Tichys Einblick
Zaungäste Berlin und Brüssel

Maybrit Illner: Das Syrien-Dilemma – kein Ausweg ohne Putin?

Ursula von der Leyen hat eine neue Einheit geschaffen – die Klatschkompanie. Erster gelungener Einsatz: bei Maybrit Illner. Sie hatte die Unterstützung auch dringend nötig.

Die Leserinnen mögen mir verzeihen, aber nach diesem Abend mit Annalena und „Röschen“ war ich kurz davor, eine Petition auf den Weg zu bringen, die die Entfernung von Frauen aus politischen Führungspositionen fordert. (Der strenge Hinweis meiner besseren Hälfte, ob Siggi, Heiko oder Armin etwa besser für Führungsaufgaben geeignet wären, ließ mich allerdings reumütig von der Petition Abstand nehmen.)

Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man denken, da seien zwei besonders eifrige Schülerinnen aus dem Ethik-Leistungskurs des Joachim-Gauck-Gymnasiums in die Illner-Sendung reingerutscht. Schülerin Baerbock forderte „Wir müssen dafür sorgen, dass das Blutvergießen ein Ende hat.“ Wer wir? Sie und Robert und Anton? Von „Assad, der unendlich viel Blut an den Händen hat“, von „Menschen, die bitter leiden“, sprach von der Leyen, und dass sie nun „mit aller Kraft“ irgendwas machen will. Herr hilf!

Bevor wir in die Sendung einsteigen, muss eine neue militärische Einheit der Ursula von der Laien-Truppe vorgestellt werden – die Klatschkompanie. Der Einsatz dieses neuen Propagandakampfverbandes (getarnt in T-Shirt oder in Schwangeren-Ausgeh-Uniform) darf als durchweg gelungen bezeichnet werden. Ganz gleich, welchen Blödsinn Ursel von der Leine ließ („Giftgas-Beweise eindeutig und erwiesen. Wir sind überzeugt von dem, was uns die drei Nationen vorlegen“), die Truppe klatscht wie ein Mann. Sehr geschickt auch, dass „Bravo“- und „Hoch“-Rufe vermieden wurden, um nicht aufgedeckt zu werden.

Manchmal kann Illner auch stutenbissig. Ausgerechnet Annalena von den Grünen nach dem nicht so ganz völkerrechtsgemäßen Bombardement auf Syrien zu fragen, und dann auch noch den Kosovo anzuführen, wo der damalige Chef der grünen Friedenstauben, Fischer, einen Krieg begann, das hat schon was. Aber Annalena hatte sich wohl vom alten Kriegstreiber Joseph briefen lassen und plapperte munter von „menschenrechtsorientierter Außenpolitik“, und dass das ja nur ein Vergeltungsschlag gewesen sei. Sie verlangt jetzt Sanktionen gegen Syrien, Iran (!) und Russland – Joschka, ick hör dir (und Madeleine) trapsen!

Nun soll ja der Muslim von Hause aus eher weniger Geduld mit seinen Damen aufbringen als die Männchen unserer Generation Schneeflöckchen. Vorausgesetzt das stimmt, hat der syrische Journalist Aktham Suliman bei Illner schier Übermenschliches gleistet. Er ertrug die Ethikreferate unserer eifrigen Zwei, ohne großes Augenzucken. Allerdings empfahl er den zwei *Weltverbesserern deutlich „Machen Sie das doch zuhause! Nicht in Syrien!“ Und er stellte ein paar Thesen auf, die wir nacherzählen wollen. Zu den Raketen der vergangenen Woche: „Entweder war da nix, wo sie hingeschossen haben, dann war der Einsatz unsinnig. Oder da lag Gas, dann wars hochgefährlich für die Bevölkerung.“ Dann bemerkte er, dass „US- und Europa-Truppen geduldet in Jordanien stehen und in Saudi-Arabien, nur nicht in Syrien, und, komisch, da sitzt ein Diktator.“ Sodann machte der stolze Syrer, der für Al Jazeera arbeitet, klar, dass „wenn Assad so wäre, wie Sie behaupten, wäre er abgewählt …“

„Aber die Menschen haben das Recht vor einem Diktator geschützt zu werden“, fuhr Annalena hoch. Auch die in Saudi-Arabien, Venezuela, Kuba, und zahllosen Staaten in Afrika, Annalena?

„Sie tun so, als ob Sie für alle Syrer sprechen!“ sprang Ursel der Freundin bei (für alle Syrer, außer Assad, spricht nämlich sie).

Zu den „Beweisen“, die Ursel und ihresgleichen gerne zitieren, zählt ein Film der sogenannten Weißhelme, in dem diese kleine Kinder nach dem Gasangriff behandeln.

„Das Kind, das Sie als Gasopfer gesehen haben“, so Suliman, „es geht ihm sehr gut.“ Upps. Nun muss man wissen, dass die russische Propaganda derzeit einen Film verbreitet, in dem der Vater des kleinen Jungen erzählt, sein Sohn sei Statist in einem Fake-News-Film der Weißhelme gewesen. (Der Independent berichtet von einem Weißhelm als Fehlinterpret von Staubsturm in den Untergund-Unterkünften als Gas.)

Hier passt recht gut die Aussage von Matthias Platzeck, der gleich zu Beginn klar machte, dass die Leute in Deutschland inzwischen nicht mehr wüssten, wem sie in unserer mediengeleiteten Republik überhaupt noch glauben können. Das moralische Geschwurbel der ethischen Zwei war ihm sichtbar auf den Keks gegangen. Und mit einem Zitat eines Professors aus der ehemals konservativen FAZ versuchte er die Debatte weiterzubringen: „Es geht in Syrien nicht um Werte, sondern um echte Interessen aller Seiten.“ Aber da hatte Ursel sich längst schon wieder in ihrer Welt verloren, in der die EU den Frieden für die Menschen bringt, oder wenigstens eine Waffenruhe in dem „so lange erbitterten Krieg“.

Frederik Pleitgen, Bachelor der Nordamerikanistik, jetzt CNN-Reporter, war immer wieder in Syrien, aber nicht da, wo angeblich Giftgas eingesetzt war. Den Fall kennt er auch nur aus den Bildern, die wir oben beschreiben haben. Er kann auch kein Motiv für einen solchen Gaseinsatz erkennen. Zudem wundert ihn, dass nach den Luftschlägen alle zufrieden waren. Die Alliierten, die Russen, Assad.

Daniela Schwarzer ist Direktorin der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“. Die „deutsche“ Gesellschaft hängt brav am Tropf der EU und dem des Auswärtigen Amtes („Maas macht einen guten Job“ – hahaha), obwohl weder Siggi noch Heiko einen Think Tank wirklich nötig haben. Auf jeden Fall freute sich die Frau Direktor, dass alle 27 EU-Staaten mit den Luftschlägen d’accord seien. Jetzt würde bestimmt bald in Brüssel verhandelt. Ganz nach dem EU-Kommissionssatz: Saufen statt Raufen.

Schließen wollen wir mit den Sorgen von Platzeck, dass wir uns zu sehr von Russland entfernen, und das sei gefährlich, verabschieden. Es kommt auch nicht oft vor, dass wir einem Genossen zustimmen müssen. Aber uns plagt eine viel größere Sorge. Ursula von der Leyen. Wir zitieren wörtlich: „Russland ein wichtiges Land“ (Gott ja, Luxemburg auch), aber wir dürfen uns „nicht anbiedern, nicht unterwürfig sein“. (Was redet die Frau für einen Unsinn?) „Wir wissen genau, auf welcher Seite vom Tisch wir sitzen.“ (Nun, ganz gleich auf welcher Seite vom Tisch sie sitzt, der Tisch steht definitiv im falschen Gebäude!)