Tichys Einblick
„Moralische Impfpflicht“

Das Kimmich-Tribunal bei Illner: Mannschaftsärzte sollten sich ihn „schnappen“

Die Kaste der Allwissenden und Moralpächter ist sich bei Illner einig: Kimmich muss seine Impf-Entscheidung überdenken. Fakten sind eher Nebensache, bei einem abgehalfterten Moderator scheint auch ein wenig Neid im Spiel.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Die große deutsche Toleranz hält heutzutage nicht mal mehr persönliche Entscheidungen aus, die jemand ganz für sich alleine trifft. Denn sind wir mal ehrlich: Die Leute, die sich jetzt angeblich so bedroht fühlen durch Kimmich, werden nie dieselbe Luft atmen wie er. Ein so brisantes Thema kann Illner sich jedenfalls natürlich nicht durch die Lappen gehen lassen – zumal sie nie eine Gelegenheit auslässt, eine Corona-Sendung zu machen. Seit die Kimmich-Interviewsequenz bei Sky zu seinem Impfstatus in der Öffentlichkeit eingeschlagen ist, hat niemand mehr nicht über ihn gesprochen.

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Boris Palmer ist am Donnerstagabend bei Illner zu Gast. Er sagt, dass Kimmich „nicht recht“ habe. Allerdings fügt Palmer noch hinzu: „Man kann nicht wissen, was in fünf Jahren ist“. So viel Einsicht hatte Peter Tschentscher nicht. Auch er sagt klipp und klar, dass Kimmich unrecht habe. Haut dann aber noch hinterher, was viele Kritiker seiner Entscheidung in den letzten Tagen beklagt haben: nämlich, dass Kimmich falsch beraten werde. Dabei sei „aus der Sicht der besten Experten“ doch eindeutig, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass es noch Nebenwirkungen geben wird. Wer er denn ist, dass er Experten, die ganz zufällig auch seiner eigenen Meinung sind, als „die besten“ bezeichnet, erklärt er allerdings nicht.
„Von Verwirrung bis hin zu Falschinformationen“

Alena Buyx geht noch weiter: Sie spricht von einer „moralischen Impfpflicht“, unabhängig von der Gesetzeslage. Ihr scheint ihr Corona-Ruhm langsam zu Kopfe zu steigen, jedenfalls hat Frau Buyx offenbar immer mehr das Gefühl, sie könne an den normalen Gesetzgebungsverfahren vorbei eine Art Herrschaft der von ihr beschlossenen Moral etablieren, sie ist ja schließlich vom Ethikrat. Allerdings legt Frau Buyx auch ein wenig gnadenvolles Verständnis für Ungeimpfte an den Tag; schließlich würden deren Gründe ja „von Verwirrung bis hin zu Falschinformationen“ reichen.

Mit von der Partie war auch Endlos-Moderator Johannes B. Kerner. Auch er ist sich bei Kimmich sicher: „Er hat falsch argumentiert.“ Aber er geht auch noch weiter: „Die Mannschaftärzte von FC Bayern sollten sich den Kimmich morgen mal schnappen“, findet er. Denn sollten ihn seine Ärzte zu dieser Enschätzung so beraten haben, wäre das fatal, stellt er in seiner Qualitifikation als Sport- und Gedönsmoderator fest.
Es schien fast, als wäre er etwas neidisch, dass sich alle für Kimmichs Impfstatus interessieren und niemand für den von Kerner – obwohl er doch so brav war!

Klar kann man so etwas immer leicht sagen. Aber ich glaube: Manchmal stimmt es. Jeder Virologe, Arzt und Politiker war mal in der Schule und dort tendenziell der Nerd mit der Hornbrille und nicht der coole Draufgänger. Und jeder von ihnen hatte da diesen Jungen in der Klasse, der total gut im Fußball war, gut aussah und sich die ganzen Mädchen gekrallt hat. Womöglich war der dann auch noch arrogant und hat sie geschubst, obwohl sie Joghurt im Rucksack hatten. Jetzt sehen viele die Möglichkeit der nachträglichen Rache an diesem Fußballer, der in ihrer Vorstellung zwar sportlich sein mag, aber eben auch total dumm und primitiv und den ganzen Ruhm überhaupt nicht verdient hat.

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Interessant war, dass die „Vernünftigeren“ in der Sendung am Donnerstag die waren, die nicht im Elfenbeinturm sitzen, sondern im täglichen Austausch mit dem Pöbel stehen. Das sind Jonas Schmidt-Chanasit, der selbst einmal Impfarzt war, und die Hausärztin Sibylle Katzenstein, die zurzeit schon Hunderte Patienten gegen Corona geimpft hat und immer noch impft. Beide haben keine Sätze gesagt, wie „Kimmich hat unrecht“. Sondern sie sind auf ganz andere Themen eingegangen. Dr. Katzenstein merkte zum ersten Mal an, dass es ja auch in erster Linie um Vertrauen geht – und dass man das nicht herstellen kann, wenn man jemanden zu etwas drängt und ihm das Gefühl gibt, verurteilt zu werden. Schade, dass das einem Mitglied des Ethikrates nicht eingefallen ist. Schmidt-Chanasit weist daraufhin, dass die Debatte von dem eigentlich relevanten Impfthema ablenkt: „Es ist nicht problematisch, wenn ein sehr gesunder Fußballer sich nicht impfen lässt.“ Ihm geht es mehr darum, dass die Alten eine Booster-Impfung bekommen können, wenn sie die brauchen.

Am Ende des Tages will ich nicht festlegen, was meiner Meinung nach die richtige Entscheidung für Kimmich wäre. Das entscheide ich für mich persönlich. Ich hoffe nur, dass er sich nicht zu einer Entscheidung drängen lässt, die gar nicht seinen Überzeugungen entspricht. Denn in einem Land, in dem man keine vollständig freie Entscheidung über seinen Körper mehr treffen kann, kann und möchte ich nicht gut und gerne leben.

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