Gehirn trifft digitale Demenz und daraus kommt so etwas wie Annalena Baerbock, nun ja, wir wollen großzügig sein, Ursula von der Leyen könnte ganz sicher auch dabei sein. Oder Katharina Barley. Oder Franziska Giffey … oder …. Spaß bei Seite. Die von den etablierten Parteien ständig befeuerten Diskussionen über Rassismus, Sexismus, Genderismus usw. haben mit der Wirklichkeit kaum etwas zu tun.
Kleiner Ausflug in das reale Alltagsleben

Vermeiden Sie ein asiatisches Restaurant? Denken Sie beim Gang zum Chinesen an die Hunnenrede Wilhelms II. (1859 – 1941) „… auf das noch in 1.000 Jahren kein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!“? Fühlen Sie sich beim Besuch eines griechischen Restaurants unmittelbar an die Militärdiktatur 1967 – 1974 erinnert? Oder assoziieren Sie spontan unterschiedliche Reproduktionsstrategien, wenn Sie einen Mitbürger afrikanischer Herkunft sehen?

Wahrscheinlich nicht. Trotzdem sind die Claqueure des westlichen Establishments fest davon überzeugt, dass Deutschland und andere Gesellschaften des Westens ein Riesenproblem mit Rassismus haben. Warum? Da sind wir wieder bei den Nullitäten, die zu Riesenproblemen aufgepumpt werden. Warum wird soviel gepumpt? Könnte die postmoderne Philosophie hier mehr als ein Zünglein an der Waage sein? Kleiner Lidschlag zurück.

Diese philosophische Strömung ist in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden und geht davon aus, dass die maßgeblichen Projekte der Moderne gescheitert sind. Mit Projekten sind unter anderem die Naturwissenschaften sowie Sozialismus und Kommunismus gemeint, um die Wichtigsten zu nennen. Sie haben ihre Versprechungen von einer besseren Welt nicht gehalten und stattdessen Auschwitz und Hiroshima möglich gemacht. Der postmodernen Philosophie zufolge gibt es keine allgemein verbindlichen Wahrheiten mehr. Diese seien immer eine Frage von Macht und Diskurs. Für politische Vorstellungen mag das durchaus zutreffend sein.

Postmoderne Philosophen gehen aber noch viel weiter. Für sie sind auch Objektivität und naturwissenschaftliche Experimente sowie ihre nachprüfbaren und messbaren Ergebnisse letztlich eine Frage von öffentlichen Diskussionen, Interpretationen, Macht und Emotionalität. Überspitzt ausgedrückt: Eins plus eins ist nicht immer gleich zwei, sondern man kann unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen und subjektiven atmosphärischen Schwingungen auch schon mal „2,3“ antworten. Jeder habe eben seine eigene Wahrheit.

Wenn die Objektivität dermaßen verhöhnt wird, kommt rasch die Sternstunde der Ideologen. Ihr Instrument der Stunde ist die Cancel Culture, also die Verbannung missliebiger Menschen aus dem öffentlichen Diskus. Vieles wird dadurch möglich.  Der Linguistik-Professor John McWhorter beschreibt dies anschaulich in seinem Interview im Spiegel (Nr. 11/13.3.2021), wo er sagt, dass es nicht darauf ankommt, „was jemand sagt und ob das wahr ist oder falsch, sondern allein auf die Identität desjenigen, der seine Klagen vorbringt.“ … Denn es geht nicht darum, sich seines Verstandes zu bedienen. Professor McWhorter hält eine wissenschaftsfeindliche Linke, die zwar nicht zu physischer Gewalt greift, aber dennoch jeden verfolgt, der sich eine unabhängige Meinung leistet, … für … beängstigend.“ Hier rechnet jemand ab, der kein weißer, sondern ein schwarzer Professor für Linguistik ist.

Die toleranzbesessene Jakobinerkaste des Westens wittert, insbesondere in Deutschland, in jeglichem Skeptizismus gegenüber dem Fremden, Rassismus. Was sie da wittert, ist vielfach aber nichts anderes als eine Konstante, die weit über die Anthropologie hinausgreift. Ob Menschen oder Tiere: Den anderen, den Unbekannten nicht gleicht zu umarmen, sondern zunächst zu mustern und zu sehen, wie er wohl tickt, eine gewisse Skepsis also gegenüber der Fremdheit ist normal. Das weiß man aus Biologie, Psychologie und Geschichte. Seit Jahrtausenden, seit Jahrmillionen. Nichts anderes drücken auch die eingangs genannten, alltäglichen Fragen aus. Hinter diesen sofort Rassismus zu wittern, spiegelt nicht gerade differenziertes Denken wieder. Eher ein Agieren auf spinalem Reflexniveau. Höchste Zeit für die Wahrnehmung von Unterschieden und differenziertem Denken.


Dr. med. Burkhard Voß, Autor von „Psychopharmaka und Drogen – Fakten und Mythen in Frage und Antwort“, Kohlhammer Verlag, ISBN-13: 978-3170746, 31.März 2020

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