Tichys Einblick
"Spiegel"-Kampagne

„Der Spiegel“ entlarvt sich selbst – aber merkt das noch jemand? 

Mit einer Kampagne „Nie aufhören zu hinterfragen“ möchte der „Spiegel“ die „Relevanz von unabhängigem und kritischem Journalismus“ verdeutlichen. Doch der Propaganda-Charakter und die Fragwürdigkeit der meisten Behauptungen ist unübersehbar.

IMAGO / Manfred Segerer

In seiner Werbekampagne „Nie aufhören zu hinterfragen“ behauptet der Spiegel, es gehe dem Magazin um die „Relevanz von unabhängigem und kritischem Journalismus“. Doch jedem halbwegs gebildeten, kritischen Betrachter erschließt sich sofort der Propaganda-Charakter der Motive und Videos. Aber offensichtlich sind die schlichten, mehr als fragwürdigen PR-Botschaften heute in Deutschland gar kein Hindernis mehr für die Akzeptanz – Verlogenheit und Realitätsverweigerung haben blendende Erfolgsaussichten. Solange nur das Narrativ des bösen Kapitalismus, des ausufernden Rassismus oder der drohenden Klimakatastrophe stimmt.

Im Zentrum der crossmedialen Spiegel-Kampagne stehen plakative Thesen und kurze Video-Clips zum Thema Hunger, Klimawandel, Gleichberechtigung der Frauen, Krieg in der Ukraine, „soziale Gerechtigkeit“ und Migration. Angeblich ignoranten, reaktionären oder „rechten“ Parolen („Zuwanderung macht unser Land kaputt“ oder „Wer viel arbeitet, verdient auch viel“) werden nicht ungeschickt dramatische Fotos oder Videos gegenübergestellt. 

Der gezielte Kontrast zwischen These und Bildern soll demonstrieren, wie es wirklich ist. „Zusammenhänge in all ihrer Komplexität aufzuzeigen“ lautet der Anspruch. Wie grotesk ist es dann, mit dem Foto der erfolgreichen Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin die Kritik an einer unkontrollierten Massenzuwanderung zu konterkarieren? 

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„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Wie billig ist es, mit einem Bild des Milliardärs Elon Musk und von überlasteten Pflegekräften den Mangel an „sozialer Gerechtigkeit“ zu beklagen. Ist das Foto eines im Mülleimer suchenden Mannes wirklich ein Argument gegen die angeblich falsche These „In Deutschland muss niemand hungern“? Als ob es in dem Land mit dem relativ höchsten Sozialetat in der Welt wirklich verbreitet Hunger gäbe. 

Weder krepieren die Eisbären wegen des Klimawandels, noch hat die Vernichtung von Lebensmitteln in Deutschland viel mit dem Hunger in der Welt zu tun – aber genau das suggerieren die krassen Fotos und Filmchen des Spiegel. Auch gibt es kaum jemanden in Deutschland, der die Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte ablehnt. 

Und wer muss in dieser aufgeklärten Welt noch lernen, dass Frauen Männern grundsätzlich ebenbürtig sind – wobei die vom Spiegel gezeigten Beleg-Fotos von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Außenministerin Annalena Baerbock wohl eher den Frauenverächtern in die Hände spielen. 

PR-Kampagne für den Haltungs-Journalismus

Die Kampagne des „Sturmgeschützes der Demokratie“, wie Spiegel-Gründer Rudolf Augstein sein Magazin nannte, ist bei genauem Hinsehen nichts anderes als eine emotionale PR-Kampagne mit billigen Klischees und verlogenen Thesen für eine links-grüne Weltsicht. Der Haltungsjournalismus rechtfertigt sich mit schlichten, links-populistischen Botschaften.  

Relotius reloaded?
„Spiegel“ steht unter Druck: Berichte über angeblich totes Flüchtlingskind „Maria“
Der Spiegel scheint aus dem Mega-Skandal um den Geschichtenerfinder Claas-Hendrik Relotius 2018 wenig gelernt zu haben. Dieser hatte über Jahre hoch emotionale Geschichten über Elend, Ausbeutung, Rassismus und Unterdrückung veröffentlicht, von denen wesentliche Teile reine Erfindung waren. Diese Woche musste das Magazin erneut vier Geschichten aus dem Herbst über den angeblich dramatischen Tod eines Flüchtlingskindes namens Maria im türkisch-griechischen Grenzgebiet zurückziehen. 

Denn vieles spricht dafür, dass die Fünfjährige eine Erfindung findiger Flüchtlings-Organisationen ist. Der Spiegel-Reporter griff die rührselige Story jedenfalls bereitwillig auf und interviewte mit großer Naivität die angeblichen Eltern. Diesem erneuten, erschreckenden Journalismus-Versagen beim Spiegel widmeten andere Medien allerdings nur recht begrenzt Aufmerksamkeit; der Korpsgeist deutscher Leitmedien scheint größer als die Empörung über das erneute Versagen eines ihrer Aushängeschilder. 

Man muss dem Spiegel zu Gute halten, dass nach dem Relotius-Desaster hausinterne Kontrollmechanismen verstärkt wurden; auch gibt es im Blatt immer wieder Kolumnen, in denen das ansonsten dominierende links-grüne Weltbild in Frage gestellt wird. 

Angela Merkel – eine „Königin“

Aber wes Geistes Kind das einflussreiche Magazin nach wie vor ist, zeigt auch die jüngste Titelgeschichte von Alexander Osang über Angela Merkel. „Die Königin im Exil“ ist der Titel einer überaus wohlwollenden Geschichte über eine Politikerin, die maßgeblich die Gas-Abhängigkeit Deutschlands von Russland, den Ausstieg aus der Atomenergie oder die weltweit einzigartige Masseneinwanderung zu verantworten hat. Osang hatte sich schon bei dem ersten öffentlichen Interview Merkels im Juni in Berlin mehr als ein freundlicher Stichwortgeber denn als kritischer Journalist erwiesen. 

Die jüngste Werbe-Kampagne des Spiegel belegt, dass in den Redaktionsräumen des Hamburger Magazins nach wie vor der Wind des Zeitgeists weht. Divers und woke, antikapitalistisch und globalistisch, die Angst vor der Klimakatastrophe schürend, den starken Staat preisend, linke und grüne Ideologien verbreitend, gegen alles opponieren, was irgendwie „rechts“, was konservativ und traditionell ist. Die Haltung ist klar und simpel – so wie die ganze Kampagne. 

Realität könnte Sehnsucht nach Orientierung stören

Wirklich erschreckend scheint dabei die wohl begründete Hoffnung der Spiegel-Macher, mit dieser Kampagne beim Publikum punkten zu können. Die Bereitschaft, plumpe Ideologie als Realität zu begrüßen, scheint heute in unserem Land enorm groß zu sein. Es gibt offenbar eine große Sehnsucht nach einer rundum erklärten Welt, einer Erzählung von Gegenwartsgeschichte, die irgendwie Sinn und Orientierung gibt. 

Das würde erklären, warum auch das Intellektuellen-Blatt Die Zeit mit einer seit Jahren grünen, antikapitalistischen und diversen Einseitigkeit immer neue Auflagenerfolge verzeichnen kann. Auch das weit verbreitete Vertrauen vieler in die öffentlich-rechtlichen Medien hat einen solchen Hintergrund. Niemand sollte sich etwas vormachen: die Kritik an ARD und ZDF richtet sich in erster Linie gegen die maßlose Verschwendung von Gebühreneinnahmen und extrem hohe Gehälter in den Chefetagen – nicht unbedingt gegen die stromlinienförmige grün-linke Weltsicht der öffentlich-rechtlichen Journalisten. 

Sündenbock statt Selbstkritik
Weshalb DER SPIEGEL nichts lernen wird
Die fragwürdige Fähigkeit in den Leitmedien des Landes, Realitäten und schlichte Erkenntnisse häufig zu verdrängen oder zu ignorieren, wäre auch eine Erklärung, warum die links-links-grüne Koalition in Berlin trotz offensichtlichen Versagens und chaotischer Zustände in der Stadt völlig gelassen der baldigen Neuwahl entgegensehen kann. Der Wähler scheint nicht auf die Missstände und Fehlentwicklungen in Deutschland zu reagieren. 

Allein die Stimmen der AfD und die der Nichtwähler signalisieren den Zorn einer Minderheit, wenngleich einer ziemlich großen. Ansonsten werden die Verantwortlichen für die Nöte der Energieversorgung, der Schulen und des Gesundheitswesens, für die Entstehung von Parallelgesellschaften und verwahrlosten City-Quartieren, für ineffiziente Behörden, hohe Steuern oder wachsender Inflation wieder und wieder bestätigt und gewählt. Hinter diesem Phänomen steckt eine Frage mit enormer Bedeutung und Sprengkraft: Haben Erkenntnisse und Wahrheiten derzeit noch eine politische Relevanz? 

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