Tichys Einblick
Bei Maybrit Illner

Ist die AfD dem ZDF nicht rechts genug?

Die Sendung hatte ein Ziel: einen Strategiewechsel im Kampf gegen die AfD. Statt die AfD auf die übliche Weise von links dafür anzugreifen, dass sie zu rechts ist, lautete der Vorwurf dieses Mal: Landesverrat. Im Raum stehen die Vorwürfe der Spionage und Bestechlichkeit gegen die zwei EU-Spitzenkandidaten.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Da habe ich mich richtig blamiert. Letzte Woche schrieb ich noch zur Illner-Sendung – oder überhaupt den Sendungen des ÖRR: „Haben Sie schon mal in einer öffentlich-rechtlichen Talkshow über den Ukraine-Krieg einen Russen sitzen sehen? In einer Sendung über die AfD einen AfDler?“ Tja, und jetzt raten Sie mal, um welche Partei sich die Sendung dieser Woche drehte und welche Partei auch tatsächlich in der Gästeliste vertreten war. Vielleicht können wir daraus zwei Lektionen mitnehmen: dass sogar Frau Illner noch für eine Überraschung gut ist und dass irgendwer in der Illner-Redaktion meine Artikel liest.

Das ZDF beschenkt die AfD. Wirklich.

Eines Besseren belehrt, muss ich nun eingestehen: Es mag Sendungen über die AfD mit AfD-Politikern im ÖRR geben. Wie hier vorliegend AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla zum Thema „Russland, China, Spionage – Vertritt die AfD deutsche Interessen?“ Doch eines gibt es wirklich nicht: eine Sendung über die AfD ohne Spiegel-Journalistin Melanie Amann. Melanie Amann wird von Illner, vom Spiegel – und vor allem von sich selbst – als Wunderwaffe gegen die AfD begriffen. Sie gilt als die große Expertin und muss sich immer ins Gefecht stürzen.

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Wer auch immer dieses Image gestreut hat: Aber es gibt wohl kaum ein größeres Geschenk für die AfD als Melanie Amann. Sie hält sich für ganz besonders schlagfertig – in Wahrheit überbrüllt sie ihre Gegner nur und hat kein Benehmen oder Respekt vor ihrem Gegenüber. Sie lässt sich zu leicht aus der Fassung bringen, nimmt alles persönlich, ist verbissen und wirkt verbittert. Das süffisante Dauergrinsen verrät allerdings, dass sie sich und ihren Auftritt nicht wirklich realistisch einschätzen kann.

Die Sendung hatte eindeutig ein Ziel: einen Strategiewechsel im Kampf gegen die AfD. Statt die AfD auf die übliche Weise von links dafür anzugreifen, dass sie zu rechts ist, lautete der Vorwurf dieses Mal: Landesverrat. Im Raum stehen die Vorwürfe der Spionage und Bestechlichkeit gegen die zwei EU-Spitzenkandidaten. Eine vermeintliche Partei von Patrioten agiert in den Interessen fremder Mächte? Die Wähler, die für das Germany-First-Konzept der Partei gekommen sind, dürften das nicht sonderlich attraktiv finden.

Er müsse sich die Deutschlandflagge von seinem Sakko abmachen und die Russland-Flagge anstecken, heißt es von Melanie Amann. Armin Laschet klagt vom Verrat am „deutschen Volk“, das Chrupalla mit seinen Ausreden für dumm erklären würde. Während der eine AfDler vor Gericht steht, weil er „Alles für Deutschland“ gesagt hat, stehen die anderen auf dem Prüfstand, weil sie nicht genug für Deutschland beziehungsweise zu viel für andere Länder tun würden. Wie man’s macht, macht man’s verkehrt.

Zu wenig oder alles für Deutschland?

Die Strategie hätte vielleicht aufgehen können – wenn irgendein AfD-Wähler Illner schauen würde. Doch die hat die Moderatorin doch schon vor Jahren unwiederbringlich weggedrängt. So tun Illner und Amann leider ganz umsonst so, als würde sie der Schutz des Vaterlandes interessieren und als wäre die AfD nicht „rechts“ genug für ihren Geschmack.

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Chrupalla selbst hat eigentlich keine sonderlich gute Figur gemacht, wenn man die Sendung im größeren Kontext betrachtet. Im Raum stehen harte Vorwürfe – wie geht man damit um? Der erste Schritt, den Chrupalla in der Sendung gegangen ist, sollte eigentlich für jeden nachvollziehbar sein. Er stellt sich auf den Posten der Unschuldsvermutung. „Wir sind hier nicht in einem Gerichtssaal, sondern wir sind hier in der Politik“, kräht Melanie Amann dazwischen. Man hat bei ihr nie wirklich das Gefühl, dass sie nachdenkt, bevor sie etwas sagt. Sie hält sich für spontan.

Und auf den Inhalt kommt es ja gar nicht an – die Erzeugung eines Störgeräusches ist das Ziel. „Aber ich glaube doch nicht dem Spiegel, Frau Amann. Entschuldigung, wo kommen wir denn dann hin?“, antwortet Chrupalla. Bis hier hin halte ich die Position für verständlich. Wenn ein Medium, das einen ganz offen bekämpfen will, Vorwürfe bringt und die zwar belegen können will, die Beweise aber nicht vorlegt – dann ist die Beweislage zu dünn, als dass man sich gegen seine eigenen Leute stellt. Immer wieder wiederholt Chrupalla, dass es Konsequenzen geben werde, wenn sich der Verdacht erhärtet, dass die Beschuldigten aber bisher noch von niemandem gefragt wurden.

Doch die Unschuldsvermutung gilt hier nicht. Mit hochrotem Kopf und pulsierender Ader auf der Stirn und in einer Lautstärke, für die Chrupalla zuvor noch unmittelbar von Illner verwarnt wurde, klagt der ehemalige CDU-Vorsitzende Armin Laschet, dass die AfD-Parteispitze Krah und Bystron schon längst hätte rausschmeißen müssen – er hätte es so gemacht und so sei das auch bei den Masken-Deals gelaufen. Amann lächelt selbstzufrieden und schadenfroh. Für eine linke Journalistin ist sogar ein konservativer Politiker ein Genosse, wenn beide einen gemeinsamen Feind haben.

Dass Chrupalla gegen das Dreieck aus Illner, Amann und Laschet nicht ankommt, lässt sich ihm auch schwer vorwerfen. Immerhin reden drei Leute simultan auf ihn ein, machen ihm die unterschiedlichsten Vorwürfe. Trotzdem tritt er nicht auf, als wäre er Herr der Lage, Herr überhaupt einer Lage. Dass er sich auf die Unschuldsvermutung bezüglich seiner Parteikollegen beziehen will, ist ja okay, doch glaubhaft rüber bringt er das nicht. Er kann auch nicht wirklich erklären, warum der Wahlkampf um die beiden Kandidaten denn dann so zurückgefahren wurde.

Mal lässt er sich breitschlagen und distanziert sich von den beiden; wird er damit konfrontiert, dass er sie in der Vergangenheit unterstützt hat, ist er wieder aus dem Konzept gebracht. Man hat das Gefühl, dass die AfD ein ähnliches strukturelles Problem hat wie die Grünen. Solange es um bloße Opposition geht, machen sie die Klappe auf, machen Randale, gehen nach vorne. Was ihnen aber fehlt, sind Strukturen, die es braucht, wenn man Verantwortung übernehmen will. Und da muss man sich auch überlegen, wie man souverän mit Skandalen wie den vorliegenden umgeht. Einfach abzulenken und zu argumentieren, es gäbe in Europa ja auch Spione aus Amerika oder Israel, ist jedenfalls nicht seriös, sondern wirkt irritierend, defensiv und wenig glaubhaft.

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Doch da ist ja die AfD-Geheimwaffe Melanie Amann, die Chrupalla heldenhaft aus der Notsituation holt. Denn so ungelenk Chrupalla auch mit den Vorwürfen umgegangen ist, so schwer fiel ihr der Angriff. Und dass obwohl sie aktiv zu dritt waren und den Rest der Runde, bestehend aus der Verfassungsrichterin Juli Zeh und dem BDI-Präsidenten Siegfried Russwurm, auch noch auf der Seite hatte. Wobei Juli Zeh sich wirkungsvoll distanziert: In wenigen Sätzen erklärt sie, dass vorgestanzte Debatten die Wähler längst nicht mehr erreichen. Argumente ziehen, nicht Etiketten, die jeden Kriegsgegner zum Putin-Fan abstempeln sollen. Hier hätte es spannend werden können – doch keiner geht mit.

Plötzlich doch: Unschuldsvermutung gilt

Chrupalla lenkt die Aufmerksamkeit von seiner eigenen Partei auf Ursula von der Leyen und ihre verschwundenen Handys und den Vorwurf der Vetternwirtschaft. Und siehe da, Frau Amann kräht dazwischen: „Keine Behörde ermittelt dort.“ Maybrit Illner erklärt derweil, dass man die Sache erst aufklären müsste, bevor man da Schlüsse draus ziehen kann. Das ist genau die gleiche Argumentation von Chrupalla kurz zuvor noch: Es gilt die Unschuldsvermutung und es gab noch keine richtigen Ermittlungen. Bei ihm hatte man das allerdings nicht gelten lassen.

Dass der Spiegel Geld von der Gates-Stiftung bekommen und angenommen hat, bringt Chrupalla weiter ein. Für wessen Interessen sie, Amann, denn dann arbeite. Amann antwortet, dass sie darauf nicht antworten werde. Und sagt dann beleidigt: „Jetzt grinsen Sie so zufrieden.“ Dabei ist sie diejenige, die die ganze Sendung über mit ihrem selbstzufriedenen Grinsen dahockt, arrogant dreinblickt, belustigt Grimassen schneidet.

Doch Chrupalla selbst ist nicht schlagfertig genug, um die Widersprüche, in die sich vor allem Illner, Amann und Laschet aus ihren rohen Emotionen heraus immer wieder verstricken, anzusprechen. Er ernennt stattdessen Obama zum Kriegsverbrecher, weigert sich aber zu beantworten, ob Putin auch einer sei. Das sind Schauplätze, die seine Wähler spalten, potenzielle neue Wähler möglicherweise abschrecken könnten – und die er vor allem gar nicht hätte aufmachen müssen. Denn die vergangene Sendung hätte eine Steilvorlage werden können.

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