Tichys Einblick
Geht die Groko im Osten unter?

Bei Illner: Die Groko sagt leise „Servus“

Da säßen bei der Kandidatenkür durch 23 Veranstaltungen dann wohl mehr auf dem Podium als im Saal, scherzte Illner. Lauterbach findet es besser, wenn die Kandidaten zu den Delegierten reisen als viele Tausend Delegierte nach Berlin. „Schon wegen Klima!“ Und so langsam begann die grellgrüne Fliege, für die sich Lauterbach heute entschieden hat, Sinn zu machen.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Aus ihrem Thema „SPD ohne Führung, CDU ohne Richtung – geht die GroKo im Osten unter?“ hätte Maybrit Illner, wenn sie es denn ernst meinte, mindestens drei Sendungen machen müssen. Mindestens, schließlich hocken schon 17 Kandidaten (m/w/d) auf der toten SPD-Kiste. Weil also die Überschrift keinen Aufschluss über die Illnerschen didaktischen Absichten versprach, und sie zudem ihrem eigenen Lehrsatz „Eine TV-Talkshow ohne Grüne ist machbar, aber sinnlos“ widersprach, bleibt uns nichts anderes übrig, als anhand der Gäste ihre Agenda herauszuklamüsern.

Das ist gar nicht so leicht. Warum, beispielsweise, hat sie ausgerechnet Karl „die Fliege“ Lauterbach – einen der „Spitzen“-Kandidaten der SPD-Chefsuche – eingeladen? Allein, ohne seine Quoten-Kollegin, der ein TV-Auftritt sicherlich gut getan hätte? So bleibt der Eindruck, die jeweilige Damenbegleitung der SPD-Kandidaten ist lediglich ein Accessoire wie Fliege oder Dreitagebart.

Karl „die Fliege“ Lauterbach nutzte die dargebotene Chance, um sich mal nicht als fiese Möpp, sondern als integrations- und cheffähig zu inszenieren. Man dürfe sich nicht freuen, wenn’s mal beim Partner (zu Beginn der Sendung ging es um Annegret Kramp-Karrenbauer) nicht so gut läuft, mahnte er, denn „unter jedem Fehler der CDU leidet auch die SPD – und umgekehrt“.

Da säßen bei der Kandidatenkür durch 23 Veranstaltungen dann wohl mehr auf dem Podium als im Saal, scherzte Illner, aber Lauterbach findet es besser, wenn die Kandidaten zu den Delegierten reisen als viele Tausend Delegierte nach Berlin. „Schon wegen Klima!“ Und so langsam begann die grellgrüne Fliege, für die sich Lauterbach heute entschieden hat, Sinn zu machen.

Paul Ziemiak schlägt sich wacker für Annegret Kramp-Karrenbauer, der er seinen Job als Generalsekretär verdankt, und er hat das „gerade nochmal getweetet“, auch Hans-Georg Maaßen, der „Rechtsaußen“ (ZDF), gehöre zur Partei, die Platz für alles habe, was aufs Grundsatzportal passt. Aber um die CDU geht es eigentlich gar nicht mehr, sondern darum, was nach Maybrit Illner zusammengehört: Rot-Rot und Grün.

Jana Hensel, qua Geburt Expertin für Ostbefindlichkeiten und Autorin der grün zugeneigten „Die Zeit“, kam nur langsam in die Gänge, denn sie hat die Entsorgung von Andrea Nahles „noch nicht verdaut“. Dass die SPD-Kandidaten nun im Doppelpack antreten, versöhnt sie etwas mit den Umständen. Interessanterweise fragt sie nicht, warum Karl Lauterbach als Solist zugegen ist.

Richard David Precht hat als Fühlosoph und Autor eines Buches mit der brillanten Zeile „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele“ natürlich einen Ruf zu verlieren. Zunächst nimmt er AKK in Schutz, indem er deren Kritikern, die „die Frau für Kleinigkeiten zerlegen“ einen Spruch aus seinem Aphorismen-Büchlein an den Kopf warf: „Wer über alles den Verstand verliert, hat bald keinen mehr.“ Dann geißelt er die Paarlauf-Veranstaltung der SPD als „Let’s Dance“-Castingshow, aus der die Kandidaten nur schwer beschädigt herauskommen könnten.

„Man stelle sich das mal vor: Mein Name ist Helmut Schmidt, meine Hobbys sind Rauchen und Weltpolitik.“ Damit ist alles, und trefflich, gesagt.

Nein, nein, so gehe das nicht, so Precht, da sei „kein Charismatiker, kein Einziger für die Seele“ unterwegs. Moooment! sagte da der Lauterbach. Bei allem Respekt sei Helmut Schmidt nie die Seele der Partei gewesen, und außerdem: „Viele, gerade die Frauen, haben Charisma!“ Das darf man wohl als komödiantischen Höhepunkt der Sendung bezeichnen, und es bleibt erneut die Frage, warum dann keine charismatische Frau, sondern Karl Lauterbach am Tische saß, weiter unbeantwortet.

Aber jetzt mal Tacheles. Nikolaus Blome, Vize bei der Bild-Zeitung, will seine Groko-Zeile, etwa: Im Dezember ist alles aus.

„Sie haben Recht, die GroKo-Bereitschaft bei der SPD ist extrem niedrig“, folgt als erster Lauterbach, der eh mit Rot und Grün regieren will. „Die Leute wollen die Form Groko nicht haben“, insistiert Blome, und Ziemiak und Lauterbach nicken endlich gemeinsam.

Zehn, zwölf Jahre habe die Groko „erfolgreich regiert“, behauptet wider besseres Wissen der Politikchef von Bild, „aber dann ist etwas abgebrochen.“ Er phantasiert von einem Ermüdungsfaktor, erwähnt sogar den Amoklauf der Klimawandlerin Merkel mit ihrer Energiewende, und dass die Rente bereits zu einem Drittel über die Steuern finanziert werden müsse, aber den großen Elefanten, den sieht er nicht.

Der Höflichkeit halber muss der Pädagoge und Professor Karl-Rudolf Korte aus Duisburg, dem Denkzentrum des Homeland NRW, kurz eingefügt werden, der, kaum dass er nach seiner Vorstellung „Guten Abend“ sagte, den größten Beifall des heute ein wenig verwirrten Publikums bekam. Das war allerdings auch das einzige Erwähnenswerte vom Professor.

Nun muss noch der Osten abgehakt werden. Wie er es mit der „Linken“ halte, will Jana Hensel von Paul Ziemiak wissen. Mit denen will er nicht. Blome kann nicht verstehen, „dass 30 Jahre danach“ 25 % die Linken wählen. Lauterbach macht ein bisschen Last-Minute-Wahlkampf, erzählt, es gebe in den Ostländern keine Hausärzte, keine Polikliniken, keine Fachärzte, dafür Pflegenotstand. „Ich fühle das.“

Wenn er durch manche Westländer führe, würde er wohl ähnliches fühlen, trotz oder wegen ewiger SPD-Herrschaft. Und Paul Ziemiak kontert, unter Lobgesängen für den CDU-Kandidaten in Sachsen, Michael Kretschmer, von der Erfolgsgeschichte Sachsen und dann bringt er, wohl gegen vorherige Absprachen, die Migration auf den Tisch, und die beklagte mangelnde Handlungsfähigkeit des Staates. Und die der Medien.

„Fahren Sie doch mal hin“, sagt er zu Lauterbach, aber der war ja schon da und hat davon gar nichts mitbekommen. Er meint, die Ossis fühlen sich von Haus aus abgehängt. Da darf Jana Hensel noch etwas Gefühliges und Philosophisches sagen „Die Vergangenheit muss lange genug her sein, um Gegenwart zu werden.“ Das hat uns dann so beeindruckt, dass wir nicht sicher sind, ob Jana Hensel tatsächlich gesagt hat, dass man mit AfDlern inzwischen sogar vernünftig reden könne, oder ob wir uns verhört haben.

Der echte Philosoph, Precht, forderte dann ein Ende der Politik der kleinen Schritte von den Parteien, die bloß keine Experimente wollten. Da müssen wir allerdings scharf widersprechen: Das größte Experiment der letzten Jahrzehnte, mal eben ein paar Millionen Kostgänger einzuladen, dürfte uns noch lange genug in den Knochen stecken.

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