Tichys Einblick
"Nachrichtenstarker" Abend bei Anne Will

Trotz grüner Niederlage: Lang findet, die Grünen hatten einen guten Tag

Die Grünen verlieren 30 Prozent ihrer Wähler in Bremen und Ricarda Lang spricht von einem „guten Tag“. Bei Anne Will versucht sie, einige solcher Geschichten aufrechtzuerhalten. Und wird dabei eifrig unterstützt – nicht nur von Anne Will.

Screenprint: ARD / Anne Will

Die Grünen mussten bei der Wahl in Bremen starke Verluste einstecken, hatten aber trotzdem einen „guten Tag“. Das findet jedenfalls Ricarda Lang (Grüne), die bei Anne Will auf eine Kommunalwahl in Schleswig-Holstein aufmerksam macht, bei der die Grünen „das beste Ergebnis“ seit langem haben. Das beweise, wie Lang ausführt, dass es sich nicht um einen bundesweiten Trend handle, dass die Bremen-Wahl so ausging, wie sie ausging: minus fünf Prozentpunkte für die Grünen. Obwohl schon ein „enttäuschendes Ergebnis“ für die Grünen, wie Lang einräumt.

Sie führt die Verluste darauf zurück, dass die Grünen in Bremen ihr Angebot „nicht richtig kommuniziert“ haben. So konnten sie dann laut Lang über ihr Kernklientel hinaus keine Bürger für sich gewinnen. Sie dachte sich wohl, sie könne es mit ihrer Lügen-Geschichte ja mal probieren und schauen, wie weit Anne Will diese durchgehen lässt. Das will Will aber nicht und berichtigt sie: „Die Grüne hat an Kernklientel verloren.“ Dann gibt es Lang sogar selbst zu. Sie hat anscheinend keine Lehre aus dem Pinocchio-Märchen gezogen, denn: Wer lügt, der bekommt eine lange Nase. Lang hält ihre Geschichte, dass die Grünen nur in Bremen an Wählern verloren habe, nicht aber bundesweit, trotzdem aufrecht. Ihre Nase wird immer länger.

Aber ganz egal, wie lang Langs Nase würde, sie kann sich darauf verlassen, dass Lars Klingbeil (SPD) sie und ihre Partei beschützt: Der Parteivorsitzende der SPD verteidigt erst das Wärmepumpen-Gesetz aus dem Ministerium von Robert Habeck (Grüne), dann die Affäre rund um den grünen Staatssekretär Patrick Graichen. Dann lenkt er ab, damit alle den Blick von der grünen Niederlage – und dem Sieg seiner Partei – abwenden: Diese Affäre habe sich die CDU für ihre Wahlkampagne zunutze gemacht und somit dazu beigetragen, dass die Diskussion über die Graichen-Affäre nicht mehr „sachlich“ sei und „rechtspopulistische Parteien“ wie die Bürger in Wut an Stimmen gewinnen. Alle Augen auf CDU-Generalsekretär Mario Czaja: Für ihn ist das Wahlergebnis deutlich ein „Abstrafen in Richtung Grüne“. Diese sorgten für starke Unsicherheiten im Land, sodass Bürger „große Angst vor ihrer Politik“ bekommen, sagt er.

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Grüne Niederlage in Bremen: Das Ende vom Anfang
Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur Die Welt, fordert Klingbeil und seine Partei dazu auf, sich von der Graichen-Affäre zu distanzieren. Aber Klingbeil hält daran fest: Im Zuge der Graichen-Affäre würden „richtige Schritte“ unternommen. Viel wichtiger sei der „Klimaschutz”, betont er. Darum solle die CDU aufhören, die Graichen-Affäre als Kampagne zu nutzen. Dabei ist die CDU nicht die einzige Partei, die die Clanstrukturen in Habecks Wirtschaftsministerium kritisiert. Amira Mohamed Ali (Linke) findet die ebenfalls „hoch problematisch“ und meint, Graichen müsse zurücktreten: „Die Affäre zeigt, dass politische Entscheidungen wichtiger Dimensionen in kleinen Cliquen besprochen werden“, sagt sie. Dann unterbricht Will sie, um auch Alexander die rot-grünen Worte in den Mund zu legen, die CDU nutze die Affäre zu Unrecht für ihren Wahlkampf. Alexander durchschaut ihre Masche allerdings.

Dass Will mal wieder auf grüner Seite steht, zeigt sich auch in ihrem Verhalten zu Mohamed Ali. Diese möchte das Gespräch nämlich endlich weg vom „Ausbooten der Kampagnen“ hin zu den Leuten lenken und macht auf die hohen Kosten einer Wärmepumpe aufmerksam: „Viele Sachen sind nicht durchdacht.“ Will plädiert derweil dafür, dass für den „Klimaschutz“ jeder etwas ändern müsse und dass die Wärmepumpe ja langfristig möglicherweise günstiger würde. Lang wird auch direkt ganz unruhig und möchte um jeden Preis wissen, ob Mohamed Ali auch möchte, dass die „Wärmewende“ bis zum nächsten Jahr vollzogen wird. Mohamed Ali erkennt Wills und Langs Framing: „Nur weil man auf die Kosten für die Bevölkerung aufmerksam macht, heißt das nicht direkt, dass man gegen den Klimaschutz ist.“ Also irgendwas klappt in dieser Sendung mit Wills Framing nicht: Die Gäste durchschauen sie immer wieder.

Während die Meinungen rund um die Bremen-Wahl, die „Wärmewende“, die Wahl-Kampagne der CDU und die Graichen-Affäre stark auseinandergehen, sind sich alle Beteiligten in Sachen Türkei-Wahl mehr oder weniger einig: Sollte der Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu von der oppositionellen CHP die Wahl gewinnen, dann würde die Politik mit der Türkei einfacher werden. Die einen sind nur etwas engstirniger als die anderen: Lang meint, dass es für die Menschenrechte in der Türkei dann besser würde. Klingbeil nickt – mal wieder – eifrig mit und glaubt daran, dass Kılıçdaroğlu das Land zum Positiven reformieren würde. Alexander und Mohamed Ali machen allerdings darauf aufmerksam, dass Kılıçdaroğlu bereits ankündigt, Syrer aus den Flüchtlingslagern zurück nach Syrien zu schicken. So bestünde innenpolitisch zwar die „Chance“, dass sich unter Kılıçdaroğlu die Menschenrechte verbessern, aber außenpolitisch wäre Kılıçdaroğlu als Präsident auch „problematisch“.

Es war ein „nachrichtenstarker Tag“, wie Will zum Schluss ihrer Sendung betont. Diese „Nachrichtenstärke“ hat sie aber gut genutzt, um den Stimmen-Verlust der Grünen von knapp fünf Prozent zu verstecken und kleiner zu machen, als er ist: ein Zeichen, dass das Ende der Grünen angefangen haben könnte.

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