Tichys Einblick
Keine Einwanderung ins Sozialsystem

Sebastian Kurz: unaufdringlich bereit

Mit Sebastian Kurz hat die ÖVP, was CDU und CSU fehlt. Jemanden, der seine Parteianhänger ziemlich geschlossen hinter sich versammeln kann. In der ORF-Pressestunde agierte der Außenminister angespannt und souverän.

Screenshot: ORF

Wenn der Begriff „linksliberal“ noch zutrifft, dann für die Chefredakteurin der österreichischen Tageszeitung Der Standard, Alexandra Föderl-Schmid, die insofern nahtlos in die Fußstapfen ihres Vorgängers Gerfried Sperl trat. Ihre Frage an Außenminister Sebastian Kurz ist eine perfekte Vorlage. Gegen Kurz‘ Plan, Sozialleistungen für Ausländer und EU-Bürger erst nach fünf Jahren, wendete sie ein, da hätte einer vier Jahre Sozialbeiträge gezahlt, wird arbeitslos und steht ohne Hilfe da. „Sie müssen genau sein“, sagte Kurz. In diesem Fall kriegt er die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld, wie jeder, der Beiträge eingezahlt hat. Die steuerfinanzierte Mindestsicherung (in Österreich monatlich 850 Euro) hingegen solle es nicht vom ersten Tag an geben, um keine falschen Anreize zu setzen – für eine direkte Einwanderung ins Sozialsystem. Wer wie er für Niederlassungsfreiheit wäre, müsse diese sichern, indem er keine freie Wahl des großzügigsten Sozialsystems zulasse.

Kurz war am gestrigen Sonntag zum ersten Mal in der Pressestunde des ORF 2, einem recht informativem Format, bei dem jemand vom ORF und ein Gastjournalist die Fragen an einen Politiker stellen. Im Vergleich dazu sind viele deutsche TV-Runden vernachlässigbar.

Was Kurz sonst noch an Punkten setzte:

  • Die Zuwanderung auf der Westbalkanroute hat nach ihrer Schließung (einer Notmaßnahme, weil die EU nicht handelte) sofort von täglich 15.000 in Griechenland Eintreffenden auf unter 1.000 abgenommen – vor dem EU-Türkei-Deal.
  • Frontex müsse verstärkt und mit dem Auftrag ausgestattet werden, Boote mit Migranten an den Ausgangspunkt zurückzubringen, anders wäre den Schleusern nicht beizukommen.
  • In die Herkunfts- und Ausgangsländer der Migration müssen alle Investitionen gerichtet werden.
  • Einwanderungsland Österreich ja, aber nach dem Muster Australien, auswählen, wer hier eine Zukunft hat.
  • Die langlebige Lüge vom Türkeibeitritt zur EU durch einen Nachbarschaftsvertrag ersetzen.
  • Kein Wahlkampf von Auslandspolitikern und Verbänden bei Migranten.
  • Zur Sicherung der Versammlungsfreiheit die Kontrahenten durch Polizeimaßnahmen räumlich trennen.

Das Gespräch fand an einem Tag statt, an dem österreichische Medien eine vorgezogene Nationalratswahl im November dieses Jahres vermelden. Natürlich versäumte Hans Bürger vom ORF nicht, Kurz zu fragen, ob er rechtzeitig Bundesobmann der ÖVP wird, weil Demoskopen sagen, mit ihm als Kanzlerkandidat würde seine Partei deutlich besser abschneiden als mit dem amtierenden ÖVP-Vormann Reinhold Mitterlehner.

Kurz antwortete wie schon des öfteren, er mache seine Arbeit im Kabinett mit Freude, dass fülle ihn voll aus. Ob er dann, wenn es dazu käme, im November zu wählen, bereit sei, beschied Kurz kurz: „Ich mache meinen Job.“

Klar ist jedem, der die Politik in Österreich verfolgt, wenn Sebastian Kurz von seiner Partei gerufen wird, tritt er an. Klar ist auch, dass Bundeskanzler Christian Kern, SPÖ, ebenso wie FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und NEOS-Obmann Matthias Strolz bei einem Kanzlerkandidaten Sebastian Kurz mehr Wähler zu verlieren fürchten als bei einem Kandidaten Mitterlehner. Kurz steht für einen ruhigen, aber entschieden restriktiveren Umgang mit dem Thema Einwanderung und Integration, für eine deutlich föderalere EU. Das ist für viele Österreicher, die den Ansatz der Grünen für blauäugig halten, den der Blauen für gestrig, den der Sozialdemokraten für von allem etwas, aber nichts richtig und den der Pinken für lavierend eine sympathische Alternative.

Ein Intermezzo sagt viel über die Auseinanderentwicklung der ÖVP und der Katholischen Kirche – und die soziale Umgebung von Kurz und Föderl-Schmid. Die Bischofskonferenz hat aktuell ihre Toleranz gegenüber der Vollverschleierung bekräftigt. Sebastian Kurz sagt, vor fünf Jahren habe er da keinen Handlungsbedarf gesehen, weil auch keine Vollverschleierten zu sehen gewesen wären. Das habe sich geändert und deshalb kommt Vollverschleierung für ihn als „Symbol der Gegengesellschaft“ nicht in Frage. Aber auf der Straße sähe man doch keine, wirft Föderl-Schmid ein. Ja, sagt Kurz, das liegt an Ihrem Wohnviertel, schauen Sie mal in meinen Bezirk.