Tichys Einblick
„Riskanter Neustart?“

Bei Illner: Am Ende ist der Bürger schuld

Zuerst die schlechte Nachricht. Wieder Corona. Faktenfrei und meinungsstark. Jetzt die gute: Karl Lauterbach war nicht dabei, Peter Altmaier nicht (der kam dafür bei Lanz) und auch kein Grüner.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Wenn die ständig geführte Feministinnenklage, Frauen würden weniger verdienen als Männer, auch bei den öffentlich-rechtlichen Sandras, Maybrits und Annes zutreffen würde, und die Damen weniger abkassieren als etwa ein Jauch, dann sind die Talkshows äußerst kostengünstige Sendeplätze. Statt teurer „Promis“ sitzen vier, fünf Personen aus Politik und Journalismus für ein Taschengeld herum und schlagen die Zeit tot. Außerdem sind die Moderatoren auch noch systemrelevant, weil nur Meinungen zu Ohr gebracht werden, die höheren Ortes gewünscht sind. Das hilft bei Gebührenerhöhungsgesprächen.

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Maybrit Illner, das muss man ihr lassen, kommt ohne jede moralische Attitüde (wie Sandra M.) oder aufgespielten Journo-Ethos (wie Anne W.) durch jedes Thema. Mit einer gewissen Grundfröhlichkeit würde sie ihr Format wohl auch dann noch durchziehen, wenn München längst in Schutt und Asche liegt und der Türke vor Köln steht (früher hätte man gesagt: der Russe). Und dabei lockt sie auch dem größten Muffel die Töne aus der Nase. Helge Braun ist so einer. Er ist der Typus Mann, der drei Stunden lang vor einem einzigen Bier sitzen kann, ohne ein einziges Wort zu sagen. Typ Ostfriese oder Merkelburger-Vorpommer. Dabei ist er aus Gießen.

Als Kanzleramtsminister beruhigt er uns wenigstens stellvertretend, der Merkelsatz „Ich bin kurz davor aufzugeben“ sei aus dem Zusammenhang gerissen. Sie sei „sehr, sehr gerne Kanzlerin“. Damit wäre das Wichtigste geklärt.

Das Illner-Team beklagte zunächst in einem populistischen Filmbeitrag „der Föderalismus ist auf dem Vormarsch“, nicht wissend, dass der Föderalismus grundgesetzgegeben ist, und auf dem Vormarsch eher die sind, die ihn abschaffen wollen. Was die ZDF-Mitarbeiter damit sagen wollten war, dass jedes Bundesland mache, was es wolle und dabei recht hirnrissige Verordnungen im einen auf wiederum andere hirnrissige Verordnungen in einem anderen träfen. Das hat nichts mit Föderalismus zu tun, sondern damit, dass in den Bundesländern recht seltsame Gestalten an der Spitze der Länder stehen, beziehungsweise sitzen. Einer davon, Stephan Weil, SPD aus Niedersachsen, war zugeschaltet. Diese Zuschaltungen von Ministerpräsidenten haben sich durchgesetzt, seit Söder damit publikumswirksam demonstrierte, er sei viel zu sehr mit Corona beschäftigt, als in einer Talkshow zu hocken.

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Genosse Weil brachte auch die schlüssige Antwort auf die Frage der Sendung „Riskanter Neustart – wer trägt die Verantwortung?“. Die Verantwortung trägt der Bürger. Wenn der sich an Abstandsregeln und Maskenpflicht hält, geht’s gut, sonst muss er die Konsequenzen tragen. Andererseits glaubt Weil, dass „wir“ das Niveau der Ansteckungsraten deutlich gesenkt haben – damit meint er dann wohl die Politik, obwohl der Lockdown kam, nachdem die Raten bereits gesunken waren. Aber das wurde den Herrschaften tausendmal erklärt und nicht verstanden.

Alena Buyx ist Professorin für Medizinethik und Mitglied im Deutschen Ethikrat und findet so weit alles in Ordnung. Nur als Mutter zweier Kinder versteht sie nicht ganz, warum die Kinder in den Biergarten dürfen, nicht aber in Kita oder Schule – aber wer versteht das schon?

Rafaela von Bredow ist Redakteurin beim Spiegel und hätte die Schließung der Wirtschaft gerne noch ein wenig fortgesetzt, wegen der ominösen zweiten Welle. Dass die zweite Welle möglicherweise nur als Pleitewelle daher kommt, geht ihr nicht in den Sinn. Während Braun anmerkt, dass sich jede Woche ein zweistelliger Milliardenbetrag als Schaden pulverisiert, spricht sie von Alleinerziehenden und Friseuren.

Auch der Dauergast Ranga Yogeshwar versteht von Wirtschaft nicht die Bohne. Dafür von leidenden freischaffenden Künstlern. Außerdem sei doch die Krise auch eine Chance. Und zwar fürs … na …? Richtig. Fürs Klima. Als Fernsehjournalist kann er übrigens gut in Bildern reden. So habe niemand Angst vor einer Haushaltsleiter, obwohl da viele Hausfrauen herunterfallen. Das Sprachbild der gefährlichen Leiter kannten wir bisher nur von der Relativierung der Messertoten. Nett formuliert.

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Wie so Entscheidungen bei unseren „staatlichen Verantwortungsträgern“ (Lindner) zustande kommen, erklärte Helge Braun am Beispiel der neuen Obergrenze, die nichts mit Migration zu tun hat, sondern damit, ab wann ein Landrat Alarm schlagen solle, auf dass ihm die Hilfe des Bundes zuteil werde. Die Obergrenze lautet: 50. „5 Infektionen auf 100.000 Einwohner pro Tag, macht 35 die Woche. Um auf Nummer sicher zu gehen nehmen wir 50.“ Genial. Gegen diese Leute hat das Virus keine Chance.

Ach ja, die App. Da sind wir „ziemlich gut dabei“, sagte der Helge. Muss nur noch irgendwas mit einer Schnittstelle bei Apple und Google auf den Weg gebracht werden. Tja. Blöd, wenn man die Zukunfts-Technologien nicht im eigenen Land hat. Noch haben wir ja Auto. Wer soll denn nun die versprochene Prämie bekommen?, fragt Illner. Nur der E-Autokäufer? Da hat Kanzleramtschef Helge Braun eine ganz klare Antwort: „Wir haben auf dem Autogipfel beschlossen, dass wir uns darüber zusammensetzen.“ Besser geht’s nicht.


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