Tichys Einblick
Friede, Freundschaft, Eierkuchen

Sandra Maischberger kann nichts dafür

Frau Özoguz ist beinahe glücklich, wenn sie Herrn Söder von einem Leitbild reden hört, das sei schon was ganz anderes als eine Leitkultur. Herr Söder nimmt das Kompliment artig an und versichert, auch er findet Frau Özoguz sehr sympathisch.

Screenprint: ARD/maischberger

Man hat ihr wieder ein Thema aufgedrängt, über das sie in der realen Welt ganz offensichtlich keine Erfahrungen sammeln konnte: die Türkei, die Türk-Deutschen und naturgemäß Bösewicht Erdogan. Zum Glück konnte sie wieder die Plaudertasche Markus Söder einladen, der zwar immer sehr viel Sendezeit zum Ausreden verbraucht, doch so populär reden kann, dass das Fernsehpublikum ganz prima mit  kommt. Er ruft nämlich immer so ins Ungefähre ab, was er sagen soll, dass das Auswendiggelernte stets wie ein längst Abgenudeltes, Wohlbekanntes klingt.

So sagte er wieder, wie es auch jeder zweite Bierzeltbesucher schon x-mal gehört hat, dass unser Leitbild ganz klar ein abendländisch christlich-jüdisches sei und der Islam unser kulturelles Weltbild nicht wirklich prägte bislang. Ganz klar, Markus Söder redet immer ganz klar. Dann war da noch ein türkdeutscher AKP-Vertreter, der das Türkeibashing, das da stattfinde, seit Monaten nicht verstehen kann. Die Türkei brauche Verständnis und Solidarität, schließlich sei das Land vom Terror bedroht und habe einen grausamen Putsch hinter sich. Da hakte sofort ein langjähriger Korrespondent und Türkeikenner ein und erinnerte mich in seiner liberalen Gutmenschlichkeit sehr an unsere DDR-Korrespondenten im kalten Krieg, die auch oft von den humanen Nischen im kommunistischen Leseland berichteten.

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Die DDR brauche Verständnis und Toleranz, dann würde sie sicher das Erschießen von Menschen an der Mauer auch einstellen, hieß es damals oft in der vornehmen ZEIT. Das griff der bullige Bayer F.J. Strauß auf und sagte sich: Verständnis mit Kommunisten, da pfeif ich drauf, aber ein Deal ok. Und landete samt seinen Groß-Finanziers wie ein ungeahnter Vorläufer Trumps mit eigenem Flugzeug im Unrechtsstaat. Er machte den Deal: hier eine Milliarde und Schluss mit den Toten. So könnte ein Strauß von heute auch mit Erdogan politisch real umspringen, aber Wolfgang Schäuble ist eben eine Beamtennatur und kein Dealer. Außerdem kostete das damals Strauß viele Stimmen, die zu den populistischen Republikanern Schönhubers davon liefen. Von hier wird verständlich, warum Merkel & Schulz plötzlich so klar gegen Erdogan Stellung bezogen. Den heißen Atem der AfD im Nacken.

Aber zurück zur Türkeisendung. Da saß natürlich auch die unvermeidliche Frau Özoguz, die nach ihrem letzen Rohrkrepierer sogleich zurückruderte: Natürlich gebe es eine deutsche Kultur, das habe sie nie bestritten. Eben, nickte Frau Maischberger: Bach und Mozart, das könne man nicht leugnen. Ja, aber eine Leitkultur, dagegen wehre sie sich eben, was soll das denn sein, das wisse doch niemand. Und man habe doch das Grundgesetz und sie sei beinahe glücklich, als sie gerade Herrn Söder von einem Leitbild reden gehört habe, das sei schon was ganz anderes als eine Leitkultur. Markus Söder nahm das Kompliment artig entgegen und versicherte, dass auch er Frau Özoguz sehr sympathisch fände. Man fühlte sich bis auf den türkdeutschen AKP-Fan sehr harmonisch miteinander dabei, den bösen Herrn Gauland von der AfD wegen seines schlimmen rassistischen Un-Worts einhellig verurteilen zu können. Und auch Markus Söder begrüßte es, dass seine Heimatstadt Nürnberg Gauland das freie Rederecht in der dortigen Meistersingerhalle gerichtlich untersagen lassen will. Söder, leise: „Mal sehen, was dabei herauskommt.“ Zur Abwechslung servierte uns Sandra Maischberger dann noch eine Schalte zu dem Türk-Deutschen Dogan Akhanli in Madrid, der dort aufgrund eines Haftbefehls Erdogans in einem Hotel festgehalten wird. Der Schriftsteller war so aufgeregt, jetzt live bei Frau Maischberger aufzutreten, dass er kaum einen verständlichen Satz auf den nächsten folgen lassen konnte.

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Nein, diese Sendung als Medienevent schnell und sicher gut gemeint, traf leider meilenweit vom tatsächlichen Leben entfernt ins Aus, ganz und gar daneben. Das war dem letzten Zuschauer deutlich geworden, als die Runde schließlich meinte, die Integration der Türken sei zwar anfänglich misslungen, jetzt aber seien die neuen Jungen, die dritte und die vierte Generation voll bei uns angekommen. Total gut integriert. Das war nun, absichtlich oder unschuldig, wirklich ein Fake. Bei leider so vielen, die deutschfeindlich, antisemitisch und ganz schlecht erzogen sind.

Wim Setzer ist Kabarettist, Kunstkritiker und Journalist.