Tichys Einblick
Jahresrückblick 2023:

Als die Amadeu Antonio Stiftung an MeToo-Vorwürfen verdiente

Kurz vor dem Sommer gingen hohe Wellen durch Deutschlands Redaktionsstuben: Im Backstage-Bereich der Band „Rammstein“ gab es angeblich Sex, Drogen und Rock & Roll. Der versuchte MeToo-Skandal gegen Till Lindemann entpuppte sich als heiße Luft, aber linksradikale Aktivisten verdienten damit dennoch.

imago images / Sven Simon
Die Irin Shelby Lynn sowie die Influencerin Kayla Shyx dominierten im Sommer des Jahres 2023 die Schlagzeilen über Wochen. Rückblickend betrachtet bleibt vor allem Verwunderung darüber, wie lange ein Sturm im Wasserglas aufgewirbelt werden kann, wenn sich die mediale Öffentlichkeit generalstabsmäßig der Sache annimmt. Shelby Lynns Anschuldigungen gingen de facto nie über die Aussage „Till Lindemann wollte Sex mit mir und ich lehnte ab“ hinaus. Obwohl Lynn selbst nie kolportierte, ihre dramatischen Blutergüsse würden von einer Übergriffigkeit Lindemanns herrühren, so ließ sich die Presse dennoch nicht davon abbringen, daraus einen Zusammenhang zu zimmern – der von Lynn wohl auch so beabsichtigt war.

Das hinderte Lynn nicht daran, zumindest für einige Wochen zum feministischen Aushängeschild zu werden und in deutschen Pressekonferenzen herumgereicht zu werden. Ähnliches kann auch über die Influencerin Kayla Shyx gesagt werden, die mit ihren Schlabberpulli-Hintergrundberichten aus dem Backstage-Bereich von Rammstein die Öffentlichkeit weiter aufwiegelte, auch wenn diese noch weniger handfeste Vorwürfe beinhalteten als jene von Lynn.

Shyx sei in den Backstage-Bereich geladen worden, dort waren bereits andere junge Damen sowie Alkohol. Man bot ihr an zu trinken, sie fühlte sich unwohl, bat, den Backstage-Bereich wieder verlassen zu können, und man ließ sie wieder von dannen ziehen. In diesem Fall musste also bereits ihr Unwohlsein zum Vorwurf herhalten.

Shyx aber, deren traurige Videos auf ihrem geflissentlich ungemachten Bett ihr Millionen von Klicks auf YouTube einbrachten, bewarb auch eine Spendenaktion für vermeintliche Opfer von Rammstein. Worin genau deren Opferstatus lag, war zwar undeutlich, wagte allerdings niemand zu fragen. Die Spendensammlung wurde von anderen linken Influencern, wie Quattromilf Jasmina Kuhnke, Reno und Carolin Kebekus ins Leben gerufen. Träger der Sammlung war niemand geringerer als die Amadeu Antonio Stiftung.

Doch hier stockt man schon, denn eine Spendensammlung für vermeintliche Opfer vermeintlichen sexuellen Missbrauchs ist vom Satzungszweck der Stiftung gar nicht gedeckt. Daran hatten auch die Anwälte der Stiftung vorsorglich gedacht, sodass vermeldet wurde, dass alle Gelder, die nicht in die rechtliche oder psychologische Unterstützung vermeintlicher Opfer fließen würden, ihrer satzungsgemäßen Bestimmung zugeführt und somit im hauseigenen SHEROES-Fund von Jasmina Kuhnke landen würden.

Die Spendensammlung „Wie viel Macht 1 €?“ hätte in dem Fall besser „Wie viel Macht hat die Presse, um mit einer gezielten Kampagne die Menschen zum Spenden zu bringen?“ heißen sollen. Aber das wäre wohl ein wenig zu lang gewesen. Das Ergebnis der Aktion war jedoch beeindruckend: Innerhalb weniger Wochen wurden fast 826.000 Euro eingesammelt.

Zu einem Zeitpunkt, an dem die gesamte Medienlandschaft Deutschlands sich noch am skandalträchtigen Verhalten Till Lindemanns abarbeitete und ganze Investigativteams quer durch Europa schickte, um andere vermeintliche Opfer Till Lindemanns zu finden, berichtete TE bereits während der laufenden Spendensammlung erstmals über die dubiose Zweckbestimmung der gesammelten Spenden.

Im Juli legte TE dann nach: In einer Kurzreportage stellten wir erstmals einige grundlegende juristische Fragen, inwiefern die Spendensammlung als solche überhaupt vom Stiftungszweck gedeckt sein könnte. Außerdem versuchten wir zu eruieren, wie viele Kosten denn überhaupt für die rechtliche Begleitung vermeintlicher Opfer bzw. deren psychologische Betreuung anfallen könnten, bevor der verbliebene Rest in den SHEROES Fund fließen würde.

Denn abseits von medialen Kampagnen hatte die litauische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen schon längst eingestellt. Deren Berliner Kollegen ließen sich dabei etwas mehr Zeit, aber schlussendlich wurden auch diese Ermittlungen eingestellt. Private Klagen vermeintlich Geschädigter zeichneten sich allerdings zu keiner Zeit am Horizont ab, sodass die Kosten für Rechtsbeistand wohl am ehesten bei Unterstützerinnen der Spendensammlung wie Kayla Shyx anfielen, die aufgrund verleumderischer Aussagen mit Unterlassungsklagen von Till Lindemann bedacht wurde.

Gleichzeitig stellte sich heraus, dass ein Großteil der psychologischen Betreuung vermeintlicher Opfer ohnehin bereits durch eine deutschlandweite Kooperation mit Frauenberatungsstellen abgedeckt ist, sodass die einzige Leistung der Amadeu Antonio Stiftung darin bestanden haben könnte, als Rufweiterleitung für vermeintliche Opfer gedient zu haben.

Als unsere diesbezügliche Anfrage bei der Amadeu Antonio Stiftung aber nicht beantwortet wurde, beschlossen wir, wiederum undercover zu gehen und das Gespräch mit einem Vertreter der Stiftung zu suchen. Das so erhellende, wie ausweichende, Interview bestätigte, dass man sich bei der Stiftung wohl bewusst sei, dass es sich um eine juristische Spitzfindigkeit handelte, mittels derer die Mittel angeworben wurden.

Angesprochen darauf, wie lange es dauern könnte, bis man sich dazu entscheidet, die „verbliebenen“ Mittel dem SHEROES Fund zukommen zu lassen, war die unbestimmte Rede von Jahren, da man nie wisse, wann jemand doch noch klagen wollte. Mit anderen Worten: Es wird so lange dauern, bis alle die Spendensammlung vergessen haben.

Erst im Herbst, als auch die Staatsanwaltschaft Berlin ihre Ermittlungen gegen Till Lindemann eingestellt hatte, wagten Teile der Presse ebenfalls den Umschwung und bewiesen, dass sie zwar TE nicht zitieren, aber dennoch lesen können. Die gesammelten 826.000 Euro wurden noch einmal kurz zu einem Thema, das zwar einige Tage durch die Presse geisterte, das die Amadeu Antonio Stiftung aber professionellst aussaß.

Allerdings: Angesichts der angespannten Haushaltslage, die nun auch bei NGOs zu unangenehmen Einsparungen führen könnte, dürfte es die Mühe wert sein, schon bald mal wieder bei der Amadeu Antonio Stiftung über den Verbleib der 826.000 Euro anzufragen. Wenn man dabei doch nur auf mehr als eine Mauer des Schweigens hoffen könnte.

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