Tichys Einblick
Wald oder Kohle?

Bei Anne Will: Wahlkampf der Holzhacker

Wenn das Auftreten der Akteure bei Will einen Blick auf kommende Wahlen erlaubt, sieht es so aus: SPD Katastrophe, CDU mit blauem Auge, FDP drin, und Grüne ...

Screenprint: ARD/Anne Will

„Aktivisten“ fielen vom Baumhaus, ein paar Dutzend Polizisten verletzt – aber jetzt soll erst mal Pause sein, weil das Oberverwaltungsgericht in Münster einen entsprechenden Spruch getätigt hat. Ob es der Bechsteinfledermaus hilft, deretwegen das Gericht den Stopp verhängte? Wohl kaum, denn die militanten Aktivisten aus der Gattung der Linksprügler und Notdurftwerfer sind bereits mit dem Wiederaufbau ihrer Besatzerhütten beschäftigt. Bei Anne Will ging es aber eh nur dem Namen nach um „Wald oder Kohle? Streit um den Hambacher Forst“. Bald sind Wahlen in Bayern und Hessen, daher bekamen CDU, FDP, Grüne und sogar die SPD Gelegenheit zur Selbstdarstellung.

„Wer nicht hören will, wird eben fühlen“
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Natürlich haben alle Parteien die Bedeutung der Polit-Talkshows (Dabeisein oder Nicht-Dabeisein, das ist die wahlentscheidende Frage) längst berechnet, daher werfen wir hier zunächst einen Blick auf die jeweilige Strategie und deren Einsatz. Wer jetzt denkt, es sei das Klügste für einen Gast, sich zuvor in ein Thema einzuarbeiten, um dann mit Wissen glänzen zu können, der irrt. Kaum ein Zuseher will abends um 10 Akten vorgewälzt bekommen und mit Fakten erschlagen werden, es gilt maximal eine Botschaft zu formulieren, und sich einen Gegner herauszupicken, dem man dann bei jeder Gelegenheit einen einschenkt. Gehen wir unsere Wahlkämpfer der Reihe nach durch. Von Amts wegen müssen wir mit Armin Laschet, dem Ministerpräsidenten vom Homeland NRW beginnen.

Seine Ausgangslage war denkbar günstig, trotz der zigtausend Sonntagsdemonstranten im Hambacher Restforst. Denn seine Regierung hatte nur in die Tat umzusetzen versucht, was Rot-Grün zuvor beschlossen hatte. Weil seine Partei mit der SPD auf Bundesebene koaliert und er zu denen gehört, die das in Zukunft mit den Grünen wollen, hatte Armin eigentlich keinen Duellanten, außer der Aktivistin Antje Grothus, der die Aktionen gegen die Braunkohle einen Sinn im Leben und sogar einen Sitz in der „Kohlekommission“ verschafften, und die ihrerseits Laschet direkt anging wie ein Kampfhund (allerdings mit Maulkorb). Hier konnte Armin den Staatsmann geben. Sechs Jahre Angriffe aus Baumhäusern habe es gegeben, gleichzeitig seien 3.900 Hektar Wald abgeholzt worden unter Rot-Grün. Das Verwaltungsgericht fand seine Maßnahmen „überzeugend“, das Oberverwaltungsgericht jetzt plötzlich nicht. Nun gut, ist eben erst mal Feierabend.

In Hessen stirbt der Wald
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Die SPD hat wohl immer noch nicht begriffen, was die Stunde geschlagen hat, sonst hätte sie wohl kaum Svenja Schulze geschickt. Die ist doch schließlich Umweltministerin wird jetzt vielleicht jemand einwenden. Na und? Die Germanistin war auch schon mal irgendwo Wissenschaftsministerin, das heißt lediglich, dass sie SPD kann und oben irgendwie mitschwimmt. Bei Anne Will gab sie eher die Schülerin, die froh war, dass sie kaum dran kam. Und wenn, dann wollte sie den Dingen, wie der selige Johannes Rau, „einfach Zeit geben“ und hofft auf die „Strukturwandelkommission“, getreu der Genossen-Regel: Die Kommission, die Kommission, die macht das dann schon.

Bei den Grünen war eigentlich egal, wen sie schicken, weil ihre Wähler bestimmte Dinge sowieso nicht in die Birne kriegen. Dass die Grünen bei 90% des Forstes mitgeholzt, Räumungsentscheidungen mitgetragen hatten – vergessen, weil die Grünen gleichzeitig mitprotestierten. Und weil Logik nicht zur Kernkompetenz grüner Wähler gehört, dürfte es kaum geschadet haben, dass der Hofreiter Anton bei Anne Will saß. Ja, so der Anton, da habe man sich „jahrelang herumgeärgert“ wegen der Braunkohle, eigentlich wollen die Grünen alles zumachen, Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke. Nur Wind und Sonne sollen es sein. Als er noch ein junger Bursche war, hätte er gelesen, RWE habe behauptet, maximal 4% könne die alternative Energie beisteuern, heute seien es 40% (zu welchem Preis – volkswirtschaftlich wie für Private – das weiß der Anton nicht, ist ihm auch gleichgültig). „Wir verkaufen sogar Strom!“ verkündete er dann stolz. Ja, Anton, aber nur, wenn gerade arg der Wind weht und die Sonne kräftig scheint, dann verschleudern wir den Strom, weil wir ihn nicht speichern können. Lassen wir das, wir sind ja schließlich kein Nachhilfelehrer. Auffallend, selbst die grüne Jugend döste vor sich hin, bis der Anton das Schimpfen begann, da gab’s sofort Applaus.

Mit Gewalt und Tricksen
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Christian von der Lindnerpartei machte Wahlkampf wie im Lehrbuch. Fesch und jovial wie ein Italiener, konzentriert zuhörend, dann schnell auf den Punkt. Dem Weltklima helfe der deutsche Kohleausstieg mitnichten, denn jede deutsche Tonne Braunkohle weniger bedeute eine in Polen mehr (die fabelhafte EU!). Dem „lieben Herrn Hofreiter“ empfahl er die Physik oder ein Vorsprechen bei der Bundesnetzagentur, wenn er wirkliche Klarheit wolle, und schließlich verwies er auf den Rechtsstaat. Unternehmen können nicht ständig alles umwerfen, „nur weil Herr Hofreiter und Frau Schulze alle naselang neue Ideen haben“. Wer wirklich dem Klima helfen wolle, der fördere Heizungssanierungen, und frage Handwerker und Ingenieure, „die wirklich etwas davon verstehen“. Im Augenblick sei man hauptsächlich „Moral-Weltmeister“ (wichtig für Wahlkämpfer, ein zitierfähiges Bonmot liefern!).

Tja, hätte die SPD mal nur ihr Mitglied Michael Vassiliadis ins Rennen geschickt, der Chemielaborant saß aber als Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie am Tisch. Seine Parteimitgliedschaft wurde nur am Rande erwähnt. Jedenfalls verwies der Gewerkschafter auf 3.000 Mitarbeiter, die wegen der Energiewende bereits entlassen seien und auf die Ängste der 4.600 Bergleute und Kraftwerker, die „einen guten Job für Deutschland“ (darf der das sagen als Genosse?) machten und deren Arbeitsplatz nun gefährdet seien. Beim Hambacher Forst sei „alles genehmigt“ gewesen (wie die Dieselfahrzeuge auch). Die Unternehmen seien jedenfalls wegen der Energiewende sehr verunsichert. Ein Ausbau der alternativen Energie ohne Netze sei wie Autos bauen ohne Straßen. „Ingenieure und Techniker denken, was machen die denn da bloß?“ Nicht nur die.