Tichys Einblick
Entmachtung der Eltern?

ARD lässt 12-Jährige Tagesthemen-Kommentar sprechen – für umstrittene „Kinderrechte“ im Grundgesetz

Bei den Tagesthemen sprach am Dienstag eine 12-Jährige den traditionellen Kommentar – und warb für die umstrittene Forderung von „Kinderrechten“ im Grundgesetz, die auch die Ampel-Regierung plant. Viele sehen hierin eine Instrumentalisierung – um Kompetenzen von Eltern auf den Staat zu übertragen.

Screenshot ARD: Tagesthemen

Zum 30-jährigen Jubiläum der UN-Kinderrechtskonvention hat sich das Tagesthemen-Team etwas ganz Besonderes ausgedacht: Eine 12-Jährige, die den Tagesthemen-Kommentar präsentiert. Die kleine Ella, eine Sechstklässlerin aus Hamburg, sollte Kindern eine Stimme geben – damit endlich nicht mehr nur alte Erwachsene über ihre Rechte und Bedürfnisse schwadronieren. Und das tat sie auch, zumindest für jene Kinder, wie man sie sich beim ÖRR vorstellt.

Ella sprach in ihrem Kommentar nämlich nicht über das Leid, das Kinder und Jugendliche während zwei Jahren Coronapandemie erdulden mussten – über die Isolation, die fehlenden Freizeitbeschäftigungen und den mehr oder weniger hinfälligen Online-Unterricht. Sie sprach auch nicht über den allgemein immer schlechteren Unterricht oder die maroden, schimmligen Klassenräume, in denen die deutschen Kinder Jahre ihres Lebens verbringen. Ella sprach über die Ukraine, Russland, Flüchtlinge und Deutschlands Vorbildfunktion. Und stellte dann auch gleich eine Forderung an Bundeskanzler Olaf Scholz: Kinderrechte sollen ins Grundgesetz.

Nannystaat
Die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz könnte scheitern – das wäre gut so!
Ella, die vor ihrem Auftritt bei den Tagesthemen bereits in der KIKA-Award Jury von ARD und ZDF aufgetreten wahr, startete ihren Kommentar mit der Aussage, dass Kinderrechte „so eine richtige und wichtige Sache“ sind – nur hätten das einige anscheinend noch nicht so richtig verstanden. Putin scheine vergessen zu haben, dass er wie fast alle Staaten der Kinderrechtskonvention zugestimmt hatte. Statt Kinder vor Krieg und Gewalt zu schützen, „tötet und trennt er Familien und macht sie zu Flüchtlingen“. Ella sagt, dass Kinder geschützt werden müssen, weil sie es selbst nicht können. Doch stattdessen werden sie „ermordet, ausgebeutet und müssen vor Kriegen, Hungersnöten und religiöser Verfolgung fliehen“ – und das sei nicht nur in der Ukraine so.

Weltweit seien 60 Millionen Kinder auf der Flucht und sie alle hätten keine Zukunft, „wenn wir sie vergessen“. Ella findet das schrecklich. Sie schlägt vor, dass Deutschland ein Vorbild für die Welt in Sachen Kinderrechte sein könnte – „aber dafür müsste man auch was tun“. Zum Beispiel sollte man Kinder nicht mehr so oft vergessen, wie „in der Pandemie, bei der Klima-Krise oder der Bildung“. Ella findet, dass jeder die gleichen Rechte haben und niemand in Armut leben solle. Deswegen fordert sie Herrn Scholz auf, Kinderrechte ins Grundgesetz zu übernehmen – „denn an Gesetze muss man sich halten“.

Wer vertritt die Kinderrechte, wer setzt sie durch? 

Olaf Scholz hat sicher nichts gegen diese Forderung, immerhin hat die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag bereits vereinbart, Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen zu wollen. Das auf den ersten Blick vielleicht sympathisch klingende Projekt bringt Kindern aber keine Vorteile. Ella versteht vielleicht noch nicht, dass Kinder laut Grundgesetz bereits jedes einzelne Recht genießen, das Erwachsene auch haben – schließlich sind sie unabhängig von ihrem Alter Menschen wie jeder andere. Herr Scholz weiß das mit Sicherheit.

Gastbeitrag von Sylvia Pantel, MdB
„Kinderrechte" im Grundgesetz? Die Änderung sollte unterbleiben
Liest man den Koalitionsvertrag, drängt sich aber auch der Eindruck auf, dass es darum überhaupt nicht geht. Kinderrechte im Grundgesetz wären keine Bereicherung und auch kein „symbolischer Akt“. Es steht vielmehr zu befürchten, dass die Ampel sie nutzt, um den Eltern Kompetenzen zu entziehen und sie auf den Staat zu übertragen. Genau wie bei dem neuen Gesetzesvorhaben zur Selbstbestimmung, das vermeintlich transsexuellen Kindern das Recht zuspricht, ihr Geschlecht auch gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern amtlich ändern zu lassen.

Immerhin stellt sich doch die Frage, wer die neuen Kinderrechte vertritt und durchsetzt – und gegen wen. Bislang haben Eltern die Vertretungsvollmacht für ihre Kinder und treffen demnach auch die Entscheidungen in ihrem Leben – wie sie sie erziehen, wohin sie zur Schule gehen. Schließlich sind sie diejenigen, denen das Wohlergehen ihrer Kinder am meisten am Herzen liegen sollte. Sie kümmern sich von Geburt an um ihre Kleinen, ihre Bedürfnisse, Wünsche und Erziehung. Sollten sie das nicht tun und ihr Kind vernachlässigen, gibt es auch jetzt schon alle rechtlichen Mittel, ein Kind zu schützen und in staatliche Obhut zu nehmen – darum geht es also nicht.

Wenn Kinderrechte tatsächlich ins Grundgesetz aufgenommen werden, könnte sich der Staat immer weiter in die natürliche Beziehung von Eltern und ihren Kindern einmischen. Er könnte sich zum Vertreter der Kinder aufschwingen und ihre „Rechte“ im Zweifelsfall auch gegen die Eltern durchsetzen. Damit würde sich der Staat anmaßen, besser zu wissen, was gut für ein Kind ist, als seine eigenen Eltern – und entrechtet sie. Das war der kleinen Ella aber sicher nicht bewusst, als sie bei den Tagesthemen „ihre“ Meinung kundgetan hat.

Anzeige