Tichys Einblick
Deutsche Unterhaltungspolitik

Bei hart aber fair: Mit Katharina Schulze im Sommerlochkindergarten

Kann man den Teller eigentlich zurückgehen lassen? Gibt es die Zwangsgebühren zurück, wenn einfach nicht geliefert wird, was man erwarten darf für eine Summe, die fast doppelt so hoch ist, wie ein Netflix-Abo.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Harte Konkurrenz für hart aber fair: Tim Mälzer kocht sich auf Vox durch die Welt bei Kitchen Impossible – möglicherweise lag es daran, dass sich Frank Plasberg vorsorglich ebenfalls an einer Kochshow orientierte. Sein Vorbild könnte heißen: Kochen ohne Zutaten. Oder präziser: Talken ohne Gäste. Was Plasberg sich da zusammengebrodelt hat, das erinnerte phasenweise an Kinderuni oder Kinderparlament. Also an die Idee von etwas, dass früher im Original mal erwachsene intellektuell gebildete Menschen vorgeführt haben, dass dann aber von Kindern geentert wurde.

Kurz gesagt: Der politische Diskurs der Friday-for-grüne-Kirchtags-Bundesrepublik von 2019. Deutschland impossible: Früher haben Kinder spielerisch die Welt der Erwachsenen erkundet, heute entdecken Erwachsene die Welt der Kinder und kopieren sie als Parents-for-future, wie ein Gast bei hart aber fair im Laufe der wahrscheinlich bräsigsten Talkshow aller Zeiten erzählen wird.

Der Autor hier muss sich vorab bei seinen Lesern entschuldigen, dass er möglicherweise den größten Blödsinn im Wortlaut noch verpasst hat, so häufig  hat er zwangsumgeschaltet zu Tim Mälzer, der in Lissabon in einer über fünfzig Grad heißen Küche so eine Art ostpreußisches Süßsauer auf portugiesisch nachkochen musste und dafür ein paar Beutel Hahnenblut in die Hühnerreissuppe goss, dass nun darin gerinnen sollte.

Plasberg begann ausnahmsweise mit fast zwei Stunden Verspätung: Seine angestammte Sendezeit musste dem Frauenfußball Platz machen. Der deutschen Gegenwart geschuldet hätte es allerdings zwingend eine Kinderfußball-WM sein müssen. Also die C- oder D-Jugend dieser Welt und der Anspruch, diese Kinderbegegnungen mit der selben Ernsthaftigkeit abzuhandeln wie den Fußball der MANNschaft.

Zur Sache: Die lustige politische Rasselbande bei Plasberg bestand zunächst aus der aufgeregten Tochter von Claudia Roth. Oder wirkte das nur so, als seinen die beiden engste Verwandte? Jedenfalls saß bei hart aber fair zum Thema „Beim Klima prima – aber was wollen die Grünen noch alles?“ dieser bayrische Wonneproppen Katharina Schulze, die ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, sie ist – nicht erschrecken – tatsächlich schon Generation 30+, schafft es aber sowohl in Gestik, Mimik und Sprache glaubhaft, als unbegleitete Minderjährige durchzugehen.

Das wusste wohl auch Plasberg und stellte Schulze einen Diskutanten zur Seite, der in etwa auf dem selben Niveau agierte, der also auch so wirkte, als hätte er sich schwer infiziert mit diesem Freitagsvirus, als wäre er ebenfalls während der gesamten Schulzeit am Freitag woanders unterwegs gewesen. Die Rede ist von Tilman Kuban, der ist Vorsitzender der Jungen Union mit der Betonung auf „Jungen“. Junge, Junge, was für ein Traumpaar der deutsche Unterhaltungspolitik.

Während sich also Tim Mälzer auf Vox überlegte, wie man ein Gericht nachkocht, das in Portugal eine Jahrhunderte alte Tradition hat, versuchte sich unser junges Kinderkarnevalspärchen daran zu erklären, warum die Grünen so arg toll sind, also Ey, jedenfalls findet die Katharina das, aber der Spitzbube Tilman quasselte ihr immer mit fast noch breiterem Lächeln dazwischen und findet die Grünen ziemlich apokalyptisch – „hahaha“, fand Friday-for-Bayern aber gar nicht und man dürfe das doch auch nicht vergleichen mit der zweiten Apokalypsepartei, also mit der AfD und deren Warnungen vor einer Überfremdung durch Zuwanderung.

Nun ahnte Plasberg möglicherweise, dass ihm dieses Kochen ohne Zutaten aus dem Topf springen könnte oder dass ihm die Zuschauer reihenweise zu Tim Mälzer überlaufen. Aber sein Rezept gegen die Flucht zu VOX oder gleich hinüber zu The-Sender-of-the-free, also zu Netflix, taugte auch nur bedingt, als er mit Juli Zeh so etwas wie eine Fräulein Rottenmeier zur bayrischen Heidi und ihrem Peter setzte. Kann die Zeh auch kochen? Jedenfalls ihr eigens Süppchen, wie sie eindrucksvoll vorführte. Immerhin empfand sie noch so etwas wie Lust am Erziehen der beiden Kleinen und bemühte sich redlich, der grünen Kirchentagspartei von Schulze ein paar kritische Bemerkungen angedeihen zu lassen.

Aber es war bei Zeh leider zäh wie mit ihrem Bestseller Unterleuten: Die Sätze stimmen irgendwie, diese Geschichte vom Brandenburger Land swingt sich gut ein, aber ungefähr nach dem ersten Drittel dieses Wälzers macht sich ganz unbemerkt zunächst, aber doch ein erstes Gähnen breit. Alles zu perfekt, zu konstruiert, zu viele Wörter im Wohlgleichklang, zu wenige Dissonanzen, die den Leser bei der Stange halten könnten und selbst die Emotionen wie aus einem perfekten zwar, aber eben aus einem Emotionsbaukasten. Oder kürzer: Literatur lebt nicht vom Intellekt alleine, es braucht jenseits des Ausnahmeschreibtalents von Juli Zeh etwas wie Spirit oder Herz. Und beides muss der Leser spüren, passierte aber nicht.

Bei Hart aber Fair trug Juli Zeh also ihre Sicht der Dinge vor, sie machte es in aller Ausführlichkeit, die lieben Kleinen waren auch artig und redeten ihr nicht dazwischen und also verschwamm schon nach zwei, drei Sätzen alles in einem  Brei aus Wohlgefallen und der Zuschauer schaute nur noch fasziniert auf die Frisur der Bestsellerautorin, die so ausschaute wie aus einem Swing-Ära-Filmset der Weimarer Republik. Juli Zeh hat ein SPD-Parteibuch und ist seit Neuestem auch Richterin am Landesverfassungsgericht in Brandenburg. Vorgeschlagen übrigens von ihrer Partei nicht von ungefähr, Zeh ist nicht nur eine der erfolgreichsten deutschen Schriftstellerinnen der Gegenwart, sie ist auch noch promovierte Juristin. Fräulein Rottenmeier ist also eine Tausendsassa.

Und wenn Sie gerade den Eindruck haben, wir würden hier auf der armen Frau Schulze herumhacken, dann schauen Sie bitte kurz, welche Momentaufnahme sich Spiegel.de für sein Foto zur Besprechung ausgesucht hat, denn die haben den beinahe durchgehenden Gesichtsausdruck der bayrischen Komödiantin wunderbar eingefangen, wenn sie nicht gerade für eine kurzen Moment maulig-schmollig wurde, die Unterlippe vorschob und monierte, dass immer dann, wenn den anderen nichts mehr einfallen würde, diese Bösen die guten Grünen als „Verbotspartei“ bezeichnet würden – nein, wie böse aber auch von denen. Ey, Mann ey.

Aber warten Sie, irgendwer war noch da. Genau: Damit es richtig dolle Spaß machte in der lustigen Monday-for-Grüne-Talkshow, war noch der lustige Clown für alle eingeladen. Der hatte wie Frau Zeh auch eine aufregende Frisur von gestern, aber seine war aus der Elvis-Ära. Und besagter Elvis heißt in Wahrheit Florian Schroeder, ist Kabarettist und war tatsächlich die hellste Leuchte auf der Palsbergschen Kindergeburtstagstorte. Also nicht das wir uns hier missverstehen: Auch seine Wattzahl war deutlich überschaubar, während swinging Zeh hier fairerweise als außer Konkurrenz leuchtend bezeichnet werden muss.

Noch  jemand? Ja, da war eine Journalistin, die nicht viel beizutragen hatte, aber
bevor man sich den Namen merken konnte, goss Tim Mälzer schon zuviel Zitronensaft in die portugiesischen Stockfischbällchen, so dass sich alles zusammenzog, und zu allem Überfluss ließ er dann auch noch den Orangenpudding zerfallen, denn er irgendwie im heißen Zustand noch andicken wollte in einer Ermanglung des traditionellen Wissens, dass der erst hart wird, wenn er erkaltet. Nein, das war nicht fair von seinem Gegenüber, mit dem er im Wettstreit lag und der ihm diese schwere Aufgabe gestellt hatte. So ein Scheitern als abendfüllendes Sendeformat ist hier aber auf alle Fälle deutlich spannender als dieser Plumpaquatsch, den uns Frank Plasberg servierte: Damit war er eindeutig der größte Scheiterer von allen.

Und wenn sie jetzt finden, das waren deutlich zu viele Haare in der Suppe, dann haben Sie sie diese pelzige Sendung nicht live geschaut. So zäh und ermüdend, dass der Autor hier am späten Abend nicht einmal mehr die Kraft hatte, auch nur ein einziges Zitat als vollständigen Satz mitzuschreiben, zu oft trat er die Flucht nach vorne an und wanderte für viele Moment nach Portugal aus, wo Tim Mälzer bei bei nunmehr 55 Grad Celsius in der engen portugiesischen Küche ein wunderschöner Tropfen von der Nase in die Blutsuppe fiel, von Vox abgespielt in einer genialen Zeitlupe, die noch diese Menge von Zeitlupenaufnahmen des Frauenfußballspiels Spanien gegen die USA in Summe in den Schatten stellte.

Also Spannung in der Küche auf der iberischen Halbinsel und kaum mehr als nur SlowFood in Plasbergs Talkshowstudio. Die wichtigste Frage zum Schluss: Kann man den Teller eigentlich zurückgehen lassen? Gibt es die Zwangsgebühren zurück, wenn einfach nicht geliefert wird, was man erwarten darf für eine Summe, die fast doppelt so hoch ist, wie ein Netflix-Abo?