Tichys Einblick
Unbegabte Gesundbeter

Hart aber Fair-Extra zu Corona: „Möglicherweise haben wir alle zusammen zu Anfang die Lage unterschätzt“

Unser Wirtschaftsminister Peter A. ist eindeutig der Empathie-Maier der Regierung, der Mann fürs Herz in diesen kalten Zeiten. „Da müssen wir einfach helfen“, hörten wir ihn gleich zu Beginn der Sendung sagen, als wir uns noch daran gewöhnen mussten, dass die Ränge leer und die Diskutanten auseinandergesetzt waren wie Störenfriede im Schulunterricht. Wegen der Zwei-Meter-Regel, wie tags zuvor in einer Talkshow beim ORF zu sehen war.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Dann war Altmaier schon bei „Möglicherweise haben wir alle zusammen zu Anfang die Lage unterschätzt“ angelangt. „Möglicherweise“…  „Wir alle zusammen“… Und dann plauderte der Bundesbeschwichtigungsbeauftragte darüber, wie das Covid-19-Virus auch sein Leben verändert hat. „Ich habe bis Mai alle Reisen als Minister abgesagt“, sagte der Peter, der aber die Krise in erster Linie als Chance sieht: Als die „Chance, mal wieder Briefe zu schreiben“, und dass die Menschen in der Nachbarschaft sich zusammentun und gemeinsam ihre Kinder betreuen…

„Bloß nicht!“ fiel unserem menschelnden Minister da der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Tropeninstitut ins Wort. „Das wollten wir doch gerade verhindern, deshalb haben wir doch die Kitas und Schulen geschlossen.“

Geschenkt. Jetzt ist nicht die Zeit für kleinlichen Disput. Hier gilt es zusammenzustehen. Die ARD-Börsenexpertin Anja Kohl fand lobende Worte fürs Krisenmanagement der Regierung, noch schöner wäre es, wenn auch die EZB, aber man kann nicht alles haben. Der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam beruhigte die Zuschauer, der Staat dürfe im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes so allerhand, „wenn es verhältnismäßig“ sei. Und die Psychologin Ulrike Scheuermann wusste, „man lernt sich kennen“, wenn die Familie nun zwangsläufig zuhause beisammen sitzt.

Wir lernten, dass es aus Virologen-Sicht nicht unabdingbar ist, die alten Verwandten im Heim verrummeln zu lassen ,,Besuche seien durchaus ok, man müsse ja nicht gleich „in Massen die Altenheime besuchen“. Die Idee, Supermarktbesuche in der ersten Stunde nach Eröffnung für Senioren zu reservieren, wurde verworfen. Für eine Mutter, die nun ihre fünf Kinder zuhause hat und beim besten Willen nicht noch nebenbei arbeiten könne, hatten alle Verständnis. Und für die von Schließungen betroffenen Hoteliers auch.

Ein solcher namens Bernd Niemeier nutzte die Gelegenheit, dem Minister und der ganzen Regierung für ihre großartige Arbeit nach diesem „Tsunami“ zu danken. Von 40 Mitarbeitern hat er nämlich 36 in Kurzarbeit schicken können. Tja, Tsunamis kann die Kanzlerin.

Nun wäre ein Fonds nicht schlecht. Das fand auch Frau ARD-Kohl. Vor allem für den Mittelstand und die 5 Millionen Freiberufler, „die Frisöre, Fußpfleger“. Da schluckte unser Märchenpeter ein wenig und zählte zunächst die bisherigen Leistungen der Regierung auf bis K wie Kurzarbeitergeld. Aber bei 5 Millionen möglichen Antragsstellern wich er doch lieber auf einen dieser Sätze aus, die man nur nach vielen langen Politikerjahren abspulen kann, ohne rot zu werden. „Es wird sicherlich Bereiche geben, wo wir uns die Frage stellen ‘Wie gehen wir damit um‘, und werden sie so beantworten, dass der ‘Mensch im Mittelpunkt‘ kein leeres Gerede ist.“ Großartig.

Viel leichter ist es da bei „Konzernen“, da hatte Frau ARD-Kohl „vorübergehende Verstaatlichung“ empfohlen, und Peter, der Wirtschaftsminister, nichts dazu gesagt. Der erzählte lieber aus seinem Leben. Von der „Telefonschaltkonferenz mit den Europäern“, und dass er regelmäßig mit dem EU-Kommissar Dingenskirchen telefoniere. Schließlich gilt es „ein Signal zu setzen über Europa hinaus“.

Sollten Fußballmillionäre aufs Gehalt verzichten, wie Söder heute forderte? Wenn sie wollen. „Wir sind in Deutschland nie knausrig gewesen zu helfen“, lobte Peter uns alle. Dem Virologen täten Blutspenden schon reichen.

Die Zuschauer wollten dann via Brigitte wissen, warum der Friseursalon geöffnet habe, der Spielsalon aber nicht. Wie das nun mit Bestattungen sei (Peter: „Gemeinsames Gedenken nachholen!“), und ob Frau ARD-Kohl weiterhin Fonds und Aktien zum Kauf empfehle wie noch Tage zuvor. Im Moment eher nicht, so die kluge Frau, weil in Amerika gehe das Drama ja gerade erst los, schon „wegen dem handlungsunfähigen Präsidenten“.

Nun sind wir ja, wie sonst auch, bei Corona ganz weit vorne, aber ein wenig zwackt es wohl doch hier und da. In Hessen musste eine möglicherweise Infizierte 5 Stunden auf einen Test warten, den sie dann doch nicht bekam. Wir sind von den Kapazitäten her gut aufgestellt, sagte der Virologe. Die einen sagen so, die anderen so. Peter, wie immer um Ausgleich bemüht, fand es „wünschenswert, wenn möglichst viele getestet werden“ (wie die Hessin ja auch), und mahnte an, von Südkorea zu lernen, wo die Leute per SMS ihr Testergebnis zugeschickt bekämen. Donnerwetter.

Übrigens: Wer nun Covid-19-positiv ist, muss sich deshalb nicht genieren, sagte der Minister. „Ich habe heute in einer Ansprache an meine Mitarbeiter (immerhin zweieinhalbtausend!) gesagt, niemand muss sich schämen, wenn er sich krank fühlt. Und Positive sind noch lange keine Aussätzigen.“ In ein paar Wochen oder Monaten kommt unsere Gesellschaft jedenfalls stärker aus der Krise hervor, als sie hineingegangen ist, da ist Peter ganz sicher. Nur die Hamsterkäufer, die sollen sich was schämen! Da waren alle einig in der Wohlfühloase.

Das letzte Wort sollte, wie üblich bei Krisensitzungen, die auf die Hilfe von Psychologen setzen, eigentlich Ulrike Scheuermann haben: „Die Runde ist sehr gemeinschaftsorientiert gewesen“, lobte Frau Dipl. Psych., „wo die Dinge weiter entwickelt wurden.“

Aber Frau Kohl macht uns den Ausstieg leichter: „Wir brauchen keine Besserwisser“, rief die ARD-Börsenexpertin aus, „keine Besserwisser und keine Schuldzuweisungen.“ Außer natürlich die Schuldzuweisungen an Donald Trump.


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