Tichys Einblick
Orwells „Wahrheitsministerium“

„Querdenken“: Wie ein privater Sender gegängelt wird

Die Landesmedienanstalt leitet ein Verfahren gegen einen Sender ein, auf dem eine „Querdenken 711“-Demo übertragen wurde.

imago Images/Müller-Stauffenberg

Um nicht einen historisch belasteten Begriff zu benutzen, nennen wir es politisch motivierte Gängelung, was mittlerweile zum Beispiel private Medien erfahren, so sie sich – wie die Öffentlich-Rechtlichen – nicht ohnehin freiwillig konform geben.

Was ist geschehen? Michael Ballweg, Gründer der Bewegung „Querdenken 711“, hatte beim Regionalsender L-TV mit Sitz in Winnenden bei Stuttgart Werbezeit gekauft, um über diesen Sender bzw. Astra-Digital die Berliner Demonstration der Bewegung vom 1. August 2020 medial zu verbreiten. Ballweg ist Gründer und Geschäftsführer der Media Access GmbH. Seit Mitte April veranstaltet und initiiert er regional und mittlerweile bundesweit Demonstrationen gegen die Corona-Regeln und „für das Grundgesetz“.

Nun wird L-TV von der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) des Landes Baden-Württemberg wegen des Verdachts angeblich unerlaubter politischer Werbung überprüft. Es wurde ein Ordnungswidrigkeiten- und Verwaltungsverfahren eingeleitet. Die LFK ist als eine von deutschlandweit 14 Landesmedienanstalten übrigens zuständig für die Lizensierung und die Rechtsaufsicht im Bereich privater Sender.

Eigenartig ist es schon, was die Landesanstalt hier gegen einen privaten Sender bzw. gegen Michael Ballweg vorhat. Schauen wir uns deshalb das Landesmediengesetz von Baden-Württemberg an, zuletzt geändert am 26. Mai 2020. In Paragraph 23 heißt es dort unter der Überschrift „Grundsätze der Meinungsvielfalt“: „(1) Privater Rundfunk dient der freien Meinungsbildung. (2) Die Rundfunkprogramme sollen in ihrer Gesamtheit der Meinungsvielfalt und kulturellen Vielfalt Ausdruck geben. Dieses Ziel wird dadurch gewährleistet, dass … Personen, Vereinigungen und Einrichtungen, die religiöse, weltanschauliche, politische, wirtschaftliche oder andere gesellschaftliche Auffassungen und Interessen vertreten (gesellschaftliche Kräfte), die Möglichkeit erhalten, ihre Auffassungen und Interessen in eigenen Rundfunkprogrammen oder selbst gestalteten Programmbeiträgen zu vertreten, oder sonst in der Gesamtheit der Rundfunkprogramme angemessen zu Wort kommen …“

Spontan denkt sich der medienrechtliche Laie: Michael Ballweg hätte doch nicht einmal Werbezeit kaufen und teuer bezahlen müssen; es wäre sogar Aufgabe der Medien, ihn und seine Bewegung „Querdenken 711“ kostenfrei zu Wort kommen zu lassen.

Man mag zu „Querdenken 711“ stehen, wie man will. Was das Ordnungsverfahren gegen den Privatsender L-TV und indirekt gegen Michael Ballweg betrifft, fragen wir uns aber schon, was das mit dem hier zitierten Landesmediengesetz sowie mit Artikel 5 des Grundgesetzes zu tun hat. Zur Erinnerung Absatz (1) des GG-Artikels 5: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Jedenfalls befinden wir uns immer häufiger mitten in einer Verkürzung der Reichweite der Gedanken durch ein übermächtiges Orwell’sches „Wahrheitsministerium“.

Anzeige