Tichys Einblick
Attentat vom 20. Juli 1944

Linke diffamieren Hitler-Attentäter Stauffenberg

JuSos und Linkspartei wollen am Gedenktag den Stauffenberg-Mythos abräumen. Ihm wird vorgeworfen, kein „anständiger Antifaschist“ oder selbst Teil der „Nazi-Bande“ gewesen zu sein. Hinter der Kampagne steckt eine Geschichtsauffassung, die an die DDR erinnert.

Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Bendlerblock in Berlin

IMAGO / Jürgen Ritter

Es hatte lange gedauert, bis die Attentäter des 20. Juli und ihr Aushängeschild Claus Schenk Graf von Stauffenberg auch in der deutschen Bevölkerung nicht mehr als Verräter, sondern als Kämpfer für die Freiheit anerkannt wurden – noch in den 1950ern hatte nur ein Drittel der Deutschen eine positive Meinung zu den Verschwörern, die mit einem Sprengstoffattentat Adolf Hitler beseitigen wollten. Doch mit der Geschwindigkeit, in der neuerlich die Geschichte des 20. Juli und seiner Protagonisten umgedeutet wird, dürften sie in spätestens fünf Jahren wieder den Status von Vaterlandsverrätern haben – lediglich unter einer anderen diffamierenden Bezeichnung.

Bis in die jüngste Geschichte der Bundesrepublik galt der 20. Juli als Gedenktag, an dem ein Konsens über das Narrativ der Hitlergegner bestand. Doch der zunehmend linksextreme Drang zur Geschichtsdeutung und zum Geschichtsrevisionismus lassen erkennen, dass man sich wohl so mächtig fühlt, eine der Stützen der Erinnerungskultur abzuräumen. Der Anspruch lautet, nicht nur zu definieren, wer Nazi war und ist; sondern auch, wer ein guter Nazi-Gegner war und wer nicht.

Stauffenberg „wie der Rest der Nazi-Bande“

Den Aufschlag machten die JuSos. Sie sprachen den Attentätern vom 20. Juli ab, einen „anständigen Antifaschismus“ vertreten zu haben. Die SPD-Jugend verunglimpfte Stauffenberg als „Nationalist, Antidemokrat und Antisemit, wie der Rest der Nazi-Bande auch“. Anständiger Antifaschismus sei, wenn „unsere Genoss*innen (besonders im ländlichen Raum und Teilen ‚des Ostens‘) sich jeden Montag bei Wind und Wetter rechten und verschwörungsideologischen Aufmärschen entgegenstellen“.

Man muss sich klar machen, was hier behauptet wird: Stauffenberg im Grunde nicht besser als der falsche Führer, den er zu ermorden trachtete – und das alles nur, um in der eigenen Moral zu baden, weil man im Osten gegen Querdenker demonstriert. Die Erosion von (echtem) Anstand zugunsten parteipolitischer Bauchpinselei hat dabei auch für historische Amnesie gesorgt – gehörten doch zu den Verschwörern, die angeblich nicht besser als die Nazi-Bande waren, auch die SPD-Männer Julius Leber und Wilhelm Leuschner. Auch sie wurden verhaftet und hingerichtet.

Doch dem Hass auf Stauffenberg taten solche historischen Details keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die deutsche Linke verrannte sich an diesem Gedenktag in einen ikonoklastischen Rausch, als wollte man die Cancel Culture der Black-Lives-Matter-Bewegung mit zwei Jahren Verspätung in Deutschland nachholen und das Denkmal eines der letzten deutschen Helden zertrümmern. Hanning Voigts, Journalist der Frankfurter Rundschau, stieß in ein ähnliches Horn wie die JuSos: „Am Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 waren Antisemiten, Kriegsverbrecher, Monarchisten, Völkermörder und überzeugte Nationalsozialisten beteiligt.“

„Stauffenberg war vor allem Rassist und Antisemit“

Die Bundestagsabgeordnete Clara Anne Bünger (Linkspartei) sagte: „Stauffenberg war vor allem Rassist und Antisemit, der aktiv an Shoah, Porajmos und dem Vernichtungskrieg in Osteuropa mitgewirkt hat und eine Militärdiktatur errichten wollte.“ Sie sprach von „Geschichtsvergessenheit“, weil Kanzler Olaf Scholz öffentlich den Mut der Attentäter hervorhob. Sarah Dubiel von der Linksjugend erklärte: „Und jetzt einmal für alle: Stauffenberg war ein Faschist und hat jahrelang Hitlers Regime gestützt.“

Auch weitere Accounts, insbesondere von Vertretern der Parteijugend von SPD und Linken kritisierten die Gedenkkultur oder diffamierten die Attentäter. Eine bemerkenswerte Volte ist das auch deswegen, weil linke Parteien damit einen fatalen Dekonstruktivismus befördern. Der Stauffenberg-Mythos gehört zum Konsens der krisengeschüttelten und in seiner Identität zutiefst verunsicherten Bundesrepublik.

Dabei geht es um mehr als nur um Fakten oder eine spezielle Geschichtsdeutung. Die Linke in Politik wie Metapolitik erkennt in den Attentätern des 20. Juli eine schwer erträgliche Tatsache, auf die sich Reaktionäre, Konservative, Patrioten und Nationalisten gleichermaßen berufen können. Die Person Stauffenberg steht nicht nur für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, sondern auch für jenes alte, konservativ-nationale und christliche Deutschland, das sich in einem letzten Aufbäumen gegen die totalitäre Gewalt stemmte.

Schwer erträglich ist das deshalb, weil gerade dieses traditionelle Deutschland von der linken Intelligenz mit dem Nationalsozialismus und allen Irrwegen der deutschen Geschichte gleichgesetzt wird. Stauffenberg zeigt dagegen, dass diese Gleichung nicht aufgeht: Soldatische Tugend, Patriotismus, Christentum und Tradition waren im Gegenteil das stärkste Vehikel im vielversprechendsten Attentat gegen die Tyrannei.

Die Linke weiß um die Macht der Erzählung – gegen Stauffenberg kommt Elser nicht an

Stauffenberg reißt deswegen Wunden auf. Die bekanntesten und beliebtesten Gegner der Nazis waren eben keine Kommunisten oder woken Weltverbesserer. Das gilt nicht nur für die Attentäter vom 20. Juli, sondern auch für die Geschwister Scholl und die „Weiße Rose“ mit ihrem dezidiert christlich-abendländischen Fundament, das ebenso konservatives wie reaktionäres und patriotisches Profil aufweist.

Jedem Mythos haften Erzählungen an. Sie wecken bekannte Muster im Kulturgedächtnis. Stauffenberg war lange Zeit Teil des Systems. Während die Linke darin einen Mangel erblickt und genau diesen Umstand angreifen will, ist speziell der Wandel vom Saulus zum Paulus die große Stärke eines facettenreichen Charakters. Im christlich geprägten Europa wecken Themen wie Reue, Buße und Erlösung einen Nerv. Stauffenbergs Verrat an Hitler ist auch eine Sühnetat, seine Erschießung im Bendlerblock ist ein Martyrium, sein letzter Ruf nach dem „Heiligen Deutschland“ bringt die Ikonographie auf den Punkt.

Die Linke weiß darum: Kein linkes Attentat und kein linker Widerstand gegen das Dritte Reich kann gegen einen solchen Mythos bestehen, der mit tieferliegenden menschlichen und kulturellen Topoi seinen unwiderstehlichen Reiz ausübt. Das mindert nicht den Verdienst linker Attentäter wie etwa den von Georg Elser. Aber Elser wird aufgrund des mangelnden Mythos niemals die Strahlkraft eines Stauffenbergs und seiner Verbündeten erringen können.

Der Mythos Stauffenberg ist ein Mythos der Bundesrepublik – und soll zerstört werden

Zugleich führt die Causa Elser den geringen Organisationsgrad des linken Widerstands vor Augen: Es ist eine Aneinanderreihung kleiner Aktionen von Einzeltätern. Die Verschwörer vom 20. Juli hatten dagegen ein weitflächiges Netzwerk im Deutschen Reich gespannt, zu dem eine ganze Reihe von Funktionsträgern der alten Elite gehörten, ob militärisch oder zivil. Man bereitete einen Umsturz samt neuer Regierung vor. Nach Kriegsausbruch sind Attentats- und Umsturzversuche nur noch Sache der Wehrmacht. Dass der Widerstand Sache der Elite war, macht es aus Sicht der nach Egalität strebenden Erben der Jakobiner umso schlimmer.

Stauffenberg löst daher bei solchen Linken, die bis heute immer noch einen Kampf gegen ein imaginäres Drittes Reich führen – in Form der AfD, von EU-Skeptikern, Migrationskritikern, Ungeimpften, oder „Delegitimierern des Staates“ (Opfer von Inflation, Preissteigerung und Energiekrise inklusive) – einen Minderwertigkeitskomplex aus. Das Denkmal Stauffenberg muss daher gestürzt werden, um dem politischen Gegner ein wichtiges Identifikationsfundament zu rauben und die eigene Geschichtsdeutung durchzusetzen. Es erinnert an den DDR-Geschichtsunterricht, in dem Stauffenberg als reaktionärer Agent des Imperialismus diffamiert wurde. Bezeichnend, dass ausgerechnet die Erben der SED die Rote Armee als Befreier vom Faschismus feiern, aber die eigenen Helden als Faschisten brandmarken wollen.

Der neueste Clou der linken Geschichtsrevisionisten zielt daher auf die Zerstörung eines Mythos, der heute jedoch nicht nur konservative Kreise immer noch beseelt, sondern sich spätestens ab den 1960ern Jahren auch zu einem Mythos der Bundesrepublik entwickelte. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz heute der Täter gedachte, zeugt davon, dass selbst unter einer Ampelkoalition daran nicht gerüttelt wird. Manche Dinge sind eben deutlich größer als kleinkarierte linke Parteipolitik, die in ihrer Zerstörungswut nicht nur den politischen Gegner, sondern die Erinnerungskultur eines ganzen Landes zermalmen will. Dazu zählt nicht nur die Erinnerung an die Attentäter des 20. Juli, sondern auch die Werte, für die sie standen, die der grün-linken Schickeria ein Dorn im Auge sind. In diesem Sinne: Lang lebe das Heilige Deutschland.

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