Tichys Einblick
Maischberger für höhere Steuern

Schulden nützen am Ende den Wohlhabenden

FDP-Fraktionschef Dürr verteidigt bei Maischberger die Schuldenbremse gegenüber Gregor Gysi. Der deutsche Sozialetat ufert aus. Und Merz und Scholz fetzen sich im Bundestag. Von Fabian Kramer

Die deutsche Konjunktur läuft seit einiger Zeit nicht besonders gut. Für dieses Jahr prognostizieren führende Ökonomen ein erneutes Minus für die deutsche Wirtschaft. Keine guten Aussichten für eine Bundesregierung, der die finanzielle Liquidität zusehends abhandenkommt. Brechen in Zukunft die Steuereinnahmen weg, wird es zu Verteilungskämpfen kommen. Der Ampel-Streit um die Haushaltsfinanzierung könnte nur ein kleiner Vorgeschmack auf eine düstere Zukunft sein.

Sind Schulden nötig für Investitionen?

An diesem Abend streiten der FDP-Fraktionschef Christian Dürr und das linke Urgestein Gregor Gysi über die Sinnhaftigkeit einer Schuldengrenze. Als Berufslinker mit DDR-Vergangenheit ist Gregor Gysi ein absoluter Gegner der Schuldenbremse. Er sei schon bei ihrer Einführung dagegen gewesen, meint Gysi. „Eine Schuldenbremse verhindert die nötigen Investitionen“, legt er seine Position fest. Aber stimmt diese Annahme überhaupt? FDP-Mann Dürr weist Gysi auf einen interessanten Fakt hin: „Schulden sind ein Reichtum-Programm für reiche Menschen.“

Damit trifft Dürr voll ins Schwarze. Seit der drastischen Ausweitung der Geldmenge durch die Notenbanken zur Bekämpfung von globalen Krisen stieg das Vermögen der Superreichen in gigantische Sphären. Wer sich die Aktienkurse während Corona anschaut, wird feststellen, dass Aktionäre an der Krise verdienen konnten: Im Sparbuchland Deutschland sind das in der Regel die Wohlhabenden. Diejenigen, die vor allem von ihrem Arbeitseinkommen leben und wenig Erspartes haben, verlieren dagegen.

Schulden werden von staatlicher Seite nur in den seltensten Fällen für Investitionen verwendet, meistens fließt alles in den Konsum: in den ausufernden Sozialstaat zum Beispiel. „Schulden sorgen für Umverteilung von unten nach oben“, beschreibt Dürr die Folgen treffend. Doch Gysi ist nicht überzeugt. Um einen Alt-Genossen zum Wirtschaftsliberalen zu machen, braucht es viel mehr rhetorisches Geschick, als Dürr aufbringen kann. Auch Maischberger hat einen Einwand und konfrontiert Dürr mit der Forderung großer Unternehmen nach mehr staatlichen Schulden. Die Industrie benötigt gewaltige finanzielle Mittel, um die große Transformation zu finanzieren. Was bei Mao noch der „große Sprung nach vorne“ war, wird in Deutschland als „große grüne Transformation“ bezeichnet.

Gemeint ist dasselbe. Der Staat will einen staatsmonopolistischen Kapitalismus etablieren. In Deutschland soll so Klimaneutralität erreicht und damit die angebliche Rettung der Menschheit erwirkt werden. FDP-Mann Dürr ist skeptisch: „Wir dürfen keine Schulden aufnehmen, um es den Unternehmen zu geben“, meint der Liberale. Dürr und Gysi vertreten beide Kleinstparteien im Bundestag, die bei der nächsten Wahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern dürften. Die Linke ist schon 2021 daran gescheitert – sie kam nur in den Bundestag als Fraktion, weil sie drei Direktmandate erringen konnte. Doch Gysi ist Dürr in der Diskussion haushoch überlegen.

Dürr hat natürlich einen Punkt, aber wie glaubhaft ist diese Aussage? Lindners verfassungswidriger Haushalt hatte genau diese Finanzierung der großen Transformation vorgesehen. Der Staat wollte ein Schulden-Füllhorn ausschütten, um nicht wettbewerbsfähige grüne Ideologie-Projekte zu finanzieren. Die Richter in Karlsruhe machten diesen Plänen ein Ende, deshalb wehklagt die Wirtschaft. Den Unternehmen fehlt nun schlichtweg das Geld, um wettbewerbsfähig zu sein, weil man an die grünen Märchen vom Wohlstand aufgrund der staatlich in Aussicht gestellten Mittel glauben wollte. Die Konzerne wollen es sich bequem einrichten: Staatsgelder nehmen dafür, dass sie nicht oder schlecht produzieren. Dieser Traum ist vorerst ausgeträumt.

Geben wir zu viel für Soziales aus?

In Deutschland wird fast jeder dritte Euro aus Steuereinnahmen und Beiträgen für den Sozialetat verwendet. Es stellt sich die Frage für die Steuerzahler, ob sie nicht allmählich an ihrem Limit angekommen sind. Die Bundesregierung stellt sich diese Frage noch nicht. „Wir müssen viel Geld für die Rente aufwenden“, erklärt Christian Dürr die hohen Ausgaben. Nun ist die Rente in Deutschland ein wunder Punkt, an den sich niemand traut. Natürlich haben Rentner ihre Rente verdient, aber der Staat leistet sich auch teure Rentengeschenke wie die Mütterrente, von der nur gewisse gesellschaftliche Gruppen profitieren und eben nicht die Masse der Rentner. Die Rente ist ein System, das nicht mehr funktionieren kann.

Am ungerechtesten dürfte der Bevölkerung derzeit die 12-prozentige Erhöhung des Bürgergelds aufstoßen. Friedrich Merz nennt es im Bundestag „staatlich subventionierte Arbeitslosigkeit“, und das ist es auch. Obwohl das zu hohe Bürgergeld sicherlich kein liberales Kernprojekt ist, verteidigt Dürr es wacker und gibt der Großen Koalition die Schuld: „Die Berechnung der Höhe stammt noch aus Zeiten der Großen Koalition.“ Warum die FDP diese Berechnung nicht korrigiert hat, verschweigt Dürr dem Zuschauer. Gregor Gysi möchte überraschenderweise die Höhe des Bürgergelds auch nicht ändern, er fordert stattdessen: „Ich fordere höhere Löhne und ein Ende des Niedriglohnsektors.“ Konkret meint er einen höheren Mindestlohn. Doch steigende Mindestlöhne sind wie ein Hund, der den eigenen Schwanz jagt: Höherer Mindestlohn bedeutet höhere Preise, bedeutet steigendes Bürgergeld, bedeutet höheren Mindestlohn …

Dürr möchte keinen höheren Mindestlohn, aber stattdessen die Menschen steuerlich entlasten. „Wir senken die Steuern für die arbeitende Mitte“, frohlockt er. Um 15 Milliarden Euro werden die Steuerzahler in der Einkommensteuer „entlastet“, indem die kalte Progression ein wenig abgeschmolzen wird. In Wahrheit aber nimmt die Belastung zu. Der Staat hat Abgaben erhöht, wie beispielsweise die CO2-Steuer, und neue Steuern werden eingeführt, wie eine Plastiksteuer. Liberale Steuerpolitik und eine Entlastung der Mitte sehen anders aus. Die FDP wird weiter regieren und Politik gegen die eigenen Wähler machen. Am Ende dürfte bei der nächsten Wahl die Quittung drohen.

Debatten-Power im Bundestag

Wenn Olaf Scholz im Bundestag auf Friedrich Merz trifft, ist der Kanzler wie ausgewechselt. Ist er zuweilen farblos und spröde, so gerät er wegen Merz in Rage und Wallung. Man könnte sagen, dass Merz das Aufputschmittel für den Valium-Politiker Scholz ist. Andere Beobachter hingegen finden eher, dass Merz mit seiner Kritik den Kanzler an seinem wunden Punkten trifft. Susanne Gaschke von der NZZ meint: „Scholz fühlt sich von der Kritik getroffen.“ Ihr stößt Scholz’ Wortwahl „Mimose“ als Bezeichnung für Oppositionsführer Merz sauer auf. „Der Kanzler redet immer von Respekt, hat dann aber selber keinen“, kritisiert sie.

Dem langjährigen ZDF-Journalisten gefällt der streitende Ton wenig. „Die Menschen erwarten mehr Konsens“, findet er. Ob er sich da mal nicht täuscht. Die Bürger sind des Konsenses wohl eher überdrüssig. Die bleiernen Jahre der Großen Koalition waren eine einzige Ansammlung von Konsensentscheidungen und Formelkompromissen. Politisch herausgekommen sind exorbitante Fehlleistungen, die das Land bis heute beschäftigen und belasten. Zum Beispiel war der moralische Konsens während der Flüchtlingskrise so erdrückend, dass die offenen Grenzen als alternativlose Politik verkauft wurden. Mehr Debatte täte dem Land gut.

Gaschke sieht ebenfalls zu viel Konsens und lobt die Attacken von Friedrich Merz. „Merz zeigt, dass er nicht die AfD sein möchte“, sagt Gaschke. Für die Zeit-Journalistin Luisa Thomé hingegen ist der konfrontierende Ton von Merz nicht der richtige. „Jetzt ist nicht die Zeit, dagegen zu sein“, mokiert sie. Ihre Haltung steht stellvertretend für viele linke Journalisten. Es fehlt das Verständnis dafür, weshalb Friedrich Merz der Ampel nicht aus der Patsche hilft. Viele linke Journalisten wünschen sich eine Merkel-CDU zurück, die den Ampel-Unsinn unterstützt. Merz aber kann die Umfragen lesen und hat erkannt, dass die Ampelpolitik keine Prozente bringt. Ob er nach der nächsten Bundestagswahl dann aber nicht doch auf den Merkel-Kurs einschwenkt, lässt sich nicht sagen, aber vermuten. Also im Moment alles nur Gewese.

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