Tichys Einblick

hart aber fair: Kreuzbrav in die Einsamkeit

Es wird wieder GroKo, und man erkennt es im TV: Brav wird die kommende Regierung gerühmt, die fortsetzen soll, was schon die alte vermurkst hat. So wird Fernsehen zum Wegschau-TV. Übrigens: Es gibt wieder eine Opposition.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Ja, der kreuzbraven Anne Will kann kaum passieren, was sich der Rundfunkrat des WDR gerade gegen Maischberger und Plasberg hat einfallen lassen: die nämlich wurden gerügt, sie hätten „Alarmistische Zuspitzungen“ in Titeln sowie eine Moderation, die auf „negative Erwartungen, Beunruhigung und Angst“ abzielte.“

Kleine Sendeunterbrechung

Es ist doch wirklich auf bizarre Weise komisch, dass Sendungen, denen schon seit spätestens Ende 2015 das Etikett „Inoffizielle Mitarbeit Kanzleramt“ anhaften, nun abgemahnt werden, als hätten sie auf dem Schulhof wiederholt einen verbotenen Bubenstreich inszeniert. Sendungen, die schon seit Monaten auf eine regelmäßige Beteiligung der AfD verzichten und nun auch die FDP auf die Abschussliste gesetzt haben. Zwar noch kein Fernsehen wie aus Ankara, Moskau oder Pjöngjang, aber doch liebäugelnd mit dem gleichen Gängelband. Nein, es besteht doch immer noch ein Unterschied zwischen „gesellschaftlicher Aufgabe“ und Regierungsfernsehen.

Der Zuschauer kommt möglicherweise gerade von der Spätschicht oder vom späten Einkaufen, hat sich auf dem Weg nach Hause vor vom Familienministerium finanzierten Polit-Plakatwänden weggeduckt und erlebt nun vor der Glotze die Fortführung dieser unsäglichen DDR-Light-Kampagne. Plakate mit Slogans wie „Dieses Plakat wird nichts ändern. Aber Du kannst es.“ Mal von der Intention abgesehen ist das nicht weniger als eine Kampagne im pädagogisierenden Duzton als Ouvertüre zu den frisch gerügten Talkshows.

Moderator als Regierungsberater

Nun aber schnell zum Rügen-TV. Zu Plasbergs hart aber fair heute mit dem Thema: „Zwangsheirat mit Angela – ist die große Koalition so schlimm?“ Aber an wen richtet sich die Frage? Ans deutsche Volk oder nur an die zwanzigprozentigen Sozialdemokraten? Eingeladen wurde nach den jüngsten Fernsehrat-Ohrfeigen selbstverständlich nur, wer auch Fernsehrat-kompatibel erschien. Also darf Jens Spahn von der CDU dabei sein, ebenso wie Katarina Barley, die von Manuela Schwesig nicht nur Scholz & Friends, sondern gleich das ganze Familienministerium übernommen hat. Die Holzwolle im hart aber fair Einschlafbärchen geben dieses mal Schauspieler, Nervtöter und bekennender SPD-Wähler Ulrich Matthes, ebenso wie Schlauspieler und WDR-Anstandswauwau Rolf Dieter Krause – und Sigmund Gottlieb, der lange Jahre für das Bayerische Fernsehen selbst moderierte.

Von der alten in eine neue Republik
Wiedergeburt einer handlungsfähigen Opposition
Wie soll man nun auf so eine Zusammenstellung reagieren? Vielleicht hilft es, eine Petition zu schreiben an diesen Fernsehrat, doch beim nächsten Mal bitte – hart aber fair – von Plasberg jene Gäste zu erzwingen, die noch weit besser passen würden zu diesem windelweichen Rügen-TV: Sky Du Mont – oder Rolf Zuckowski spielt für Plasberg „Pinocchio“, seine Titelmusik der gleichnamigen Fernsehserie. So sendet sich hart aber fair kreuzbrav in die Einsamkeit: Keiner nimmt diese Art von Sendung mehr für voll. Dabei kann Plasberg das. Eigentlich. Warum diesmal nicht? Warum sitzt da niemand von der Opposition?

Also los gehts. Trara, der Rügen-Plasberg erscheint auf der Bühne, das AfD-Krokodil muss ebenso draußen bleiben wie der gelb-magenta Zauberer von der FDP. Aber stopp! Die gaaanz liebe Großmutter haben wir vergessen. Die wird mal wieder mehr schlecht als recht von Bettina Gaus von der taz eingespielt. Ihr bereitet es große Freunde, den Kasper und seine Freunde mit leckerem Essen zu verwöhnen. Sie spricht immer leise und kann den Kindern niemals böse sein. Vorhang auf. Vermutlich gibt es ein geheimes Zusatzprotokoll zum Rundfunkstaatsvertrag, wonach die kreuzbrave taz immer eingeladen werden MUSS. Opposition? Wo kämen wir denn da hin.

„Lassen Sie uns doch mal gemeinsam überlegen, wie wir wieder zu einer Regierung kommen“, liebe Kinder, eröffnet Plasberg. Er gibt den einfachen Mann von nebenan. Er ist intelligent, sehr witzig, hat viel Humor und immer eine gute Idee. Er verfügt über einen äußerst wachen Verstand. Falls ihm doch einmal die Ideen ausgehen, fragt er einfach die Kinder. Er geht mit sich selber hart ins Gericht. Er lügt nicht gerne und ärgert niemanden. Wenn er doch einmal tun muss, dann plagt ihn ein gaaanz schlechtes Gewissen. Aber es ist nicht die Aufgabe eines Moderators, eine Regierung zu bilden. Seine Aufgabe ist es, kritisch zu hinterfragen, nicht zu beraten. Sie fällt gar nicht mehr auf, diese Grenzüberschreitung, so wenig wie das Fehlen der Opposition.

Danke, Frau Barley, danke, danke

„Ist es naiv, wenn Bürger sagen, macht jetzt langsam mal hin, wir haben Euch nicht fürs Rumzicken gewählt?“, fragt Plasberg. Ach Du je … Plasberg bedankt sich gaaanz artig bei Frau Barley, dass sie extra für hart aber fair aus der Fraktionssitzung der SPD ins Studio gekommen ist, „dafür erst einmal vielen lieben Dank“, seift Plasberg. Ach, es ist kaum mehr zum Aushalten. Hätte man jemand anders bitten sollen, mal aufzuschreiben, was hier passiert? Ist der Autor hier endgültig überm ÖR-TV mental implodiert?

Der Blick von Frau Barley, die großen lieben Augen, das charmante Lächeln. Nichts kann beruhigen, weil die Erwartung, was da gleich kommt, gerade den absoluten Tiefpunkt aller je geschauten Talkshows erreicht hat. Was soll man da noch in die   Tastatur hämmern, das nicht zotig oder gar albern wäre? Ein ganzer normaler Tag? Oder doch schon die Vorstufe zu so etwas, wie „Falling Down“, Sie erinnern vielleicht diesen wundervoll anregenden Amoklauf-Film mit Michael Douglas aus den 1990er Jahren.

Unfassbar das alles. „Warum rollen Sie gerade mit den Augen Frau Gaus?“, fragt Plasberg. „Ich hab’s gesehen!“, fügt er noch schelmisch an. Nein, es hat hier niemand etwas zu sagen, was nicht schon einhundert Mal gesagt wurde in den letzten Tagen. Vielleicht kommt doch noch was, aber der Autor hier muss nach fünfzehn Minuten leider passen und drauf hoffen, dass ein paar Leser ein paar frühere Besprechungen solcher Sendungen so sympathisch fanden, dass sie, was es hier jetzt auf Sparflamme zu lesen gab, entschuldigen.