Tichys Einblick
Bei Maischberger

Thomas Gottschalk: „Du darfst nicht mehr sagen, was du denkst. Ich trau mich jedenfalls nicht mehr“

Drei Zitate und eine Wahrheit: Annalena Baerbock glänzt durch ihr exzellentes Faktenwissen, Biden macht perfekte Politik, Sandra Maischberger findet keine Talkshowgäste mehr, die die Regierung verteidigen, Thomas Gottschalk und Sigmar Gabriel sind das neue Gewissen der Nation.

Screenshot ARD: Maischberger die Woche

Sigmar Gabriel: Vor ein paar Jahren wurde unser damaliger Vize-Kanzler noch belächelt, er war so etwas wie die Saskia Esken seiner Zeit. Heute ist er nicht nur Vorsitzender der Atlantik-Brücke und damit oberster außenpolitischer Erklärbär, im Fernsehen tritt er eigentlich schon wie die Nachfolge von Peter Scholl-Latour auf. Der Siggi, wer hätte das gedacht. Bei Maischberger philosophiert er, dass Europa der Vegetarier in einer Welt der Fleischfresser sei. Auch zu seiner Partei weiß er Kluges zu sagen: „Die SPD hat das Problem, dass bei so einer Polarisierung CDU gegen Grüne die Leute sagen: Die Sozis sind ja auch noch da, aber das Interesse ist dann weg“. Dann werde die SPD zu einer Funktionspartei, die man mal braucht und mal nicht. Und über Olaf Scholz: „Jetzt müssen sie dem geneigten Publikum erklären, warum jemand, den die SPD, vor nicht allzu langer Zeit, nicht zum Vorsitzenden machen wollte, jetzt die Republik regieren will.“

Ganz ähnlich wie mit Gabriel verhält es sich mit Thomas Gottschalk. War der vor ein paar Jahren noch ein runtergerockter Komiker, der eine Sendung nach der anderen aufgrund von schlechten Quoten verlor, so ist er jetzt ein politischer Kommentator, der positiv heraussticht. Er ist regelmäßig Gast in politischen Talkshows und wirkt dort fast wie der letzte Normale. Siggi und Thommy sind wohl die besten Indikatoren des Verfalls in diesem Land.

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Beide waren in der gestrigen Maischberger-Sendung, man hörte aber vor allem die taz-Journalistin Ulrike Herrmann. Sie analysiert, Annalena Baerbock könne in Talkshows ihre „Gegner in die Enge treiben durch ihr Faktenwissen.“ Joe Biden hingegen mache die „perfekte Politik“. Jan Josef Liefers sei der Verlierer der Woche und habe seinen Ruhm für immer verspielt. Extra für Liefers kreiert sie dann gleich ein wunderbares neues Sprichwort: „Hat der denn noch alle an der Waffel?“.

Und dann kommt Thomas Gottschalk an die Reihe. Auf die Frage, ob er bei allesdichtmachen mitgemacht hätte, scherzt er: vermutlich schon und dann wäre er nach dem Shitstorm schnell zurückgerudert. Gottschalk klagt: Alles mache einen heutzutage angreifbar, bei ihm wie bei Wolfgang Thierse würde es dann gleich heißen, der alte Mann habe nichts zu sagen. Auch dass er heute überhaupt zur Talkshow gekommen sei, habe er sich gut überlegt. Und schließlich: „Du darfst nicht mehr sagen, was du denkst, ich trau mich jedenfalls nicht mehr“.

Sandra Maischberger kann das überhaupt nicht verstehen, er sei doch heute da und könne offen sprechen, sie entgegnet gar: „Wir tun uns schwer Menschen zu finden, die die Maßnahmen der Bundesregierung noch verteidigen“. Soviel zum Thema Selbstwahrnehmung, aber was will man dazu überhaupt noch sagen.

Naja: Genau wie ich Sigmar Gabriel als Außenminister vermisse, seit ich Heiko Maas gesehen habe, so wünsche ich mir Thomas Gottschalk zurück ins Fernsehen. Ja, Sie haben richtig gehört, soweit würde ich gehen. Vielleicht sogar mit eigener Talk-Show. Denn der Thommy würde sagen, was er denkt – wenn man ihn ließe. Immerhin hat der noch ’ne Tasse am Schrank!

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