Tichys Einblick
Hilflos, planlos, staatsgläubig

Bei Hart aber fair: Pflegeheime als gefährlichster Ort für Alte

Die Forderung der Verstaatlichung von Pflegeeinrichtungen wird also zum Abschlussgong. Dass ein Großteil der Pflegeheime in quasi-staatlicher Hand sind, nämlich in der der großen „Wohlfahrtsverbände“ wie AWO, Caritas usw - kein Wort davon.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Haben Sie auch ältere Verwandte in einem Alten- oder Pflegeheim? Wie fühlt sich das für Sie an, wenn beispielsweise der Altersmediziner Prof. Johannes Pantel bei hart aber fair sagt, solche Orte wären die gefährlichsten Aufenthalte für alte Leute in Zeiten von Corona?

Nun sind solche Heime per Se schon mit einer Düsternis behaftet, bedenkt man, dass hier für wenig Geld mit zu wenigen Pflegekräften gearbeitet wird. Und jetzt hängt das bisschen Leben, das vielleicht gerade noch in den Eltern, Großeltern und Urgroßeltern steckte, möglicherweise von den Hygienemaßnahmen der Pflegekräfte ab, die schon mehr als nur ihr Bestes geben müssen. Unterbezahlte Fachleute sind das, wie die sympathische Altenpflegerin Silke Behrendt-Stannies, die sich schon früh Gedanken gemacht hat, wie die Alten in ihrer Obhut vor Corona zu schützen sind. Aber reicht das?

Offensichtlich nicht, folgt man dem Gesundheitsminister von Nordrheinwestfalen, der nur darauf hinweisen kann, dass der Weltmarkt für Schutzmaterial leergefegt ist. „Wir tun was wir können, aber Material herbeizaubern kann ich auch nicht.“

Frank Plasberg ergänzt, dass es zwar die beste Gerätemedizin in Deutschland gäbe, aber dann mit beispielsweise Gesichtsmasken die einfachsten Dinge fehlen würden.

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Bernd Meurer ist Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste und er betreibt selbst drei Pflegeheime. Auch für ihn sind diese Masken das Nadelöhr. Er weiß von Heimen, die ihre Masken schon selbst haben nähen lassen, die dann eben „nach Feierabend abgeworfen, gereinigt und desinfiziert werden.“ Seine Hoffnung ist, dass die große Erkrankungswelle erst dann kommt, wenn die professionellen Masken geliefert werden, etwas anderes sei im Übrigen auch den Mitarbeitern nicht zuzumuten, wenn diese mit Infizierten arbeiten müssten.

Infektiologie Prof. Gerd Fätkenheuer ist Leiter der klinischen Infektiologie der Uniklinik Köln. Auch er steht wie viele seiner Kollegen nun im Fokus des Interesses, wo sein Beruf bisher wohl eher ein Nischendasein in der öffentlichen Wahrnehmung führte. Er soll nun sagen, was das Selbstgestrickte, pardon, was das genähte Mundschutztuch für einen Sinn machen würde. „Die Wirksamkeit der Masken ist nicht gut belegt.“ Er zögert und weiß keine Antwort außer: „Besser als nichts.“ Immerhin ehrlich.

Die Masken würde man im Heim heutzutage im Auge behalten, sagt die Altenpflegerin, das wäre ja sonst, wie „Bargeld herumliegen lassen.“ Aber auch der Schutz der Pflegekräfte muss eine hohe Priorität haben, erinnert sie noch ziemlich verzweifelt hintendran.

Es ginge natürlich nicht alleine um Mundschutz, erinnert wieder der Altersmediziner. Minister Laumann erinnert seinerseits daran, dass heute in sieben Wochen soviel Schutzbekleidung verbraucht werden würde, wie vorher für zwei Jahre vorgehalten wurde. Das mag ja rechnerisch stimmen, aber ist eine reine Zustandsbeschreibung und kein Lösungsansatz.

Bernd Meurer ist dran und erinnert an die nun auch fehlenden osteuropäischen Pflegekräfte, die in der häuslichen Pflege etabliert waren. Es gibt also offensichtlich ein großes Geschrei, wenn der Spargel nicht geerntet wird von osteuropäischen Händen, aber möglicherweise Wichtigeres wird kaum thematisiert geschweige denn vehement eingefordert.

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Karl-Josef Laumann findet es schlimm, dass ein Erlass nötig wurde, für Seniorenheime ein absolutes Besuchsverbot auszusprechen. Aber auch hier gäbe es Ausnahmen, wenn es beispielsweise um die Sterbebegleitung ginge. Was er allerdings für bedrohlich hält, ist, dass, wenn einmal das Virus in so einem Heim angekommen ist, die Verbreitung dort bis hin auf die Pflegekräfte so ungeheuer schnell passieren würde.

Niemand stirbt gern allein, mag eine alte Weisheit sein – die Altenpflegerin Silke Behrendt-Stannies erinnert daran aus der Praxis, erzählt, wie besonders wichtig es doch sei, auch am Ende des Lebens geliebte Menschen um sich zu haben.

Eine nette alte Dame wird eingeblendet, die aus dem Altenheim erzählt, dass sich die Isolation anfühlt, wie in einem Gefängnis zu sitzen, aber dann schmunzelt sie sogar noch einmal ganz tapfer – die Nachfrage des Fernsehens per Videoschaltung wird so zum Kontaktersatz, wenn die eigenen Kinder zum Geburtstag aus dem Altenheimgarten hinauf in den ersten Stock ein Ständchen singen müssen und die Mutter statt einer herzlichen Umarmung nur dankend hinunter winken kann.

Eine Million Menschen leben zur Zeit in Deutschland in Alten- und Pflegeheimen. Sie leben dort relativ eng miteinander und dürfen im Moment keinen Besuch bekommen. Allerdings haben die Pflegekräfte weiter ihre soziale Kontakte. Eine Verhinderung der Einschleppung des Corona Virus ist demnach auf Dauer kaum durchzuhalten, allenfalls mit allen Mitteln zu verzögern.

Der Altersmediziner wirft ein, dass diese echten Pflegebedürftigen in Heimen allerdings nur wenige Prozente ausmachen, der viel größere Anteil der Alten kommt zu Hause noch ganz gut zu Recht.

Das es genug zu diskutieren gibt, daran erinnert Frank Plasberg, der die ambulante Pflege ins Spiel bringt, jeder kenne die kleinen Autos, die überall in der Republik von Alten zu Alten huschen und nun auch noch eine hohe Verantwortung in der Infektionsvermeidung haben, die zusätzliche Zeit kostet.

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Zugeschaltet ist Wiebke Worms, die ihren erkrankten Mann seit 2010 zu Hause alleine pflegt und noch froh ist, ohne Pflegedienst auszukommen, nachdem sie mit einer Kurzzeitpflege ihres Mannes gar nicht zufrieden war. Frau Worms findet es jetzt mit Corona noch schwieriger, weil nun nicht einmal mehr die Ergotherapie kommen würde. Wenn es um die Verteilung von Schutzkleidung und Desinfektion geht, muss sich die häusliche Pflege ganz hinten anstellen, klagt Worms: „Das ärgert mich irre. (…) Wenn ein Herr Spahn oder ein Herr Laumann sagt, sie machen genug für uns, dann ist das definitiv nicht der Fall.“, endet die couragierte Ehefrau eines Pflegebedürftigen.

Was sagt Minister Laumann nun dazu? „Ich weiß sehr wohl, dass die häusliche Pflege der Pfeiler der Pflegeversorgung ist. Das weiß ja jeder.“ Und er macht Hoffnung auf eine sehr schnelle Überwindung der Engpässe in Sachen Desinfektionsmittel. Allerdings, könnte man hier denken, ist das Problem wohl kaum mit einer Flasche zweckentfremdetem Alkohol zu lösen, um die häusliche Pflege zu unterstützen.

Der Infektiologe Gerd Fätkenheuer berichtet von Konzepten, welche auch in seiner Verantwortung an der Uni-Klinik entwickelt worden seien, die nun unbedingt in die Einrichtungen übertragen werden müssten. Der Übergang von der Theorie in die Praxis also. Zuversicht gehört hier sicher auch dazu, wenn das Vertrauen in diese und andere Theorien doch bei vielen Menschen längst auf einem Tiefpunkt angekommen ist.

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Silke Behrendt-Stannies meint, dass nicht die Infektionsrate bei Alten die höchste sei, sondern die Sterblichkeitsrate. Prof. Pantel wieder findet es unverschämt, wie heute auf Alte geschaut wird, wenn die ohne Mundschutz und Handschuhe in den Supermarkt gehen, dann entspräche das doch den Vorgaben der Politik, die eben das bisher noch nicht vorschrieben würde. Und Pantel wird ketzerisch, wenn er darauf hinweist, dass Alte, die Corona weniger gefährlich einschätzen und entsprechend lascher mit Schutzmassnahmen umgehen, möglicherweise sogar richtig liegen, noch wisse man ja nicht genug darüber, wie sich die Zukunft entwickeln würde.

Plasberg beendet eine informative Sendung mit der Frage einer Zuschauerin an alle, warum Gesundheit und Pflege nicht in öffentlicher Hand sind, der Staat könnte diese Pflege doch viel besser lenken und steuern.

Die erfahrene Altenpflegerin Silke Behrendt-Stannies stimmt hier aus ihrer Perspektive vehement zu. Renditeerwartungen dürften nicht durch Pflegeeinrichtungen geweckt werden, das sei fatal, nein, das sei jetzt im Moment sogar tödlich. Für Behrendt-Stannies sind die Sonderzahlungen an Pflegekräfte aktuell auch keine Prämie, sie spricht von einer „Gefahrenzulage“. Überhaupt scheint dass eine taffe Frau zu sein, die den anwesenden Herren von der praktischen Arbeit kommend direkt im Studio mal ordentlich die Haare wäscht. Und Plasberg lässt die Herren gar nicht mehr zu Wort kommen nach ihrem Plädoyer für eine Enteignung der privaten Altenpflege. Er nimmt es sogar als Schlusswort und dann fällt der Vorhang: „Sie haben einen Denkauftrag formuliert und dafür danke ich Ihnen.“ Die Forderung der Verstaatlichung von Pflegeeinrichtungen wird also zum Abschlussgong. Dass ein Großteil der Pflegeheime in quasi-staatlicher Hand sind, nämlich in der der großen „Wohlfahrtsverbände“ wie AWO, Caritas usw – kein Wort davon. Wieso in staatlichen Heimen plötzlich Masken auftauchen würden und warum das Virus um schmuddelige Staatsbuden einen Bogen machen würde – das wird nicht erklärt. Das staatliche Fernsehen will wohl jetzt die Totalverstaatlichung aller Lebensbereiche; damit die Qualität überall absinkt.

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