Tichys Einblick
"Regieren unter Protest" Teil 2

Bei Illner: Debatte über AfD – „Die brauchen Razzien zu Hause!“

Die Sendung steht beispielhaft für die öffentliche „Debatte“ über die Migrationskrise: Erst spricht man die Probleme an, und dann redet man nur über die AfD, um keine konkreten Lösungen benennen zu müssen. So wird die AfD wieder ein bisschen stärker gemacht und dominiert sie die Talkshows, ohne selbst eingeladen zu sein.

Screenprint: ZDF/illner

Neues Jahr, alte Illner. Sagen wir es mal so: Kreativität oder Innovation stand nicht auf der Liste an Neujahrsvorsätzen der Gastgeberin. Hieß die erste Sendung des Jahres noch „Regieren unter Protest – was wird die Ampel noch durchsetzen?“, so heißt die zweite Sendung des Jahres „Regieren unter Protest – Migrationskrise gelöst?“. In der ZDF-Satzbausteinmanufaktur ist da wohl was schiefgelaufen. Mut zur Wiederholung zeigt Illner auch bei ihrer Gästewahl.

Der Name Eva Quadbeck kommt Ihnen vielleicht bekannt vor oder auch nicht, einen Unterscheid macht das eh nicht. Die Dame (Chefredakteurin vom RND) ist letztes Jahr gefühlt einmal pro Monat im Illner-Studio gewesen, hat sich aber nie durch schlaue Beiträge hervorgetan. Vielleicht ist ihre einzige Qualifikation für diese Sendung, dass sie zuverlässig an einem Donnerstagabend nichts Besseres zu tun hat.

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Jens Spahn (CDU) dürfte im ZDF-Studio inzwischen auch schon seinen eigenen Klappstuhl mit aufgedrucktem Namen haben. Er fährt gerade halbwegs erfolgreich ein Rebranding, weg vom Covid-Gesundheitsminister mit fragwürdigen Masken-Deals unter Merkel hin zum superkonservativen Politiker in der knallharten Opposition. Seine treuen Parteisoldaten glauben ihm Letzteres tatsächlich, aber was würden die nicht glauben?

Auch bekannt ist inzwischen Sarah Tacke, Leiterin der ZDF-Redaktion Recht und Justiz. Die arme Frau Tacke war die ganze Zeit über von Mainz aus zugeschaltet und musste freundlich gucken und stillsitzen, gefragt wurde sie meistens nicht. Nach etwa einer halben Stunde wird sie überhaupt das erste Mal angesprochen. Sarah Tacke durfte dann erklären, dass die Begrenzung von Zuwanderung tatsächlich nicht „rechts“, sondern zum „Rechtsstaat“ gehört. Das ZDF-Publikum benötigt für solche Botschaften anscheinend eine Jura-Expertin.

Laut Titel soll es in der Sendung zwar um die Lage der Migrationskrise gehen, aber eigentlich ist das nur die halbe (oder eher ein Viertel) Wahrheit. Der Kampf gegen Rechts, das AfD-Verbot und der Grundrechtsentzug von Björn Höcke ist ja auch viel interessanter. Zu Beginn würde man vermuten, dass Hasnain Kazim in dieser Runde als der radikalste Vertreter auftreten wird. Der ehemalige Spiegel-Journalist und Schriftsteller erklärt direkt zu Beginn, es sei keine Überraschung, dass Teile der AfD völkische Reinheit wollen.

Doch wenn man Menschen von vornherein abschreibt, unterschätzt man sie auch schon mal zu Unrecht. Dieser Fehler ist mir in dieser Sendung beinahe passiert. Wenn Eva Quadbeck redet, höre ich meistens aus Prinzip nicht mehr zu. Es ist ganz einfach immer langweilig und belanglos, was sie erzählt. Doch die AfD scheint es ihr angetan zu haben, sich mal was zu trauen. Und so bekommt sie sich gar nicht mehr wieder ein. Ein AfD-Verbot fände sie eigentlich gut, sie hat allerdings Sorge, dass es wenig zielführend wäre.

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Doch Höcke die Grundrechte zu entziehen – da wäre sie voll dabei. „Dennoch glaube ich, dass die Demokratie sich wehrhafter zeigen muss. Artikel 18 halte ich da für ein gutes Instrument, das ist ja auch nicht ohne Grund ins Grundgesetz gewandert.“ Doch auch damit noch nicht genug, Eva Quadbeck wirkt elektrisiert. Warum bei der AfD aufhören? Dass man im Internet schreiben kann, was man will, findet sie falsch. Die verstärkte Überwachung durch den BND reiche ihr dabei noch nicht aus. „Ich glaube, dass die Demokratie da noch wehrhafter ist. Die Medien haben recht strenge Gesetze, was sie dürfen und was sie nicht dürfen, wer wie senden darf, aber Social Media, da kann jeder sein eigener Publisher, sein eigener Veröffentlicher sein und das in die Welt setzen, was er gerade für richtig hält. Und da glaube ich, muss es mehr Kontrolle geben.“

Dass Eva Quadbeck als Journalistin Anforderungen an die etablierte Presse auf die individuelle Meinungsfreiheit übertragen will, ist schon mehr als fraglich. Wir haben zwar Pressefreiheit und jeder kann sich Journalist nennen. Doch Quadbeck spricht ja nicht von den Grundrechtsschranken, sondern gezielt von den Redaktionen. Muss man jetzt also ausgebildeter Journalist sein, mit Redaktion, Lektoren und vor allem einem Arbeitgeber, der einen dafür bezahlt, um in Deutschland noch seine Meinung sagen zu dürfen? Es gibt einen guten Grund, weshalb es deutlich höhere Anforderungen an Zeitungen gibt als an Meinungsäußerungen von Privatpersonen.

Doch was soll mit den Leuten passieren, die den Ansprüchen von Quadbeck nicht genügen? „Die müssen erwischt werden, die müssen bestraft werden, die brauchen Razzien zu Hause!“, zetert die RND-Chefredakteurin. Die Sache hierbei ist, dass sie zwar sehr kreativ in ihren Anforderungen und Bestrafungsmethoden ist, aber sehr schwammig, wenn es darum geht, wen das genau treffen sollte. Erst geht es um die AfD an sich, mit allem Drum und Dran. Dann speziell um Höcke und sein Lager. Dann ganz grob um Rechtsextreme. Dann aber auch allgemein um Internetnutzer. Man muss wohl daraus schließen, dass sie selbst die Zielgruppe sehr locker und eher willkürlich umreißen würde – heute so, morgen so? Die Demokratie muss ja ganz besonders wehrhaft bleiben.

Innenministerin Nancy Faeser, ebenfalls Gast der Sendung, schließt an Quadbeck an, erklärt, man würde die Finanzströme der AfD staatlich überwachen und bei illegalen Aktivitäten kappen. Spahn versucht derweil einen etwas schonenderen Weg. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zeigt Verständnis für AfD-Wähler: „Die wollen nicht nur gehört werden, die wollen eine andere Politik.“ Speziell zur Migrationskrise meint er dabei: „Wir müssen weg von der Botschaft: Wenn ich es irgendwie nach Europa schaffe, bleibe ich zu 99 Prozent und habe Anspruch aus Sozialleistung.“

Spahns Fazit: „Das beste Mittel, um die AfD kleiner zu kriegen, ist eine andere, eine bessere Politik und vor allem auch eine Regierung, die dann gemeinsam dasteht. Man kann Unmut nicht verbieten.“ Er schiebt die größte Schuld auf die Ampel – natürlich ohne die 15 Jahre Merkel zu erwähnen. Spahn führt an, dass Faeser bei den Bürgern die unbeliebteste Ministerin ist. Die grätscht sofort dazwischen: „Das war eine Bild-Umfrage!“, und setzt ein falsches Lächeln auf.

In der ersten Hälfte der Sendung wurde eine Statistik eingeblendet. „Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre…“ lautet die Frage der Umfrage des ZDF-Politbarometers vom 12. Januar. Die CDU erreicht dabei 31 Prozent und ist damit stärkste Kraft. Auf Platz 2 kommt die AfD mit 22 Prozent. Die Grünen mit 14 Prozent und die SPD mit 13 Prozent sind ungefähr gleichauf, FDP, Linke, Freie Wähler, Bündnis Sahra Wagenknecht und Sonstige erreichen alle jeweils 4 Prozent. Eine Partei, die sich vor etwa zwei Monaten gegründet hat und noch gar nicht richtig organisiert ist, hat also genauso viel Zustimmung wie eine der Regierungsparteien. Die Kanzlerpartei kommt auf Platz 4, zwei Ränge hinter der AfD.

So unrealistisch scheint es dabei doch nicht, dass Faeser auch abseits von Bild-Umfragen die unbeliebteste Politikerin ist. Auch beim Politbarometer liegt Faeser in der Beliebtheit beinahe auf dem letzten Platz. Tja, wie lächelt man das beim ZDF wohl weg. Immerhin scheinen die Menschen nicht mal auf ihren Parteikollegen und Bundeskanzler gut zu sprechen sein – warum sollten sie dann an einer Frau hängen, die nur aus völliger Ignoranz noch nicht zurückgetreten ist? Das Highlight des Abends ist wahrscheinlich, als Faeser plötzlich aus dem Nichts erklärt: „Die Ampel ist besser als ihr Ruf und ich will wirklich nochmal dafür werben.“ Selbst im Studio lässt sich die Ungläubigkeit aus den Gesichtern lesen darüber, was da gerade passiert ist.

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Faeser meint, sie habe die Migration gesteuert – dabei steuert die illegale Migration sie
„Dem deutschen Volke“ wird im Hintergrund des Studios auf den Bildschirmen eingeblendet. Während man hin und her springt zwischen Rechtsextremen, Konservativen, CDU, AfD, Protestwählern und am Ende alles in einen großen Topf wirft und verrührt. Man müsse ja nicht immer Politik machen, bei der CDU und AfD zustimmen, erklärt Illner. Angesichts der aktuellen Umfragen ist das eine wirklich unglückliche Aussage. Denn eine Politik, der die Mehrheit zustimmt, sollte man sehr wohl machen. Gerade dann, wenn man die ganze Zeit mit dem Wort „Demokratie“ um sich wirft und sich als Verteidiger derselbigen geriert.

Illner selbst hat ihre Sendung „Regieren unter Protest“ genannt. Sie selbst warf die ungelöste Migrationskrise auf und sie selbst brachte diesen Zustand ganz zentral mit dem aufstrebenden Erfolg der AfD in Verbindung. Sie war es auch selbst, die die Umfrage ihres eigenen Senders thematisierte, nach der die AfD und CDU zusammen 53 Prozent der aktuellen Zustimmung erhalten, während die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP es nur noch auf mickrige 31 Prozent schaffen – streng genommen 27 Prozent, da die FDP es wohl nicht mehr über die 5-Prozent-Hürde und damit auch nicht einmal mehr in den Bundestag schaffen würde.

Und dann kommt Maybrit Illner mit dem überaus interessanten Move, zu kritisieren, man würde in der Sendung zu viel über die AfD und die CDU reden und es müsse sich ja nicht alles darum drehen? Es gebe viele Wege, das Vertrauen von wütenden, frustrierten, protestierenden Bürgern zurückzugewinnen. Zu behaupten, dass es in der Politik zu wenig um sie ginge, sei keiner davon. Wenn AfD-Positionen im Bundestag debattiert und in der Politik umgesetzt würden, gäbe es die AfD doch schon längst nicht mehr.

Die Sendung an diesem Donnerstag steht beispielhaft für die aktuelle Politik und den Stand der öffentlichen „Debatte“. Man warf etwa 20 Minuten lang die Probleme der Migrationskrise auf. Alle waren sich einig, dass das sehr akute Probleme sind. Faeser brüstete sich damit, was sie alles schon geschafft habe, doch so wirklich nahm ihr das nicht einmal einer der sonstigen Teilnehmer im Studio ab. Und dann lässt man die genannten Probleme wieder weiter so da liegen und redet den Rest der Sendung lieber über die AfD, damit man beim Thema Migration nichts Konkretes benennen muss. Dabei merken die Gäste nicht, dass auch sie in diesen Minuten die AfD wieder ein bisschen stärker gemacht haben. Am Ende der Sendung grinst Nancy Faeser breit. Ja, das hat sie wieder ganz toll gemacht.

Die AfD benötigt keine Einladung in Talkshows mehr, um die „Diskussionsrunden“ zu dominieren. Am Ende von jeder so ähnlich verlaufenden Sendung bleibt bei immer mehr Zuschauern „AfD, AfD, AfD, AfD“ hängen, es wird ihnen quasi eingehämmert. Ob das irgendwann einmal verstanden wird? Das darf bezweifelt werden.

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