Tichys Einblick
Medienpolitischer Kracher

Silvio Berlusconi will ProSiebenSat.1 kaufen

Der italienische Medienkonzern MFE soll laut Zeitungsberichten vor einer Übernahme der ProSiebenSat.1 Media SE stehen. Hinter MFE steht Italiens ehemaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

IMAGO/Sven Simon, Matteo Gribaudi, Collage: TE

Zuerst über das Gerücht, dass die MediaForEurope (MFE) die ProSiebenSat.1 Media SE übernehmen soll, hat der Standard in Österreich berichtet. Dieser hat die Anmeldung einer „faktisch alleinigen Kontrolle“ bei der österreichischen Wettbewerbsbehörde registriert. Die Zeitung nannte in ihrem Bericht auch das Aktenzeichen des Vorgangs. Die ProSieben-Gruppe ist in Österreich stark vertreten. Nun müssen in Österreich die Wettbewerbshüter bis zur zweiten Januarwoche entscheiden, ob sie Einwände gegen diese Übernahme haben. Auf Anfrage wollte sich MediaForEurope nicht äußern; eine ungewöhnliche Situation.

Auch die deutschen Branchendienste New Business und DWDL berichteten über eine mögliche Übernahme. Bisher ist die MFE im deutschsprachigen Raum nicht selbst aktiv. In Italien ist sie im Bereich des Privatfernsehens quasi ein Monopolist. Sie steht dort für ein Programm mit viel Show und nackter Haut. Die Branchendienste spekulieren nun, ob der Weggang von Rainer Beaujean in diesem November ein Hinweis auf die Übernahme ist. Er war Vorstandsvorsitzender der ProSieben-Gruppe und erklärter Gegner einer feindlichen Übernahme. Sein Nachfolger Bert Habets zeigte sich offener.

Die ProSieben-Gruppe ist ohnehin in einer Krise

Die MFE besitzt laut DWDL bereits 22,7 Prozent der Aktien der ProSieben-Gruppe. Bei Abstimmungen kommen die Italiener – der Rechtssitz ist in den Niederlanden – faktisch damit auf 29,9 Prozent Anteile. Erreichen sie 30 Prozent, müssen sie anderen Aktionären ein Übernahmeangebot machen. Das können sie aber bewusst niedrig ansetzen, sodass wenige Aktionäre darauf eingehen. Dann würde sich die MFE einen starken Einfluss in Unterföhring sichern, ohne das entsprechende Kapital aufbringen zu müssen. Zudem könnten sie danach die entsprechenden Aktien in aller Ruhe aufsammeln. Dazu welche Strategie er verfolgt, hat sich Pier Silvio Berlusconi noch nicht geäußert. Er ist CEO bei MFE und der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten. Der hat sich offiziell aus dem Unternehmen herausgezogen.

Die ProSieben-Gruppe ist ohnehin in einer Krise. Sat.1 hat das Wettrennen gegen RTL längst turmhoch verloren. Verschiedene Programmoffensiven floppten. Zuletzt mit Birgit Schrowange. Derzeit improvisiert der Sender. Die Folge: In manchen Fernsehzeitungen war das Programm von Sat.1 zuletzt an einigen Tagen nicht ausgeschrieben, weil der Sender es nicht rechtzeitig eingereicht hat. Generell gilt: Die Pseudo-Dokus sollen wegfallen und durch Live-Formate ersetzt werden. Die sind billiger.

Auch ProSieben selbst steckt in einer Krise. Der Sender hat den Abgang von Stefan Raab nicht gut vertragen. Zwar produziert der ehemalige Showmaster noch viele Formate und im Showbereich gelingen den Unterföhringern generell auch einige Erfolge wie The Masked Singer, Das Duell um die Welt oder Wer stiehlt mir die Show. Doch im Tagesprogramm wiederholt der Sender uralte Sitcoms wie Scrubs, Two and a Half Men oder How I met your mother. In Dauerschleife läuft The Big Bang Theory. Weil das ProSieben noch nicht reicht, knallt der Sender mitunter auch das Abendprogramm mit „Specials“ der Wiederholungen voll.

Vor allem gescheitert ist ProSieben allerdings mit dem Versuch, sich als anspruchsvoller, grün-woker Sender zu profilieren. Dokumentationen und Talk-Formate sollten junge Menschen erreichen, die sich nicht von öffentlich-rechtlichen Sendern indoktrinieren lassen wollen – und dafür zu Privaten wechseln. Die Branchenformel „Go woke get broke“ griff und ProSieben reihte einen Flop an den nächsten. Symbol dafür ist die aufwendige Show „Zervakis und Opdenhövel live“. Mit einer politischen Ausrichtung ging die Show komplett baden, erst als die Redaktion stattdessen verstärkt auf Verbraucherthemen setzte, wurde es besser. Doch die bestenfalls durchschnittlichen Quoten rechtfertigen immer noch nicht den Aufwand.

Auch Pro Sieben selbst steckt in einer Krise

Zuletzt kündigte ProSieben an, sonntags auf Hollywood-Filme verzichten zu wollen. Aus Kostengründen. Stattdessen sollten eigene, billigere Showformate laufen. Doch vorerst setzt der Sender am Sonntag auf American Football. Sogar mit relativem Erfolg. Die Quoten liegen bei einer halben Million Zuschauer bei den Menschen unter 50 Jahren – in direkter Konkurrenz zum Tatort. Doch Mitte Februar geht die NFL für knapp sieben Monate in ihre Sommerpause. Danach liegen die Rechte bei RTL.

Das Beispiel Football ist ein schönes Beispiel für das regelmäßige Versagen der ProSieben-Gruppe. Auf dem Spartensender Pro Sieben Maxx gelang es einer kleinen, talentierten und hoch motivierten Redaktion, den amerikanischen Sport einem breiteren deutschen Publikum schmackhaft zu machen. Doch der Konzern – beweglich wie die Titanic – zögerte lange, den immer populärer werdenden Sport dauerhaft ins Hauptprogramm zu holen. Nun hat sich die Gruppe dazu entschlossen und verhilft Football zum nächsten Durchbruch – kurz bevor die Rechte an RTL gehen.

Eine Übernahme der ProSieben-Gruppe durch die MFE dürfte die deutschen Medienpolitiker nervös machen. Ausländische Sender neigen nicht zur deutschen Sicht, dass Unterhaltung in erster Linie da sei, um woke Haltung zu demonstrieren. Servus TV ist dafür ein erfrischendes Beispiel. Entsprechend steigen die weltoffenen Grenzhüter auf den Zaun, um die deutsche Hegemonie zu verteidigen. In vorderster Front steht dabei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Die Übernahme wäre „eine Katastrophe für den Medienstandort Deutschland“ und müsste „unter allen Umständen und mit allen rechtlichen und gesetzlichen Mitteln verhindert“ werden, wie er sich in österreichischen Medien zitieren lässt. Die Medienpolitik in Deutschland könnte spannend werden – zumindest spannender als eine Wiederholung von The Big Bang Theory.

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