Tichys Einblick
Die Schweizer durften abstimmen:

Kein neues Staatsgeld für private Medien

Mit 54,6 Prozent lehnten die Eidgenossen das „Medienpaket‘ ab, mit dem weitere 151 Millionen Franken pro Jahr an Verlage und Sender fließen sollten. In Deutschland fordern Medien ebenfalls mehr Millionen-Subventionen. Bürger können nicht mitreden

IMAGO / Geisser
Das Ergebnis fiel ziemlich klar aus: 54,6 Prozent der abstimmenden Schweizer lehnten am Sonntag in einem Volksentscheid das so genannte „Medienpaket“ ab, mit dem die Regierung in Bern privaten Zeitschriften, Zeitungen und Rundfunkstationen weitere 151 Millionen Franken Staatshilfe pro Jahr zukommen lassen wollten. Die Ablehnung dominierte landesweit; nur in der Westschweiz und im Kanton Uri gab es eine Mehrheit für den Subventionsplan.

Mit ihren Argumenten hatten die Gegner einer weiteren Alimentierung von Medien in den vergangenen Wochen offensichtlich noch etliche Eidgenossen überzeugen können. Laut Umfrage des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders SRG vom 7. Januar bestand zu Jahresbeginn noch ein Patt zwischen Befürwortern und Gegnern des Pakets von 48 zu 48 Prozent.

Den Ausschlag für das Nein-Votum gaben vor allem zwei Argumente: erstens erhalten private Medien in der Schweiz schon jetzt reichlich Steuergeld. Mit dem Medienpaket wären die Zuwendungen aus der Staatskasse auf insgesamt 287 Millionen Franken jährlich gestiegen. Zweitens begründeten die Verlage genauso wie eine Bundesratsmehrheit in Bern den erneuten Griff nach Steuermillionen mit sinkenden Auflagen, schwindenden Werbeerlösen und höheren Zustellkosten, aber auch mit der dringend nötigen Hilfe für kleine regionale Medien, die für die Demokratie so wichtig wären. Gegner des Pakets rechneten dagegen vor, dass deutlich mehr als die Hälfte der vorgesehenen 151 Millionen Franken in die Kassen von Großverlagen wie Tamedia geflossen wäre. Die Zustellungsförderung für Printerzeugnisse hätten um 70 Millionen Franken auf jährlich 120 Millionen Franken steigen sollen. Der Zuschuss für private regionale Radio- und Fernsehsender wäre bei Annahme des Pakets von 81 auf 109 Millionen Franken pro Jahr geklettert. Zusätzlich sollte es noch eine Direkthilfe aus der Bundeskasse für Online-Medien von jährlich 30 Millionen Franken geben.

Zuviel Geld, außerdem Empfänger, die es größtenteils nicht nötig haben, aber gern mitnehmen würden – so das Urteil einer Bürgermehrheit am Abstimmungs-Sonntag. Außerdem hatte der Skandal um eine interne Äußerung von Marc Walder, Chef des Medienkonzern Ringier, das Vertrauen vieler Schweizer in die Medien zusätzlich erschüttert. Walder sagte im Februar 2021 im „Inspirational Talk“ der Schweizerischen Management Gesellschaft, auf seine Weisung hin seien die Blätter des Verlags in der Corona-Frage auf Regierungskurs getrimmt worden: “Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind“, so der CEO, „auf meine Initiative hin gesagt: ‚Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen‘“. Walder fügte damals hinzu: „Ich wäre froh, wenn das in diesem Kreis bleibt.“ Ende 2021 kamen seine Äußerungen dann doch an die Öffentlichkeit.

Während die Eidgenossen über eine weitere Medienförderung mit dem bekannten Resultat befinden durften, fordern auch die Verlage auch in Deutschland weitere Millionenhilfen für ihre oft schwächelnden Produkte. Eine Mitsprache der Bürger ist allerdings nicht vorgesehen., Die deutschen Verlegerverbände drängen bei der Ampel-Koalition darauf, die eigentlich schon in der vergangenen Legislaturperiode geplante Medienförderung aus der Staatskasse noch im ersten Halbjahr 2022 durchzusetzen. Mehr als 200 Millionen Euro sollten nach ihren Wünschen als Zustellungshilfe für Zeitungen und Zeitschriften und für eine so genannte „digitale Transformation“ fließen. „Wenn jetzt noch lange gewartet wird“, mahnt der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Stephan Scherzer, „dann haben wir in Deutschland eine andere, ärmere Presselandschaft, weil viele redaktionelle Angebote es nicht schaffen werden.“ Ähnlich hatte sich vorher schon der Vize-Präsident des Bundesverbandes der Zeitschriftenverleger Philipp Welte geäußert.

Auch in Deutschland lautet die Begründung: Sinkende Auflagen, geringere Werbeeinahmen, höheren Zustellungs- und Papierkosten – und die Bedeutung der Medien für die Demokratie. Allerdings subventioniert der Bund die Zeitungs- und Zeitschriftenzustellung schon jetzt massiv. Zusteller müssen einen geringeren Beitrag zur Rentenkasse abführen als andere Inhaber von Mini-Jobs, die Differenz übernimmt der Steuerzahler. Außerdem stiegen die Anzeigen-Aufträge der öffentlichen Hand in den privaten Medien in den letzten Jahren sehr steil an. Reichte der Bundesregierung 2014 für ihre Öffentlichkeitsarbeit noch ein Budget von 26,3 Millionen Euro, lagen ihre Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit 2020 schon bei gut 150 Millionen. Im Jahr 2021 gab die Bundesregierung allein für Corona-Öffentlichkeitskampagnen 16 Millionen Euro aus. Nicht alles, aber ein erheblicher Teil dieser Ausgaben fließt in die Kassen privater Medien.

Darüber hinaus stiegen unter der Regierung von Angela Merkel Zuwendungen für bestimmte Journalistenkreise exorbitant an, etwa für die „Neuen Deutschen Medienmacher“(NDM), ein Verein betont linker und indentitätspolitisch aktiver Journalisten. Von 2018 bis 2020 durften sich die NDM für ihre diversen Projekte über insgesamt 2,5 Millionen Euro aus dem Bundesfamilienministerium freuen.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit legte die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im September 2021 ein weiteres Journalisten-Förderungsprogramm auf.

Aus diesem Topf soll Steuergeld unter anderem zur „Sichtbarmachung von Qualitätsjournalismus gezahlt werden. Die Zuwendungen fallen nicht knapp aus. In den Förderrichtlinien heißt es: „Die Mindestantragssumme beträgt grundsätzlich 200.000 Euro. Überjährige Förderungen sind möglich.“

Zu diesem Bestand an indirekten und meist gut versteckten Medienförder-Maßnahmen aus der Staatskasse kämen die jetzt von den Verlegerverbänden geforderten 200 Millionen pro Jahr zur Zustellungssubventionierung noch obenauf.
Sollten diese Pläne zur weiteren Medienalimentierung Wirklichkeit werden, wäre das eine gute Gelegenheit, gleichzeitig auch Volksabstimmungen einzuführen – nach dem Vorbild der Schweiz.

Anmerkung: TE erhält keine staatlichen Gelder, und wird auch in Zukunft keinen Gebrauch davon machen.

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