Tichys Einblick
Fades Menü bei Louis Klamroth

Für Hart aber Fair das Top-Thema dieser Tage: Es geht ums Schnitzel

Hart aber Fair bittet zu Tisch. Das Rezept: ein grüner Verbots-Minister, ein wohlgenährter CDU-Mann, eine adrette Schweinebäuerin, ein blasser „Handelsvertreter“ und ein gut abgehangener TV-Koch. Alles ordentlich vermischen und …? Wow, wie fad! Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Hart aber fair

Wer hat eigentlich Ralf Zacherl aus dem Vorratskeller geholt? Und warum? Wegen seiner lustigen Gesichts-Kirmes? Warum muss sich ausgerechnet ein grimassenmaskierter TV-Koch durch ein paar schnelle Besuche auf bundesdeutschen Bauernhöfen ein leidliches Level an Grundwissen über Tierhaltung aneignen? Warum ist kein Experte da? Diese Runde lässt so viele Fragen offen. Fragen, zum Glück, die niemandem auf den Nägeln brennen. Schon die titelgebende Kernfrage der Sendung hat die Sprengkraft eines feucht gewordenen Tischfeuerwerks: „Die Schnitzelfrage im Supermarkt: billig, bio oder besser gar nicht?“

Der Umsatz an Bio-Produkten ist im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent zurückgegangen. Und Lebensmittel haben sich um mehr als 22 Prozent verteuert. Den Deutschen zerrinnt das Geld in den Händen. Eine galoppierende Inflation, ständig neue Verbote, Zusatzabgaben und Sanierungspflichten zwingen die Menschen, neue Prioritäten zu setzen. Viele kämpfen finanziell ums nackte Überleben. Da sei gesagt, und es möge nicht despektierlich klingen: So sehr ganz sicher jedem normal konditionierten Mitteleuropäer das Wohl von Nutztieren und das Auskommen von Landwirten am Herzen liegen, er hat in diesen Zeiten einfach andere Probleme.

Jenseits aller Fakten
Cem Özdemir: Essgebote und Verbote vom Pädagogen der Nation
Wenn dann zwei Politiker zu Gericht sitzen, die mit einem penetranten Parolen-Geplänkel theatralisch um die Gunst des Publikums buhlen, ist dies das sicherste Rezept für ein ziemlich geschmackloses Gericht. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Albert Stegemann – zwei Männer auf der Jagd nach Beifall. Doch auch der Spitzbartkoch weiß, wie man sich mit ein paar Slogans und Binsenweisheiten beim Publikum Applaus abholt. Dabei kommt Zacherl allerdings recht selten zu Wort. Was soll ein Küchenchef auch Scheffiges zum Thema beitragen?

Sie sehen, wir sind bei diesem Text bereits im vierten Absatz und noch nicht bei den Inhalten der Sendung. Gab auch wenig. Fassen wir es also kurz zusammen: Zacherl stellt vor Ort mit eigenen Augen fest, dass Schweinehaltung in der Klemmbox wirklich tierunwürdig ist und das freie Herumlaufen auf Stroh viel schöner. Überraschung! Nachdem er das gesehen hat, würde er auf die Currywurst verzichten und vielleicht lieber gebackene Champignons nehmen. Tosender Applaus. „Wir haben offenbar Champignon-Fans im Publikum“, sagt Louis Klamroth. Der Witz hat wenig Würze.

Özdemir sagt: „Der Landwirtschaftsminister ist nicht dafür zuständig, den Leuten zu sagen, was sie essen sollen.“ Applaus. Die Frage, warum er es dann trotzdem dauernd tut, bleibt ungestellt. Warum der liebe Özi Kinder vor Süßigkeitenwerbung schützen will, es ihnen aber zugleich erlaubt, jederzeit ihr Geschlecht zu wechseln und sich unter das Skalpell verantwortungsloser Ärzte zu legen und umoperieren zu lassen.

Stegemann sagt: „Wir haben 30 Prozent Grünland. Sie können Grünland gar nicht anders verwerten als über einen Wiederkäuer.“ Deutschland brauche „ein gesundes Maß an Tierhaltung, damit wir die Menschen auch morgen noch mit vernünftigen Proteinen und Energieträgern ernähren können. Gesunder Menschenverstand, von allem etwas, das ist ein gesunder Mix für unseren Körper.“ Applaus.

Özdemir sagt: „Wenn wir alle zusammen weniger Fleisch essen, dann tun wir einen Beitrag zum Planeten.“ Verhaltener Applaus. Könnte am suboptimalen Deutsch liegen. Parolen müssen sitzen tun.

TE-INTERVIEW
„Die EU will, dass wir Insekten essen“
Stefan Genth vom Handelsverband sagt: „Der Handel hat 2019 die Kennzeichnung freiwillig entwickelt und bis heute gut eine Milliarde investiert, um die Landwirtschaft zu unterstützen, bessere Haltungsformen umzusetzen, Stallumbauten auf den Weg zu bringen. Es gibt Auszahlungsbeträge für Betriebe, die das System unterstützen.“ Ach ja, interessant. Weiter geht’s.

Schweinezüchterin Gesa Langenberg kritisiert den Minister. Man solle doch bitte „jede Verbesserung des Tierwohls honorieren“ und sich bei den Förderungen nicht zu sehr am Extrem der Bio-Landwirtschaft orientieren. Denn sonst würden viel zu hohe Maßstäbe angesetzt. „Es kann nicht sein, dass da nur – und wir reden über einen Bioanteil bei Schweinen in Deutschland von ein bis zwei Prozent – dass nur solche Betriebe davon profitieren können.“ Özdemir schaut verständig.

Zwischendurch wird noch „Wirtschaftsexperte“ Marcel Fratzscher eingespielt. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) steuert einen selbst für seine Verhältnisse bemerkenswert absurden Satz bei: „Menschen mit geringem Einkommen zahlen das Drei- bis Vierfache ihres monatlichen Einkommens für Energie- und Lebensmittelpreise im Vergleich zu Menschen mit hohen Einkommen.“ Man weiß, was er meint, aber wer um Himmels Willen hat dieses Zitat eingeholt? Wer hat den Film redaktionell bearbeitet, geschnitten, gesichtet, freigegeben, ohne zu bemerken, dass der Satz überhaupt keinen Sinn ergibt? Ein typischer Fratzscher, da müssen doch alle Alarmglocken angehen! Was ist mit der Redaktion von Hart aber Fair los? Was läuft da schief? Außer: alles.

Und dann ist da noch Uschi Sachs aus Berlin. Sie hat 900 Euro Rente im Monat und kommt trotzdem irgendwie klar. Aber nur, weil sie hartes Haushalten gelernt hat und auf Vieles verzichtet. Sie arbeitet ehrenamtlich bei der Tafel „Laib und Seele“ und muss leider allzu oft auch für sich selbst dort etwas mitnehmen. Wohlfeile Forderungen wie Zacherls „Lieber Klasse statt Masse“ wirken da wie blanker Hohn. Als ob sich in Zeiten extremer Geldentwertung jeder ungehemmt den Bauch mit Billigschnitzeln vollschlüge. „Ich esse einmal die Woche Fleisch“, sagt die 73-Jährige. Und „ich schaue nach dem Preis: Ich kann es mir einfach nicht leisten, nach dem Siegel zu gucken.“ Sie hofft, dass die Politik etwas tut. „Aber wie ich dat jetzt heute jehört hab, wird det wohl nischt werden.“

Uschi Sachs hat dafür leider keinen Applaus bekommen. Dabei hätte man es besser nicht sagen können.

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