Tichys Einblick
Europas Zukunft unbezahlbar?

Bei Illner: Barleys Traum, Söders Albtraum

Oettingers Günther plant ein EU-Budget von 1.000 Milliarden, war aber trotzdem nicht geladen bei Illners Runde. Dafür Katharina Barley und Markus Söder.

Nach Plasberg mit seinem Frontalunterricht, sind wir nun endlich wieder bei Maybrit Illner. Das ist doch ein ganz anderes Kaliber. Illner hat Agitation & Propaganda noch von der Pieke auf gelernt! Deshalb gleich zu Beginn die Frage: Was ist die Agenda der Sendung? Denn wer regelmäßig zuschaut, weiß – das offizielle Thema dient eher der Camouflage. „Macrons Traum, Merkels Albtraum – Europas Zukunft unbezahlbar?“ ist gelinde gesagt, ein wenig kraus formuliert. Europas Zukunft dürfte kaum von Emmanuels Träumen oder Angelas Albträumen (wahrscheinlich erscheint beiden immer noch Trump des Nachts) abhängen. Selbst wenn es die Absicht gewesen wäre, das Thema halbwegs seriös zu diskutieren, was bringt da ein „Wirtschafts-Kolumnist“ von „Spiegel online“? Was ein Vertreter der unter-10%-Partei FDP? Oder die französische Botschafterin als Macrons Traumdeuterin? Und warum schickt die 100%-Europapartei SPD ausgerechnet die Justizministerin? Nun, jetzt kommen wir der Agenda auf die Spur: Die eher etwas unscheinbare Katharina Barley sollte wohl dem TV-Publikum schmackhaft gemacht werden.

Zunächst erklärte die Justizministerin ihre thematische Zuständigkeit so: Der Koalitionsvertrag (das klingt juristisch!) trage die Handschrift der SPD, und die will deutlich mehr Geld für Europa raushauen. Und Illner fügt begeistert hinzu, Frau Barley sei halbe Engländerin und habe in Paris studiert, mehr Kompetenz geht gar nicht. Und weil es bei den Spezialdemokraten immer kräftig menschelt – Motto: Ich bin wie du – muss im TV (Hubsi Heil und seine alleinerziehende Mama, Martin Schulz und seine Nachbarn in Würselen, Siggi und sein Nazi-Papa, etc.) erfahren wir von Frau Barley, dass die vier Großeltern ihrer Kinder aus vier europäischen Ländern stammen. Da bleibt Deutschland nur Folklore im Leben unserer Justizministerin.

Deshalb mahnte sie, „wir dürfen nicht überheblich sein und alles besser wissen wollen“, und mit „wir“ waren nicht die Spezialdemokraten, die immer alles besser wissen, gemeint, sondern wir Deutschen. Wir Deutschen „profitieren kulturell, sozial, und finanziell“ von Europa, ist Mrs. Barley überzeugt, außerdem sei „Europa ein Friedensprojekt“. Unendlich wichtig. Ja, ich sehe das so.

Noch naiver, dazu von Feuereifer getrieben, durfte sich Marie Rosenkranz vom „European Democracy Lab“ (Hören wir Soros?) als „Teil der jungen Generation“ preisen. „Wir denken europäisch.“ Und sind in Europa aufgewachsen! Nun, das sind wir auch, Marie, deshalb finden wir aber nicht alles prima, was Herr Macron so plant. Marie hatte nur einen Zwei-Minuten-Auftritt, und das war dann auch gut so.

Gott sei Dank, dass Markus Söder noch einen Blick auf die deutschen Kassen wirft. Ein Kommentator hatte Söder vor kurzem das witzige Etikett „Ersatz-Horst“ verpasst, aber bei Illner täte man ihm damit wirklich unrecht. Söder verkaufte sich prima als bayerischer Ministerpräsident, konnte sogar Macron die eine oder andere gute Seite abgewinnen („Auffanglager in Nordafrika? Volle Unterstützung!“). Der französische Präsident versuche sich an den Reformen, die Deutschland längst gemacht habe, das sei eine gute Sache. Mehr Transferleistungen? Mehr Zentralismus? Na.

Thomas Fricke (SPON und Süddeutsche), der natürlich mehr Geld nach Europa schieben will, was alle Ökonomen empfehlen würden, korrigierte Söder: „Alle Ökonomen sind sich einig? Stimmt nicht.“ Fricke brachte dann die alte Nummer, auch Bayern habe seinerzeit von der BRD Transferleistungen gekriegt, um sich zu modernisieren. Darauf der ehemalige bayerische Finanzminister: „Wissen Sie, wie viel Bayern bekommen hat? Nein? Vier Milliarden. Wie viel hat Bayern zurückgezahlt? Nein? 50 Milliarden.“

The Times They Are A Changin'
"A desperate Merkel gets Trumped": Koch und Kellnerin
Otto Fricke (nicht verwandt, nicht verschwägert mit Thomas), für die FDP im Bundestag, war ähnlich zahlensicher wie Söder und eindeutig in seinen Aussagen: „Eine neue Kasse für die EU? Auf keinen Fall“. Je mehr Geld die EU-Bürokraten bekommen, umso mehr Ideen haben die. Am Beispiel Griechenland zeigt Otto, wie die griechische Regierung mit allerlei Versprechungen die Kohle verruderte, nie gespart habe, und am Ende die Hand aufhält. „Das Rentenniveau ist da weit höher als in Deutschland!“ Hier plapperte Barley konstant dazwischen, so dass wir nur noch verstanden: Wir haben 500 Milliarden im Stabilitätsfond und brauchen mehr? Verstehe ich nicht.

Auch Söder sieht kaum Veranlassung, mehr Geld locker zu machen, wo die Südländer ständig über ihre Verhältnisse gelebt hätten, da konnte es Barley noch mal menscheln lassen: „Über ihre Verhältnisse gelebt? Ich hasse das! Die Menschen haben nicht über ihre Verhältnisse gelebt!“ Aber die Menschen hier sollen das, trotz schlechterer Renten und höherer Steuern zahlen? Mit Helmut Schmidt ist anscheinend auch der ökonomische Sachverstand bei der SPD gestorben.

Die sympathische Botschafterin Anne-Marie Descotes wollte nun nicht als Bittstellerin am Tisch sitzen und sagte, Frankreich sei sogar bereit, mehr zu zahlen. Man müsse nur noch mal über eine Kreditlinie reden.

Der Herr von SPON und Süddeutscher fände es gut, wenn wir 11 Milliarden mehr an die EU abführten, weil wir durch die Nullzinsen so viel Profit gemacht hätten. FDP-Fricke: Haben die anderen doch auch. Dann hechelte Illner noch zum Einlagensicherungsfond. Deutsche Spareinlagen für die vergifteten Kredite der italienischen Banken? Eher nicht, fand die FDP. Non, sagte Madame. Da wollen wir auch das einzig Vernünftige vom Kolumnisten Fricke nicht unterschlagen, der auf die Giftabteilung der Deutschen Bank hinwies.

Das Publikum war nach alten Agit-Prop-Regeln besetzt: Beifall für Barley, die naive Marie, kein einziger Klatscher für Söder, der „die Anti-Europäische Stimmung“ verstärke. (Sagte? Richtig, Barley.) Und Illner brachte noch die „nationalen und nationalistischen Kräfte“ in ihrer Moderation unter. Ganz wie früher.