Tichys Einblick
Alle außer Deutschland sind ignorant

Bei Illner spielen sie einfach immer weiter: „Von Versagen kann man doch wirklich nicht sprechen“

Die CDU will es mal wieder nicht gewesen sein. Es sind zwar Fehler gemacht worden, aber keine konkreten. Ohnehin müssen wir jetzt ganz dringend nach vorne schauen. Keine Einsicht ist immerhin besser als gar keine Einsicht.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Überraschung, bei Illner sind sich fast alle einig: wir haben viel falsch gemacht. Und was haben wir genau falsch gemacht? Eigentlich gar nichts. Das quer zum Sendungsinhalt stehende Motto: „Priorisieren statt improvisieren – warum scheitern die Deutschen?“.

Ganz an der Spitze der Nicht-Kritik war Anna Kenschull von den Grünen, Landrätin des Landkreises Osnabrück. Nicht nur, dass ihr Eröffnungsstatement abgelesen, oder zumindest auswendig gelernt klang, auch der Inhalt war – naja. Ein bisschen wie die drei Affen: von tatsächlichen Problemen, will sie weder was gesehen, noch was gehört haben. Nur an den dritten Affen, der dann auch wenigstens schweigt, hält sie sich leider nicht.

Heft 03-2021
Tichys Einblick 03-2021: Es reicht.
Und so kommen dann viele solcher Sätze zustande wie: „Wir sollten nicht zu sehr schimpfen, weder auf unsere Politik, noch auf unsere Bürger. Einen Schuldigen zu suchen, muss nicht unbedingt das richtige Mittel sein.“ Ihrer Meinung nach, sollte man nicht so sehr auf die Fehler der anderen achten – außer auf die von Amerika, denn das sind böse Egoisten – und nach vorne blicken, „wir verzetteln uns im Zurückschauen.“ Geht es nur mir so, oder macht der penetrante Appell, jetzt unbedingt nach vorne zu schauen, neugierig? Wer hat was zu verbergen?

Thorsten Frei, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war in ähnlicher Mission wie seine grüne Kollegin unterwegs. Dass es beim Impfen solche Probleme gab, bedauert er, denn: „Jeder Geimpfter ist ein Guter“. Aber „von Versagen kann man nicht sprechen“! Schließlich sind bei uns weniger Menschen gestorben als in anderen Ländern. Er wirft mit Todeszahlen um sich, nutzt sie für seine Zwecke – etwas pietätlos, wenn Sie mich fragen. Muss man sich wirklich damit brüsten, dass in Amerika mehr Menschen gestorben sind? Dass dort mehr, sehr viel Menschen leben und deshalb auch mehr sterben, das hat man vergessen Herrn Frei mitzugeben; und so zerplatzt der Luftballon der merkelschen Überlegenheit und entläßt keine gute Luft.

Noch dazu wagt er es doch tatsächlich, zum Thema Wirtschaft zu erwähnen, dass die Insolvenzen im Jahr 2020 ca. 15% niedriger waren als im Jahr zuvor. Dass die Insolvenzmeldepflicht im Jahr 2020 ausgesetzt wurde, „vergisst“ er wohl zu erwähnen. Auch den Erfolg der Coronahilfen misst er daran, wie viel Geld der Staat insgesamt ausgezahlt hat. Die ewigen Verzögerungen? Egal. Wenn man ähnliche Relativierungen auch bei den Corona-Todeszahlen angewandt hätte …

Die Backstreet Boys lieben alle ihre Fans

Nicht mehr im Amt, aber trotzdem groß im Phrasendreschen war der ehemalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Der sah sich selbst wohl als den ganz großen Macher, denn Sigi der Baumeister betonte mehrmals ganz ausdrücklich und poetisch, dass die Politik ein Handwerk sei. Dass beim Handwerkeln auch mal Fehler passieren, sei unvermeidbar. Und so verteidigt auch er mit ein klein bisschen Scheinkritik seine Baumeisterkollegen, die wieder alles verbaut haben.

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Er brachte dafür eine Kritik an den Impfchampions an, die sich in der gestrigen Sendung noch oft wiederholt hat. Denn Amerika mag zwar die eigenen Bürger ganz toll geimpft haben, aber wie asozial ist es bitte, nicht zu teilen? Für die Kritik ist Deutschland natürlich in der richtigen Position – wo wir doch nicht mal die eigenen Bürger geimpft kriegen, soll an unserem Wesen schon gleich wieder die ganze Welt genesen. Aber es ist natürlich Amerika, das überheblich ist.

Nicht nur USA-Kritik, auch das Auslassen über die letzten CDU-Skandale durfte nicht fehlen. Kenschull führte aus, dass alles, woran sie in der Pandemie denken konnte, die Frage war: Wo kann ich noch mehr helfen? Frei behauptete, dass er gar nicht so sehr die möglichen Auswirkungen auf die nächsten Wahlen bedauere, sondern vielmehr das verloren gegangene Vetrauen.

Ja ja, wer’s glaubt, wird selig. Das sind die Art von Sätze, vor denen meine Eltern mich immer gewarnt haben. Genauso hätten sie auch sagen können: „Ich bin gar nicht an deinem Körper interessiert! Wir kennen uns zwar erst seit zwei Stunden, aber ich spüre da diese Verbindung zwischen uns“. Wer sowas glaubt, glaubt auch, dass die Typen aus den Boybands allesamt unsterblich verliebt in jeden einzelnen ihrer Groupies sind. Aber wenigstens waren die Backstreet Boys bei solchen Phrasen noch nett anzusehen.

Der einzige Placebokritiker war eher ein Reinfall – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Ralf Moeller, ein mir gänzlich unbekannter, aber laut Illner weltberühmter Schauspieler, war auch für ein paar Minuten dabei. Es schien sehr improvisiert zu sein, denn seine Kulisse glich einer Abstellkammer und er war wohl sehr notdürftig mit dem Handy zugeschaltet. Das würde zumindest erklären, warum seine Kamera ständig umfiel.

Und so spielt man sein Spiel einfach immer weiter. Bei Illner wird man’s ja wohl noch sagen dürfen, im Großen und Ganzen sind wir in allem die besten.

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