Tichys Einblick
Zur letzten Sendung ein Feuerwerk

Bei Illner darf Lauterbach böllern

Bei Illner kommt man weitestgehend ohne Widersprüche aus, langweilig wird es trotzdem nicht. Lauterbach drückt so aufs Gas, dass es einen in den Sitz presst. Pures Entertainment.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Letzte Woche war Karl Lauterbach bei Lanz zu Besuch – damals für alle Illner-Zuschauer noch Grund zur Schadenfreude. Schon damals haben uns viele gewarnt. Hochmut kommt vor dem Fall und kleine Sünden bestraft der liebe Gott ja bekanntlich sofort. Das ist wohl der Grund, warum die Illner-Redaktion am Mittwoch prompt bekannt gab, dass uns diesen Donnerstag nicht nur Karl Lauterbach, sondern obendrein auch noch Markus Söder beehren würden. Kurz vor der Sendung muss der gute Herr im Himmel aber eingesehen haben, dass die Strafe dann doch ein bisschen zu drakonisch wäre. So wurde am Donnerstagabend Markus Söder gegen Tobias Hans getauscht und Karl Lauterbach konnte der alleinige Star werden.

Heft 01-2021
Tichys Einblick 01-2021: Wer schützt unsere Demokratie vor Corona?
Aber handeln wir erst einmal die anderen Gäste ab. Zuerst einmal war, wie schon angesprochen, der Ministerpräsident des Saarlands Tobias Hans (CDU) mit im Studio. Er ließ sich nicht davon beirren, die zweite Wahl zu sein, und zog die für Politiker so üblicher Chamäleon-Masche ab. Und so sprang er zwischen den Emotionen hin und her, war eifrig dabei sich anzupassen. Zu Beginn zeigte er sich überglücklich – ja schon gerührt – über den Impfstoff. Fast läuft ihm dabei eine patriotische Freudenträne aus dem Auge. Dann – nachdem der pessimistische Lauterbach mehrmals zu Wort kam – wurde er ernst. Er erklärte, dass er „keine Chance“ sieht, dass der Lockdown tatsächlich am 10. Januar schon vorbei sein wird.

Gegenüber von unserem Verwandlungskünstler hatte sich der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit eingefunden, ein sehr häufiger Gast bei Illner. Er ist mit seiner Meinung zwar Mainstream, aber harmlos. Wichtiger ist es, eine Dame vorzustellen, die in der gestrigen Aufführung leider nur eine Nebenrolle gespielt hat.

Ich rede von Lisa Federle, der Ärztin, Initiatorin der „Tübinger Corona-Teststrategie“, Präsidentin des DRK-Kreisverbands und Pandemiebeauftragte des Landkreises Tübingen (wo Boris Palmer Oberbürgermeister ist). Sie hatte einen sehr kurzen Auftritt, in dem sie erklärte, wie es zu dem Tübinger Erfolgsrezept gekommen ist. Aktuell haben sie nur acht Personen auf der Intensivstation und unter zehn Prozent der über 65-Jährigen sind mit Corona infiziert.

Das hat Tübingen aber nicht geschafft, indem sie alle über einen Kamm scheren und jeden mit Stubenarrest zu Hause zu lassen. Sie konzentrieren sich vor allem auf den Schutz der Alten. Dabei heißt es testen, testen, testen – vor allem zu den Weihnachtstagen. Denn Lisa Federle sagt klip und klar: keiner sollte zu Weihnachten alleine sein. Und deshalb testet sie die Angehörigen der Risikogruppen, damit die sicher und möglichst risikofrei Besuch bekommen können. Das ist ihr wichtig, den für viele könnte dieses Weihnachten ihr Letztes sein.

Böllern ist im Studio noch erlaubt

Dann wäre da noch Christiane Woopen, ihres Zeichens Medizinethikerin und genauso belanglos ist auch, was sie sagt, weswegen wir uns nicht lange bei ihr aufhalten wollen. Aber sie stellt eine neue, hochinteressante Werbestrategie vor, mit der man die Menschen vom Impfen überzeugen können soll. „Wenn wir die richtigen Personen finden, die viele Menschen erreichen – das müssen gar keine Politiker sein – können wir zum Impfen motivieren.“ Sie und Illner fangen dann an aufzuzählen, wer da denn so infrage käme. Sie denken da an Angelina Jolie, an Justin Bieber und plötzlich ruft Illner aus „und auch an Karl Lauterbach!“ Aber natürlich. 2020 ist Karl Lauterbach die neue Sexikone. Sie lachen vielleicht, aber denken Sie mal drüber nach, es stimmt.

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Lauterbach gibt sich den Abend über von allerlei Teststrategien unbeeindruckt – er zieht seine Show ab und macht das, wofür ihn seine Fans lieben. Wenn er gerade nicht spricht, runzelt er die Stirn und spannt jede Miene seines Gesichtes zu einem Mr. Cool-Blick an – Spiel mir das Lied vom Tod. Seine Wut scheint sich vor allem auf Schmidt-Chanasit zu fokussieren. Während er redet, starrt Lauterbach ihn so finster an, dass sein Auge zuckt. Wenn Blicke töten könnten, hätte Karl Lauterbach heute Nacht wohl die Mortalitätsrate gesteigert. Doch warum, wo der Virologe ihm doch gar nichts getan hat? Meine Theorie ist, dass er sich einfach so gerne selbst reden hört, dass er es nicht ertragen kann, wenn andere ihm die Aufmerksamkeit stehlen. Und davon bekam er in der letzten Monaten ja zu Hauf.

Vielleicht war es auch ein Werbegag, Söder als Gast anzukündigen. So haben Leute wie ich das überall herum erzählt und die Einschaltquote der letzten Sendung des Jahres schießen noch einmal durch die Decke. Vielleicht tut man auch Karl Lauterbach Unrecht, wenn man behauptet, die häufigen Talk-Show-Auftritte würden von ihm ausgehen. Vielleicht sind es die Redakteure der Shows, die ihn auf Knien anbetteln. Was gibt es denn bitte an besserer Werbung als die Garantie, dass die Sendung mit Lauterbach definitiv nicht langweilig wird. Mit Sätzen wie „Es gibt keine Impfung gegen CO2“ oder „Ich würde den Shutdown so konsequent durchführen, bis wir bei einem Inzidenzwert von 25 sind“ ist er eine zuverlässige Hitmaschine. Bei Illner ist an diesem Abend böllern erlaubt und so sorgt Lauterbach für ein Feuerwerk in der letzten Sendung vor Silvester.

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Er regt sich auf, dass nach dem Lockdown light sofort über Lockerungen diskutiert wurde, „es wurden plötzlich die Innenstädte gerettet“, sagt er völlig empört. Er will die die Schulen schließen, denn Kinder „sind wesentliche Treiber der Pandemie“ wirft er wie selbstverständlich ohne Beweise in den Raum. Selbst wenn wir kurz vor der Herdenimmunität sind, können wir seiner Meinung nach immer noch nicht auf Masken verzichten, um die wenigen Nicht-Immunen zu schützen. Während alle sich vehement gegen eine Impfpflicht aussprechen, schweigt er, wir alle wissen warum. Er wird uns ein Angebot machen, dass wir nicht ablehnen können.

Doch Hollywood hat auch seine dunkle Seite. Man sieht einen Mann, der seine Rolle grandios spielt und Zuschauerherzen höher schlagen lässt – aber auch jemanden, der völlig aufgeht in der Aufmerksamkeit, die er mit solchen Sätzen bekommt. Das sonst übersehene Entlein ist mit der Pandemie endlich zum Schwan geworden, zum Superstar. Im Hintergrund sitzen Redaktionen, die das schamlos ausnutzen. Es wird klar: Sollte er jemals zulassen, dass Corona zu Ende geht, dann wird das Hollywood-Sternchen tragisch abstürzen. But that’s business, baby.

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