Tichys Einblick
Italiens Crashkurs – Europas neue Krise?

Bei Illner: Italiens Ökonomie – Bello e impossibile

Maybrit Illner schwört uns schon mal auf Spenden für Italien ein. Als dramaturgisches Mittel durfte sogar Bernd Lucke mitspielen ...

Ein bisschen tappten wir zu Beginn noch im Dunkeln über den Sinn und Zweck dieser Sendung. Sollten wir darauf vorbereitet werden, dass demnächst zig Milliarden deutsche Euros nach Italien blitzüberwiesen werden, wie Merkel schon ankündigte, „mit Rückzahlung in relativ kurzer Zeit“? (Hat übrigens keiner gelacht im humorlosen deutschen Bundestag!) Und wurde der alte Euromeckerer Lucke aus der Versenkung des EU-Parlaments geholt, weil die AfD gerade wieder unter Entrüstungsboykott steht, und es ansonsten ja keinerlei Opposition zum Thema gibt?

Sehr wahrscheinlich, denn für eine ergebnisoffene Diskussion über das Thema „Was ist nur mit Italien los?“ fehlte der ökonomische Sachverstand. Da durfte Ulrike Guérot, aus manchen Talkshows bekannte EU-Aktivistin mit Professorentitel, im Stakkato die Europäische Republik auf Deutschlands Kosten hochleben lassen. Paul Ziemiak hat sich nach abgebrochenem Jurastudium und einigen Flegeljahren als JU-Vorsitzender kommod im Bundestag eingerichtet und studiert jetzt eifrig Merkelianismus – bei Merkel. Nur Finanzen sind nicht ihr Thema, deshalb hat sie diesen Ministerposten gerne den Spezialdemokraten geschenkt. Also gab sich Olaf Scholz die Ehre, der Fachanwalt für Arbeitsrecht und derzeitige Finanz-Amtsträger hatte als kompetentesten Satz diesen hier parat: „Ich sehe darauf, dass die Realität für jede Regierung Basis ihres Handelns ist“ (wobei ihn schon seine Wortlosigkeit beim Gegurke seiner eigenen Regierung Lügen strafte). Weil sich die pfiffigen Redakteure dachten, es wäre vielleicht ganz passend, zur Sendung über Italien ihren Lieblingsitaliener einzuladen, saß „Zeit“-Chef und Kommunikationswirt Giovanni di Lorenzo ebenfalls am Tisch.

Die Stunde der Wahrheit für den Euro?
Italien als Achillesferse der Eurozone
Der einzige Ökonom, Bernd Lucke, einstiger Gründer der AfD, jetzt LKR, glaubte wohl lange Zeit, nun sei seine Stunde gekommen, die Stunde der Rehabilitation. Wir erinnern uns an ein Lucke-Zitat von 2013: „Es ist in der Tat sehr verletzend, wenn unsere Gegner uns in die Nähe des Rechtsradikalismus zu rücken versuchen. Wir setzen uns kritisch mit dem Euro auseinander. Was ist daran rechts?“ Und in der Tat, Illner umgarnte den vor wenigen Jahren noch als Nazi beschrieenen Professor, verlangte, dass man ihn aussprechen ließe, fragte eigentlich nur ihn, wenn es um Finanzen ging. Und der Professor biss freudig an und dozierte: Italien sei seit 1999 nicht mehr gewachsen. Das Land leide unter Stagnation, Schulden, Arbeitslosigkeit. Daran sei der Euro maßgeblich Schuld. Denn Mafia und Korruption habe es da immer gegeben. Lucke freut sich durchaus, dass in Italien nun Euro-Kritiker am Ruder sind, die geben ihm schließlich Recht mit dem, was er immer schon gesagt habe. Und weil weniger Arbeiten und gleichzeitig Steuern senken nicht geht, bliebe nur Staatsbankrott (wobei Deutschland der Gelackmeierte wäre) oder Erpressung mit Italiens Ausstieg aus dem Euro. Was übrigens für das Land die beste Lösung sei. (Eine Einschätzung, die in den letzten Tagen auch Analysten von JP Morgan äußerten). Hat nicht der neue italienische EU-Minister genau das als Plan B verkündet?

Wahrscheinlich hat Lucke erst am Ende gemerkt, dass er nur Mittel zum Zweck war,
obwohl er den Teufel an die Wand malen durfte. Das Schema ist das gleiche wie bei der Griechenland-Rettung oder dem Flüchtlingsdesaster: Die AfD (oder nun Außenseiter Lucke) schimpft, klärt auf, warnt, und eine Phalanx von Beschwichtigern, verharmlost, wiegelt ab, bestreitet und bekämpft die Warner statt die Probleme.

Professorin Ulrike rief euphorisiert nach noch mehr EU, Fiskalunion, Politunion, Bankenunion, Schuldenunion. Die Lage in Italien interessierte sie nur in so fern, als dass „der Euro natürlich nicht funktionieren kann, weil „wir“ alles blockieren“. „Mutig“ sei hingegen der Investmentbanker Macron. Weil er mit deutschem Geld ins Kasino gehen will? In Italien kennt Ulrike nicht mal die Regierungspartei Cinque Stelle. Mal nannte sie die Cinque Stella, dann Cinque Stello.

Wendemarke
Die normative Kraft des Faktischen: Zur Lage in Italien
Paul war pflichtgemäß mit Olaf einer Meinung, die Probleme haben mit dem Euro nichts zu tun. Nun müssen wir Olaf sogar in Schutz nehmen. Stellen Sie sich mal vor, der Mann hätte die Wahrheit gesagt! Was dann los wäre in Europa. Man müsste sich allerdings fragen, warum er dann überhaupt da saß, wo er nichts sagen darf in seiner Position, hätte er nicht seine einzige, wahre Kompetenz unter Beweis gestellt: Lucke mit gespieltem spezialdemokratischen Zorn und ohne Argumente anzugreifen. „Sie handeln verantwortungslos, wenn sie eine Krise herbeireden“.

Da beeilte sich der wankelmütige Italiener Giovanni klarzustellen: Habe ich doch gar nicht. Hatte er allerdings zuvor doch. Zur Sache wusste di Lorenzo eh wenig beizutragen, dafür brachte er Anekdoten wie, dass Italien eine europäische Zukunftswerkstatt sei. Es habe den Faschismus erfunden, Berlusconi sei die Blaupause für Donald und die Rechtsbeugung habe das Land auch vorgemacht. Da könnte Merkel allerdings streng widersprechen.

Weil die Plaudertaschen auch gemeinsam doch etwas wenig ökonomisches Gewicht auf die Waage bringen, hatte Illner noch den Berliner Professor Sebastian Dullien in der Hinterhand. Der von der linken taz bis zur linken Frankfurter Rundschau geschätzte Ökonom durfte als Anti-Lucke zuerst beschwichtigen und dann eine „Versicherung der Staaten untereinander“ ins Spiel bringen. Ausgerechnet bei Markus Lanz im Anschluss kamen dann durch Professor Hans-Werner Sinn mal ein paar Fakten auf den Tisch. Es wird teuer, Freunde!