Tichys Einblick
„Im Osten nichts Neues“

Ukrainischer Besuch bei Illner

Aus dem Talk bei Illner ist die Dauersendung „Im Osten nichts Neues“ geworden, wo es jede Woche heißt: Es hat sich nicht wirklich was verändert, und es lässt sich nicht absehen, wie lange das Ganze noch dauern wird. Auch die ukrainische Verteidigungsministerin konnte nicht verhindern, dass die Sendung sterbenslangweilig wurde.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Zwei Wochen. Zwei Wochen hat es gedauert, bis Illner nach ihrer großen Sommerpause wieder in ihr altes Ukraine-Muster zurückgefallen ist. „Ukraine unter Zeitdruck – kleine Erfolge, große Ungeduld?“, lautet der Titel der Sendung. Aus dem Polittalk ist die Dauersendung „Im Osten nichts Neues“ geworden, wo wir jede Woche hören: Es hat sich nicht wirklich was verändert, und es lässt sich nicht absehen, wie lange das Ganze noch dauern wird.

Als Gäste der Sendung sind aufgelistet: Grünen-Parteivorsitzender Omid Nouripour, die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag und CDU-Politiker Norbert Röttgen, die langjährige Moskau-Korrespondentin für den Deutschlandfunk Sabine Adler, Verteidigungs- und Sicherheitsexperte vom European Council on Foreign Relations (ECFR) Gustav Gressel und der Leiter des ZDF-Studios Washington Elmar Theveßen.

Die Begeisterung des Publikums ist groß – das tatsächliche Publikum im Studio hat man ja nach Corona nie wieder eingeführt –, aber auf Twitter haben innerhalb eines Tages ganze fünfzig Leute den Post zur Sendung gelikt. Wer weiß, ob die alle eingeschaltet haben. Die vierzig Leute, die unter dem Post kommentiert haben, wirken zum größten Teil wenig angetan – weder vom Thema noch von den Gästen. Ob die alle zugeschaut haben? Nun, dann werde ich Ihnen endlich mal erzählen, was ich und die circa 100 anderen Zuschauer vergangenen Donnerstagabend erzählt bekommen haben.

Explosionsgefahr in der Sendung
Bei Illner: „Wir haben eine schlechte Regierung“
Aber zugegeben, diese Sendung war doch ein bisschen anders als sonst. Schuld daran, beziehungsweise Grund dafür ist Hanna Maljar. Die stellvertretende Verteidigungsministerin der Ukraine ist etwas ganz Neues, quasi der Höhepunkt des Ukraine-Marathons von Maybrit Illner. Bisher hatte sie zwar Ukrainer und sämtliche Politiker, die in der Ukraine gewesen sind, aber ukrainische Politiker sind etwas Neues. Sie verändert dadurch auch die Debatte. Denn wir sind es gewohnt, dass alle Politiker in der Sendung sich darum streiten, wer mutiger war und wer öfter in der Ukraine war und wer solidarischer mit der Ukraine ist, während die Experten besser wissen, welche Strategien die Front fahren sollte, und allgemein sind alle über Nacht Ukraine-Experten geworden.

Das geht insoweit nicht auf, dass die meisten bis zum Krieg keine Ahnung von der Ukraine hatten, besonders die Politiker nicht. Hätte man sie vor zwei Jahren nach dem Ukraine-Konflikt gefragt, hätten sie wahrscheinlich das genaue Gegenteil von jetzt behauptet, denn eine russlandfreundliche Haltung war bis vor gar nicht so langer Zeit noch Mainstream. Manchmal merkt man daher, dass hinter den auswendig gelernten Phrasen nicht wirklich etwas dahinter steckt. Das kann man sich leisten, wenn man unter sich ist, aber mit einer tatsächlichen Politikerin aus der Ukraine, die mit Simultanübersetzern ausgestattet ist?

Alles fing mal wieder mit dem Einspieler an. Darin wird Mark Milley zitiert, der US-Generalstabschef. „Washington ist nicht zufrieden“, erklärt die Stimme aus dem Off. Milley kritisiert die Kriegsführung der Ukraine, da die ukrainischen Truppen falsch eingesetzt werden würden. So würde man zu viele Kräfte in Bachmut und im Osten binden, statt die Front in Richtung Melitopol zu forcieren, man würde zu langsam vorgehen. Die Ukraine ist mit dieser Kritik aus dem Westen nicht zufrieden. Dmytro Kuleba, der ukrainische Außenminister, findet dafür klare Worte: „Ich empfehle allen Kritikern, die Klappe zu halten, in die Ukraine zu kommen und selber einen Quadratzentimeter zu befreien.“

Zurück im Studio stellt Illner daraufhin Hanna Maljar eine schwere Frage – ob sie es genauso sieht wie ihr Kollege aus dem Außenministerium, will sie wissen. Maljar erklärt diplomatisch die schwierige Ausgangssituation der Ukraine: dass sie zu wenige Soldaten und Waffen haben und dass man strategisch seinem Feind überlegen sein müsste. Doch: „Wir sind einzigartig. Wir schützen unsere Soldaten und gegen alle (Kriegs-)Wissenschaft starten wir unsere Offensive überall und trotzdem haben wir weniger Verluste als der Feind. Das Erste, was wir berücksichtigen, ist das Leben unserer Menschen, das humane Kapital“, erklärt Hanna Maljar – und ganz ehrlich, was soll sie auch sonst sagen? Warum sollte sie als stellvertretende Verteidigungsministerin in ein anderes Land kommen und die Strategie ihres Landes, ihre Kollegen und ihre Soldaten in die Pfanne hauen.

Eine Branche blamiert sich
Krieg in der Ukraine: Das Schweigen der Friedensforscher
Als nächstes ist der Ball bei Omid Nouripour. Ob er sich auch verbitten würde, von Freunden und Verbündeten in dieser Art und Weise Hinweise zu bekommen. Nun, was soll jetzt wiederum er jetzt sagen? „Nö, fand ich super“? Er antwortet also, was er antworten muss: „Erstens ja, es ist ein bisschen wohlfeil, am Schreibtisch zu sitzen, mehrere tausende Kilometer entfernt und unendlich immer nur zu erzählen, warum man es besser weiß. Aber zweitens, als einer der sehr oft in der Ukraine war, habe ich gelernt, dass man immer wieder auch vertrauen können muss, was die Ukrainer über ihr eigenes Land wissen und sagen.“

Oh, sehen Sie ihn sich an, unseren Omid Nouripour, der Mann, der schon oft in der Ukraine war und sich kein Urteil erlauben will. Dass das nicht sein erstes Mal in dieser unsäglichen Talkshow zu eben diesem Thema ist, vergessen wir einfach mal. Und damit vergessen wir auch, dass er seine Einstellung zu Urteilen über die ukrainische Kriegsführung bisher ein bisschen anders handhabte. Immerhin wäre er nie wieder eingeladen worden, wenn er jedes Mal da gesessen und auf alle Fragen einfach „Dazu erlaube ich mir kein Urteil“ gesagt hätte. Norbert Röttgen reagiert ähnlich. Er wirft den USA vor, dass sie zum Beispiel bei der Lieferung von Panzern zu lange gewartet haben, und verhält sich, als wäre er eine Regierungspartei, die sich die deutsche Hilfe für die Ukraine selbst zuzuschreiben hat. Immer wieder interessant zu sehen, dass die CDU sich nicht an die Opposition gewöhnen kann.

Als nächstes kommt Elmar Theveßen zu Wort, seine große Sorge nimmt eine ganze Achterbahnfahrt, die bei der möglichen Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten beginnt, mehrere Umdrehungen macht und schlussendlich bei dem Sieg Putins endet, da ja Donald Trump einen Deal mit Putin machen würde – Elmars Meinung nach. Auch interessant, dass Trump derjenige war, der Deutschland vor Putin gewarnt hat, als unser Außenminister Maas ihn noch dafür ausgelacht hat – und wie gerne die Deutschen das immer wieder vergessen. Wir würden uns ja niemals Urteile über irgendeine andere Nation erlauben.

Was Scholz von Rudi Völler lernen kann
20 Jahre Maischberger: Deutschland als „kranker Mann Europas“
Es ist doch lustig. Wo man sonst an der Front der Ukraine herumnörgelt, traut man sich vor der stellvertretenden Verteidigungsministerin kaum einen Mucks hervorzuheben. Sie alle haben nichts anderes als Schleimen hinbekommen. Doch auch sie konnte nicht verhindern, dass die Sendung dann doch sterbenslangweilig wurde.

Während die Gäste über Kriegsstrategien diskutierten, widme ich mich einer anderen Frage: Wie könnte man dieses Thema überhaupt interessant machen? Kriege sind ja eigentlich das Gegenteil von langweilig, es sei denn, man muss Daten dazu im Geschichtsunterricht auswendig lernen, aber ansonsten gibt es ja viele Filme über Kriege, Kinder spielen mit Soldatenfiguren, Jugendliche spielen Kriege als Videospiele nach. Warum ist ein realer Krieg also so langweilig? Nun, wahrscheinlich die Geschichtsunterrichts-Parallele.

Gib einem Geschichtslehrer die Geburt der Venus und selbst Teenager in der Pubertätshochphase schlafen ein und sind sogar durch das Abbild entblößter Frauen nicht mehr wach zu kriegen. Gib einem Politiker, der Rechtswissenschaften, Politikwissenschaften oder Philosophie studiert hat, einen Krieg und sieh was dabei herauskommt am Donnerstagabend um 22:15 Uhr im ZDF. Genauso gut könnte man einem Kinderbuchautor zeigen, was Löwen wirklich fressen und wie sie da rankommen.

Man kann doch nicht Elmar Theveßen mit einer so komplexen Situation wie einem Krieg konfrontieren, wenn sein Wissen nicht über „Trump = böse, Putin = böse, Putin = Trump“ hinauskommt? Was soll Omid Nouripour über ein fremdes Land sagen, wenn der Anblick einer Politikerin aus einem anderen Land ihn schon so schockfrostet? Was soll Norbert Röttgen sagen, dem es kaum anders geht? Und so war auch diese Sendung, wenn auch mit mehr fehlgeleiteten Hormonen, die gleiche Enttäuschung wie immer.

Anzeige