Tichys Einblick
Sommer, Sonne, Sicherheitsabstand

Urlaub 2020 bei hart aber fair: Wenn Wohlhabende zum Verzicht auffordern

Wer nicht weiß, wie es morgen weiter gehen soll, dem ist herzlich egal, was der singende Schauspieler mit Mallorca-Musikkneipe oder der nette Virologe mit jährlichem Windsurfbrett in Ägypten so treiben. Aber mehr war nicht bei hart aber fair.

Screenprint ARD

Hart aber fair mit dem x-ten Durchgang Corona, man möchte glauben, der systemrelevante Moderator lege es offensichtlich darauf an, sich anzustecken bei dem Gästeverkehr im Studio. Was zu der Frage führt, wann denn endlich einmal so eine Sendung mit Mundschutz durchgeführt wird, quasi als erzieherische Signalwirkung für die Zuschauer – aber da überwiegt wohl die Sorge, dass das möglicherweise auch ins Gegenteil kippen und lächerlich wirken könnte.

Was gibt es überhaupt in Sachen Corona noch zu besprechen? Diese vielen bundesweiten Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Merkel-Regierung? Könnte man annehmen, aber Frank Plasberg hat dazu keine Lust oder darf einfach nicht. Sein Ersatz-Beitrag geht dann so: Sommerurlaub in Corona-Zeiten. Nach dem Corona-Lockdown soll also ein Sommerurlaub zum Erholen eingelegt werden. Also dann, wenn es von ganz oben einen geben darf. Einen Urlaub mit Mundschutz, Abstand und Desinfektion, hart aber fair.

Mit dabei sein im mundschutzlosen Studio dürfen die B- und C-Promis der Corona-Debatte. Da ist ein Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, von dem wahrscheinlich nur Eingeweihte je etwas gesehen haben. Bei dem hören wir dann mal genauer hin, für welche zukünftige Aufgabe Thomas Bareiß (CDU) als Tourismusexperte der Bundesregierung hier vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) aufgebaut werden soll.

Mit dabei aus der mittlerweile hinlänglich bekannten Riege der Virologen und Epidemiologen ist Prof. Dr. Alexander Kekulé – ja, hier darf man schon dankbar sein, dass es nicht schon wieder und wieder Karl Lauterbach (SPD) ist.

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Was der Schauspieler Uwe Ochsenknecht bei Plasberg will, bleibt vorläufig ein Rätsel. Die Musikbar, die er als Hobby und in einer Art Vorruhestand auf Mallorca betreibt, kann ja nicht der Grund sein, oder doch? Ebenfalls bei hart aber fair sind die Reiseverkehrsfrau Meike Mouchtouris, der Hotelier Rolf Seelige-Steinhoff und Annabel Oelmann als Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen, die später ein paar Fachfragen der Zuschauer beantworten wird.

Stoßgebet, bevor es losgeht: Bitte lasst einen dabei sein mit der Streitlust eines Joseph Wilhelm, der ist Chef der Bio-Marke Rapunzel und hat sich gerade einen Shitstorm eingehandelt, nachdem er diese ganzen staatlichen Corona-Maßnahmen einfach mal öffentlich verflucht hat. Nein, muss man nicht teilen, aber man darf sich durchaus empören über die über den Empörten so dermaßen Empörten.

Warum sitzt da eigentlich nicht der Herr Wilhelm bei Plasberg? Spontanität scheint nicht die Sache des ÖRR. Zu riskant für den Regierungsbildfunk, wenn so was aus dem Ruder läuft? Schade.

Also los. Ochsenknecht ist aus Mallorca zugeschaltet. Da wo sonst ein Gast sitzt, hängt ein Monitor. Und als Prof. Kekulé loslegt, muss man schon zum ersten Mal kräftig schlucken, nämlich als der gute Mann erzählt, er würde gerne diese Jahr noch zum Windsurfen nach Ägypten, „wie jedes Jahr“. Was soll das jetzt hier werden? Während Millionen vor den Bildschirmen ohne Arbeit sind, akut um ihre Arbeit bangen müssen und nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren ohne oder schon mit Hartz-IV – bei Plasbergs hart aber fair der Aufmarsch der Besserverdienenden und Systemrelevanten, die das mit ihrem individuellen Urlaub hoffen noch irgendwie hindrehen zu können – am Geld soll es ja nicht scheitern – wo Millionen andere sich nicht einmal wie früher zu DDR-Zeiten so einen ölsardinendosigen Ostseeurlaub leisten können?

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Und dann lacht der Professor in die Kamera, aber in dem Moment wirkt es nicht sympathisch gegenüber denen vielen neuen Mittellosen mit weniger guter Laune. „Ich glaube auf dem Wasser erwischen mich die Viren nicht.“, grinst der Professor einfach weiter. Ja, da hat es die urlaubsbefreite Supermarktkassiererin schwerer. Aber vielleicht geht Kekulé gar nicht mehr selbst zum Einkaufen und lässt sich den Fresskorb sicherheitshalber ins Eigenheim bringen.

Besagter Sozialdemokratenepidemiologe Lauterbach hatte schon gewarnt, dass es die Urlauber sein werden, welche die Viren für die zweite Welle mitbringen könnten. Aber da besteht auf dem ägyptischen Wasser jedenfalls vom Professor ausgehend keine Gefahr.

Reiseverkehrsfrau Meike Mouchtouris kann von der einen Reisebuchung des Professors nicht leben. Es wird einfach nicht gebucht, „nur noch storniert, storniert und storniert“.

Ochsenknecht lebt den größten Teil des Jahres auf Mallorca. Würde die Supermarktverkäuferin sicher auch gerne, aber da reicht es allenfalls jedes zweite Jahr mal für einen Eimer mit Strohhalm am Ballermann und nicht für die Promi-Kneipe Ochsenknecht. Wäre er im Studio, hätte er anschließend in Spanien zwei Wochen in Quarantäne gemusst.

Seine „Kneipe“ hat Ochsenknecht mit Geschäftspartnern saniert. Ab und an hat er da schon selbst gesungen. „Es ist schon so, dass man sich den Dingen fügen muss.“, erklärt der Insel-Priviligierte den Zuschauern in Deutschland. Und weiter beschwichtigend: „Man darf zum Arzt, man darf einkaufen, man darf zur Apotheke.“ Schön, dass bei hart aber fair einmal solche echten Alltagsprobleme der Menschen beprochen werden.

Hotelier Rolf Seelige-Steinhoff residiert auf Usedom und anderswo, beispielsweise auch auf Mallorca. Er glaubt an eine gute Chance für Urlaub in Deutschland. Aber, gibt er zu bedenken, diese Urlaubsorte wären früher schon gut gefüllt gewesen.

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Die Runde soll eine der ausgewählten Zuschauerfragen beantworten. Und die geht tatsächlich so: „Wo bleiben der Urlaubsgenuss und die Erholung?“ Ja, wo bleiben sie denn? Die seit 29 Jahren in ihrem Beruf tätige Reisekauffrau kann darauf keine beruhigende Antwort geben. Und sie erinnert daran, dass viele Bestandteile der Reise auch nicht mehr garantiert werden können, angefangen vom Kinderclub, der den Eltern sonst ein paar ruhige Minuten bescherte.

Der regierungseigene Tourismusexperte Bareiß spricht sehr schnell und dazu noch diesen Jogi-Löw-Dialekt. Schwer ihm zu folgen, aber vielleicht gewöhnt man sich im Laufe der Sendung noch.

„Ich war sowieso nie ein Fan von Strand, wo sie alle Popo an Popo liegen“, klärt Ochsenknecht die Zuschauer auf. Das sei übrigens auch nicht gut für die Natur und den Strand. Himmel noch mal, der Mann wird doch wissen, was der Urlaub an einsamen geharkten Stränden der Welt und in exklusiven privaten Badebuchten mit Coktailservice am Handtuch kostet. Aber offensichtlich will er sich über die Deutschen in der ihm entfremdeten Heimat lustig machen.

Der Virologe weist darauf hin, dass das Virus am Strand ab zwei Meter Abstand nicht mehr übertragen wird. Und der Zuschauer darf sich hier fragen, warum die Strandsicherheitszone nun zwei Meter sind und bei den Samstags-Demonstrationen gegen die Maßnahmen nur 1,5 Meter einzuhalten sind. Prof. Kekulé informiert weiter darüber, dass Schmierinfektionen in etwa nur zehn Prozent aller Infektionen ausmachen würden. Das könne man mit Händewaschen usw. beheben. Die restlichen neunzig Prozent wären quasi Mund-zu-Mund-Infektionen.

Dann darf der Hotelier via Filmchen noch ein bisschen Werbung machen für sein Usedom-Hotel. Der versteht wirklich seinen Job, gute Ideen und Umsetzung. Aber seine Zielgruppe ist nicht die Halbtagssupermarktkassiererin. Die wird ihre einhundert Euro einmalige Risikozulage von Penny sicher nicht in einem Rolf Seelige-Steinhoff-Hotel verprassen, das neuerdings an ein luxuriöses Reha-Zentrum erinnert samt Desinfektionssprüher an den Türrahmen und eingeschweißter Fernbedienung.

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Der Virologe wirft erklärend ein, dass mit den fremden Haaren an der Fernbedienung hätte er auch schon in einem Hotel erlebt. Mehr Haar an der Macht und vielleicht auch in der Suppe gibt es übrigens möglicherweise bald bei vielen Hotel-Mamas, wenn der arbeitslose ausgewachsene Sprössling nicht ausziehen kann, weil einfach der Job fehlt. Tatsächlich reizt diese Sendung massiv zur Sozialkritik. Da fehlt dann wirklich eine Sahra Wagenknecht, die solche Auswüchsen den Riegel vorschiebt. Was die Wagenknecht selbst natürlich noch lange nicht zu einer Volksvertreterin macht,  für die sie gerne das Wort ergreift. Nein, auch Wagenknecht ist eine Privilegierte und ganz sicher keine, die Handtuch an Handtuch mit einem gemeinen Deutschen liegen mag.

„Ich bin mit Verzicht aufgewachsen, wir sitzen doch alle im selben Boot. Können wir nicht alle zusammen mal ein bisschen Verzicht üben?“, sagt doch tatsächlich Uwe Ochsenknecht.

Was ist das für eine verkorkste Sendung? Es klingt so zynisch und arrogant über die Schalte aus Mallorca. Kann sich Ochsenknecht eigentlich vorstellen, wie es den meisten Zuschauern gerade dabei geht? Will dann endlich auch Plasberg wissen. Dafür könne er doch nicht verantwortlich gemacht werden, reagiert Ochsenknecht pampig, obwohl er gerade Verzichtssolidarität vorgeschlagen hatte. Zusammen „verzichten“ geht, aber teilen fällt schwerer oder?

„Ich bin Mitte 60, habe mein ganzes Leben gearbeitet, glücklicherweise auch einigermaßen erfolgreich.“ Na Glückwunsch lieber Herr Ochsenknecht nach Malle. „Irgendwann hat man im letzten Drittel seines Lebens auch mal ein bisschen Wohlstand verdient.“, ergänzt Ochsenknecht und macht es mit jedem weiteren Satz nur noch schlimmer. Ochsenknecht will einfach, das die Meckerei nicht überhand nimmt, fügt er noch an.

Eine eingespielte Küstenbewohnerin sorgt sich vor dem Ansturm an Gästen und der Infektionsgefahr für die Küstenbewohner. Tourismusexperte Bareiß möchte trotzdem keine weiteren staatlichen Regulierungen, er hofft auf Maßnahmen am Ort. Und er erinnert daran, dass die Gäste aus dem Ausland ausbleiben würden. Es wäre also möglicherweise auch Platz da.

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Prof. Kekulé warnt, dass schon eine leichtsinnige lustige Gruppe aus Usedom ein neues Ischgl machen kann. Dann ginge die Kette los. Aus virologischer Sicht sei der Aufenthalt im europäischen Süden mit Essen im Freien, „wo der Wind so angenehm durchgeht“, allemal besser als der Frühstücksraum einer kleinen Pension in Deutschland.

Aber was, wenn man sich noch nicht einmal den leisten kann und wenn das zum Schicksal von Millionen zusätzlich verarmter Deutscher wird?

Tourismusexperte Bareiß hat eigentlich kein Geld dabei und kann den Reisebüros auch keine umfängliche Hilfe anbieten, dafür erklärt er dieses Nichts noch einmal doppelt so schnell und doppelt so lange. Und als ihn sich die Reisekauffrau vorknöpfen will, drückt Plasberg den Protest einfach weg. Da wo seine Sendung einmal aus der Mallorca-Lächerlichkeit hätte gerettet werden können, würgt er sie zugunsten des Regierungsvertreters ab.

Der Virologe findet es nicht richtig, dass Angst vor Corona kein Reisestornierungsgrund ist. Insbesondere für Risikogruppen ist das natürlich bitter, denn selbst die können Reisen bisher nicht stornieren. Das kann man allerdings auch nicht mit dieser Sendung. Ja, wir erfahren vom Fachmann, dass eine eingeschaltete Klimaanlage im Flugzeug gegen Infektionen helfen könnte. Aber niemand erfährt, wie er das überhaupt finanzieren soll.

Wer noch Job und Geld hat, gut, der mag das wichtig finden. Wer nicht weiß, wie es morgen weiter gehen soll, dem ist herzlich egal, was der singende Schauspieler mit Mallorca-Musikkneipe oder der nette Virologe mit jährlichem Windsurfbrett in Ägypten so treiben.

Aber um noch was Versöhnliches zum Schluss zu zitieren, nehmen wir einen ganz zufriedenen Küstenbewohner der schreibt nämlich zur Sendung per Facebook:

„Die letzten Wochen waren ein Genuss: wunderbares Wetter, keine Urlauber mit schlechtem Benehmen, leerer sauberer Strand, reine Luft … So geht Erholung, Umwelt und Klimaschutz.“

Na denn.

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