Tichys Einblick
heute-Sendung spricht von "Menschen"

Begriff „Ukrainer“ sprachlich unerwünscht bei ZDF-heute

Kann man über den Ukraine-Krieg berichten, ohne das Wort "Ukrainer" zu verwenden? Ja, bei ZDF-heute klappt das einigermaßen: Der Krieg wird zwar ausführlich behandelt, aber „Ukrainer“ kommen darin sprachlich kaum vor. Warum meidet – bewusst oder unbewusst – die heute-Redaktion diesen Volksnamen?

Screenprint: ZDF / heute 28.03.22

Im Ukraine-Krieg stehen sich zwei Staaten gegenüber, die Russische Föderation (Kurzform: Russland) und die Ukraine. Die Namen der beiden Völker lauten Russen und Ukrainer, das jeweilige Nationalitätsadjektiv russisch bzw. ukrainisch. Seit Kriegsausbruch (24. Februar 2022) ist dieser Konflikt in den Nachrichtensendungen ein Top-Thema, und die Kriegsparteien müssen irgendwie benannt werden. Es gibt dafür sprachlich drei direkte Möglichkeiten: (1) Ländernamen (Russland überfällt Ukraine), (2) Volksnamen (Ukrainer leisten gegen Russen Widerstand) und (3) Wortgruppen mit Nationalitätsadjektiv (Russische Truppen treffen auf ukrainischen Widerstand). Man kann diese Verfahren auch kombinieren: „Das russische Militär kommt kaum voran, und die Ukrainer starten Gegenangriffe“ (heute 23.3.).

Auffallend in den heute-Nachrichten ist, dass die Konfliktparteien meist nicht mit dem Volksnamen (Ethnonym) benannt werden: In der 19-Uhr-Sendung (ohne „Sport“ und „Wetter“) vom 20. bis 26. März kommen die „Russen“ insgesamt sieben Mal vor und die „Ukrainer“ fünfmal, also durchschnittlich weniger als einmal pro Sendung. In der Print-Presse hingegen wird der Volksname geläufig verwendet: „Die Unbeugsamen. Wie die Ukrainer der russischen Übermacht trotzen“, titelte Der Spiegel (19. März 2022).

die Ukraine zeigt, wie der Westen einmal war
Siehe da, eine Nation!
Wie aber werden ohne Volksnamen die Ukrainer im ZDF-heute benannt? Durch Umschreibungen, am häufigsten mit dem Substantiv Menschen: „Vor dem Krieg fliehen immer mehr Menschen“ (20.3.), „Mit ca. 10 000 geflüchteten Menschen täglich rechnen sie hier [in Berlin]“ (21.3.), „Ein Monat Krieg in der Ukraine – das hat den Menschen viel abverlangt“ (24.3.), „die Menschen in der Ukraine“ (26.3.) und ähnlich.

Nun sind, logisch gesehen, alle Ukrainer Menschen, aber nicht jeder Mensch ist ein Ukrainer. Mit dem abstrakten Oberbegriff „Mensch“ wird ausgeblendet, dass es im Ukraine-Krieg um eine konkrete Menschengruppe geht, die eine politische Nation bildet: die „Ukrainer“ oder das „ukrainische Volk“. Diese (ukrainischen) Menschen kämpfen für ihre Freiheit, nicht darum, einfach Mensch zu sein (das könnten sie auch unter russischer Herrschaft). Der nationale Freiheitskampf der Ukrainer wird mit der Umschreibung „Menschen“ sprachlich unsichtbar gemacht.

Sprachökonomisch bietet diese Umschreibung allerdings einen Vorteil, nämlich das umständliche Gendern, das im ZDF-heute gepflegt wird, zu vermeiden: In gegenderter Form, als Ukrainerinnen und Ukrainer, zählt der Volksname zehn Silben, fünf Mal so viel wie Menschen. Bei einer 15-minütigen Nachrichtensendung spielt das zeitlich durchaus eine Rolle. Ausschlaggebend kann es aber nicht sein; denn der zweisilbige und genderneutrale Volksname der „Deutschen“ ist in den Nachrichten überhaupt nicht mehr zu hören, es heißt stattdessen „Menschen in Deutschland“ (fünf Silben).

Warum also werden im ZDF-heute Volksnamen vermieden, aktuell: der Name Ukrainer? Diese Namen setzen etwas voraus, was es für politisch korrekte Menschen in postnationalen Zeiten real überhaupt nicht mehr geben darf: Völker, hier ein ukrainisches Volk. Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann könnte ja auch das „deutsche Volk“ mehr sein als ein Narrativ. Übrigens hat sich der ukrainische Präsident Selenskyj in seiner per Video übertragenen Rede vor dem Deutschen Bundestag (17. März 2022) zweimal an das „sehr verehrte deutsche Volk“ gewandt.

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