Tichys Einblick
Oh, Brexit, wann kommst du?

Bei Anne Will: Warten auf Godot

Wie die Landstreicher in Samuel Becketts Stück, die ihre Zeit damit verbringen, „nichts zu tun“ und auf eine Person namens Godot zu warten, von der sie nichts Genaues wissen, nicht einmal, ob es sie überhaupt gibt, vertrödeln unsere Talkshow-Moderatoren ihre Zeit mit dem Warten auf den Brexit.

Screenprint: ARD/Anne Will

Gute Entscheidung, Ursula von der Leyen einzuladen. Noch besser wäre es gewesen, sie als Angeklagte vorzuladen. Als Versagerin vor dem TV-Gericht. Millionen hat Ursel an Berater ohne Ausschreibungen verschoben, Familienmitglieder arbeiten bei diesen Beraterfirmen. Die Bundeswehr machte sie zu dem, was man nicht gendergerecht als Saustall bezeichnen muss. Aber die Ministerin taucht ab, entzieht sich selbst dem Bundestag, nur um wie Uschi aus der Kiste bei Diplom-Journalistin Anne Will Plattitüden über den Brexit abzusondern? Absonderlich, really!

Da saß sie dann wieder, unser Helmchen, mit dem Tonfall der penetranten Kindergärtnerin, die ihren pädagogischen Habitus auch nach Dienstschluss nicht ablegen kann und ließ ihre Wortwolken steigen. „Das möchte ich hier noch mal betonen“, „Wo wir mit einer Stimme gesprochen haben“, „Wir müssen gemeinsam lernen“. „Wir“ sind übrigens „Wir Europäer“, die guten Willens sind, also die Engländer gehören schon nicht mehr zu Europa dazu, sondern wohl zu Atlantis.

Helmchens anscheinend von Framing-Spezialisten und Binsen-Coaches durchgetaktete Worthülsen fallen umso mehr auf, wenn sie neben einem sitzt, der wie aus einer Zeitmaschine gesprungenen zu sein scheint. Man muss mit Günter Verheugen, diesem Reisenden zwischen den Parteien FDP und SPD, dem ehemaligen Industriekommissar der EU, der wohl immer noch als Berater eine Menge Euros zur Rente dazu verdient, nicht einer Meinung sein, aber Günters Stimme hallt aus einer untergegangenen Zeit ohne verlogenes Pathos und Gendertrallala.

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Verheugen erklärte den Damen, dass die EU auf Freiwilligkeit gegründet sei, sonst wäre sie ein Imperium. Beim Brexit seien Fehler von Anfang an gemacht und immer nur nach Brüsseler Regeln gespielt worden, und das mit einem Land, das das wirtschaftliche Gewicht von 20 Mitgliedstaaten mitbringe. Die Probleme lägen nicht auf britischer Seite. Solle man doch einen Freihandel machen, das wäre eine mögliche Blaupause für die Ukraine, vielleicht sogar Russland und die Türkei (die Türkei gehört auf keiner Weltkarte zu Europa, Günter, der größte Teil von Russland auch nicht).

Natürlich hatte Will auch „Backstop“ auf dem Zettelchen, aber das scheint nach neuester Übersetzung wohl „EU-Hintertür“ zu heißen. Verheugen sagte, das Nord-Irland-Problem sei kaum ein wirtschaftliches bei nur 8 Milliarden Grenzumsatz, und als Insel ließe sich Irland problemlos gegen Missbrauch kontrollieren, wobei er vielleicht die Profi-Schlepper unterschätzt. Ursula fällt zu Irland nur „so viel Blut geflossen“ein.

Greg Hands musste den störrischen Engländer geben in Annes Show „Alle gegen Einen (m/w/d)“, obwohl der Tory ein Remainer ist. Er schrieb den arroganten Eurospinnern ins Stammbuch: Sie haben bereits Handelsprobleme mit den USA und mit China. Wollen Sie jetzt noch welche mit Groß Britannien?

Annette Dittert vom Staatsfunk-Büro London ging auf den armen Greg los und verkaufte all die Glaubensgrundsätze und Meinungen, mit denen der Staatsfunk seine Zuhörer rund um die Uhr beballert, vom zweiten Referendum, was sie sich wünscht, über „Jetzt lassen Sie mich mal ausreden“ bis „Die EU kommt den Briten doch entgegen“.

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Der tapfere Greg fände eine Teilnahme Britanniens an der Europawahl dämlich, dann würden nur 30 Nigel Farages gewählt, aber Helmchen jauchzte, die Briten hätten damit doch die einmalige Chance, ein Bekenntnis abzulegen, deshalb glaubt sie fest, dass die Wahlbeteiligung ganz dolle hoch sein würde. Aus dem feuchten Traum von einem zweiten Referendum weckte Greg dann mit dem Hinweis, da hätten die Leaver mit „Tell them again“ einen erstklassigen Slogan, denn „wir sind ein demokratisches Land“.

Die Schottin Philippa Whitford war das Opfer in der Runde. Jetzt habe man auch auf der hinterletzten schottischen Insel Ärzte und Krankenhauspersonal aus der EU, aber was würde nach dem Brexit sein? Nun, das gleiche wie in der Schweiz und Norwegen, wo auch deutsche Ärzte wirken. Bessere Bezahlung hilft.

Das Finanzielle rund um den Brexit sei übrigens gelöst, behauptete die Verteidigungsministerin, und ein ARD-Filmchen dröselte noch mal auf, am Freitag könne alles vorbei sein, es sei denn … Für Morgen ist bereits die nächste Brexit-Talkshow mit Frank Plasberg angekündigt, und am Donnerstag lässt sich bestimmt auch Maybrit nicht lumpen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann brexiten sie noch überüberübermorgen.