Tichys Einblick
Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung

Die Glückskinder der öffentlich-rechtlichen Sender

Die spürbare Gelassenheit der ARD-Intendanten angesichts ihrer „größten Krise“ ist berechtigt. Die Gebührenerhöhungen kommen, die Kleinstsender bleiben, die politische Einseitigkeit wird nicht angetastet, lediglich Doppelungen in Programmen und Strukturen könnten über die Jahre verringert werden.

Kamera der ARD

IMAGO / Political-Moments

Die Macher der öffentlich-rechtlichen Sender haben zwar sehr energisch und mit großen Worten, substanziell aber nur recht vage Reformen und mehr Transparenz versprochen. Aber wer sollte schon den absehbaren Schneckengang der zarten Umgestaltung stören? Die Liberalen ganz offensichtlich nicht – wie eine Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung nur allzu schmerzhaft belegt.

Der Intendant des Hessischen Rundfunks (hr), Florian Hager, spricht von der „schwersten Krise“ in der Geschichte der öffentlich-rechtlichen Sender. Vor allem der Skandal beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) „und alles, was daraus gemacht wurde“, so Hager etwas nebulös, habe einen schweren Vertrauensverlust für die ARD gebracht. Reformen, die seit Jahren überfällig seien, müssten nun angegangen werden, es brauche eine „selbstkritische Haltung“ in den Sendern, das alles hat der Intendant nun schon mehrfach angekündigt.

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Eine Diskussionsrunde der Friedrich-Naumann-Stiftung am Donnerstagabend demonstrierte allerdings, wie kleinmütig, marginal und letztendlich fast wirkungslos diese angestrebten Reformen wohl sein werden. Leider schien die Veranstaltung auch zu belegen, wie wenig Widerstand es gegen die offensichtlich enormen Beharrungskräfte in der ARD gibt.

An einer baldigen Erhöhung der Gebühren kann es eigentlich kaum einen Zweifel geben. 21 Fernseh-Kanäle und 73 Radio-Sender sowie diverse Online-Auftritte und Mediatheken müssen ja irgendwie finanziert werden. Die bisher 8,4 Milliarden Euro im Jahr reichen ja angesichts der allgemeinen Preissteigerungen schon jetzt kaum noch aus. Deshalb hat ja der rbb schon jetzt deutliche Kürzungen im Programm angekündigt.

Reformen erst in einigen Jahren „finanzwirksam“

Der HR-Chef verwies am Donnerstag auf den „vereinbarten Mechanismus“ bei Gebührenerhöhungen, der ja „nicht vom Willen der Intendanten abhängig ist“. Stimmt, die Entscheidung wird von einem „unabhängigen Sachverständigenrat“ und den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, aufgrund des von den Sendern ermittelten Finanzbedarfs.

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Allerdings werden die versprochenen „Strukturreformen“, „Verschlankungen“ und die zunehmende „Kooperation der Sender“ nach den Worten Hagers „nicht schon morgen“, sondern wohl erst in einigen Jahren „finanzwirksam“ werden können. Daraus kann man nur folgern, dass eine nicht allzu ferne Gebührenerhöhung unausweichlich ist. Die Deutschen brauchen nicht um ihre weltweite Spitzenposition bei der Höhe ihrer Zahlungen für die öffentlich-rechtlichen Sender zu bangen.

Angesprochen auf die Vielzahl der ARD-Sender und ihrer Programme verwies der Intendant auf die föderale Struktur Deutschlands, die sich in der Sendervielfalt spiegele; schließlich sei der Föderalismus die „Basis der Demokratie“. Wirklich? Zentralistische Staaten sind also weniger demokratisch? Was die Franzosen, Schweden oder Dänen wohl dazu sagen würden? Nun gut, Hager ist ein angesehener, erfolgreicher Medienmanager, kein Politologe.

26.000 Festangestellte brauchen kaum etwas fürchten

Eine Fusion von ZDF und ARD lehnte er offen ab, die Zusammenlegung von ARD-Sendern indirekt. Es sei besonders wichtig, in der Region Präsenz zu zeigen, Nähe zu den Zuschauern und Hörern. Die Existenz einer insgesamt überbordenden Verwaltung in der ARD, die unzähligen Parallel-Strukturen auch in der Technik, waren gar kein Thema. Genauso wenig wie die Zahl der mindestens 26.000 festangestellten Mitarbeiter in den öffentlich-rechtlichen Sendern.

Ganz allgemein erwähnte Hager, dass es trotz aller Vielfalt der Programme auch unnötige Überschneidungen – so bei den Digitalkanälen der öffentlich-rechtlichen Sender – gebe. Da seien manche „Verschlankungen“ möglich. Überhaupt sei mehr Kooperation, auch mit dem ZDF beispielsweise bei der Mediathek, ein wesentlicher Baustein der Reformen. Die Problematik von zahllosen Doppelungen in den Programmen der verschiedenen Sender – ganz besonders in Kultur, Sport oder Musik – war für den HR-Chef, der seit etwa einem Jahr im Amt ist, kein Thema.

Seit den Skandalen in verschiedenen ARD-Sendern beteuern die ARD-Intendanten, eine „tabulose Richtungsdebatte“ führen zu wollen, so WDR-Chef Tom Buhrow. 2023 werde „das Jahr der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, versprach er. Bisher allerdings wurde nur bekannt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender daran denken, ein eigenes soziales Netzwerk aufzubauen, eine Art deutsches Facebook oder Twitter. Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) staunte wohl zu Recht über so viel Hybris und sagte ein frühes Scheitern des „großspurigen“ Projekts voraus.

„Steuerungsgruppe“ soll Reformvorschläge präsentieren

Anfang Februar tagten die Spitzen der ARD-Sender zwei Tage lang in Hannover, um „den größten Veränderungsprozess in der Geschichte des Senderverbunds anzustoßen“, so die Erklärung der Intendanten. Letztendlich kam kaum etwas Konkretes heraus, aber zumindest eine Arbeitsgruppe. Die Steuerungsgruppe aus elf ARD-internen Fachleuten soll erst einmal die möglichen Reformvorhaben erörtern. Es werde beispielsweise um „crossmediale journalistische Kompetenzzentren“ gehen, erst einmal in den vier Bereichen Hörspiel, Gesundheit, Klima und Verbraucher. Das meint: Künftig soll es nicht mehr zehn oder 15 Verbraucher- oder Gesundheitsmagazine in der ARD geben, sondern etwas weniger. Zudem sollen 200 Millionen Euro jährlich in die digitalen ARD-Angebote fließen.

Für Florian Hager hat vor allem der öffentliche Auftrag an die Öffentlich-Rechtlichen Priorität: die „extrem wichtigen“ Aufgaben der freien Meinungsbildung, des Zusammenhalts der Gesellschaft und der Grundversorgung der Bürger mit Informationen, Bildung, Kultur und Unterhaltung.

Was ist mit Haltungsjournalismus und Gendern?

Viele Zuschauer hofften spätestens bei diesen Formulierungen, dass die drei Gesprächspartner in der Runde den Intendanten nach der politischen Ausrichtung der Programme, nach dem „Haltungsjournalismus“ der HR-Redakteure, nach dem mehr oder minder klar angeordneten Gendern auf allen HR-Kanälen und im Internet, nach dem regierungsfreundlichen Erziehungsjournalismus (so die NZZ kürzlich), nach der himmelschreienden grün-linken Ausrichtung der Redakteure und Korrespondenten fragen würden.

„Reschke Fernsehen“
Der vergiftete Humor von ARD und ZDF
Dass eine freundliche, professionelle Medienredakteurin des evangelischen Pressedienstes epd mehr an einer Diskussion über die Unzahl langweiliger Fernsehkrimis aus den Regionen, der Übertragung teurer Sportveranstaltungen und dem Mangel an kulturell hochwertigen Beiträgen interessiert war, muss einen nicht unbedingt verwundern. Auch der Moderator der Diskussion, der renommierte und inzwischen pensionierte ARD-Journalist Meinhard Schmidt-Degenhard schien offensichtlich seine Aufgabe eher als Gesprächsleiter zu definieren und kein Interesse an bohrenden oder provozierenden Fragen zu haben.
Weiß Nemir Ali, wie der HR über seinen Parteichef Lindner berichtet?

Wenn auf jemandem alle Hoffnungen ruhten, dem Intendanten die richtigen, kritischen Fragen zu stellen, dann wäre es wohl der stellvertretende Bundes-Vorsitzende der Jungen Liberalen, Nemir Ali, gewesen. In der Tat sprach dieser, allerdings ohne sonderliche Gewichtung, den Mangel an Meinungsvielfalt in der ARD an. Dabei fiel weder das Wort „Linke“ noch „Grüne“. Offenbar kennt Ali nicht die alles dominierende politische Haltung in den öffentlich-rechtlichen Sendern, oder aber es stört ihn nicht weiter. Als Hager dann die harmlose Frage Alis mehr oder minder zur Seite schob und gar nicht auf das Thema einging, hakte keiner in der Runde nach.

Ali betonte dagegen zum Abschluss der Veranstaltung, wie ungemein wichtig doch die öffentlich-rechtlichen Sender seien, angesichts „all der Desinformation, auch aus dem Ausland“, wie bedeutsam deshalb eine „unabhängige und sachliche Berichterstattung“ sei. Er sei „froh, dass Menschen wie Florian Hager“ die öffentlich-rechtlichen Sender führten, „mit denen ein Dialog möglich ist“.

Glosse
Zehn Möglichkeiten, wie das ZDF Geld sparen könnte
Kein Zweifel, zwischen dem jungen Liberalen und dem Chef eines politisch skandalös einseitigen Senders gibt es keinerlei Verständnisprobleme. Vermutlich hört er nicht, wie regelmäßig sein Parteichef, Finanzminister Christian Lindner, bei HR-Info als „neoliberaler“ Sündenbock und ewiger Bremser der grünen Klimapolitik für die Dissonanzen in der Ampel-Koalition verantwortlich gemacht wird. Gerne gemischt mit Spott, zuweilen auch mit spürbarer Verachtung für den liberalen Parteivorsitzenden.

ARD-Chefs sind Glückskinder. Wenn sie ein ganz klein wenig klüger mit dem Geld umgehen, wenn sie ein bisserl reformieren, Kreativität und Innovationsbereitschaft zeigen, dann wird kaum jemand an diesem gigantischen Medien-System rütteln, das längst seine Position im westlichen Kulturkampf bezogen hat und äußerst wirkungsvoll agiert. Die Katholiken bei den Grünen, sofern es solche gibt, zünden vermutlich jeden Morgen eine Kerze für das Wohlergehen der „dialog-fähigen“ ARD-Chefs an.

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