Tichys Einblick
Volle Staatskassen, leere Portemonnaies

Bei Anne Will sagen jene, die schon ewig dran sind, „Da müssen wir drangehen“

Fast war es in der Anne-Will-Talkshow ein wenig wie früher, als es noch ganz nett war in Deutschland. Einer von der CDU, der besonnen haushalten, einer von der SPD, der das Geld zum Fenster rausschmeißen, einer von der FDP, der auch an die Leistungsträger gedacht haben will. Und einer vom Wohlfahrtsverband, der Entlastungen für die armen Leute verlangt.

Screenprint: ARD/Anne Will

Nur, dass es lange nicht mehr so nett in Deutschland ist. Die Mieten explodieren, die Sozialversicherungen (Krankenkassen, etc.) langen kräftig zu, die Infrastruktur ist marode, bei Handy- und Internet-Verbindungen rangieren wir bei Simbabwe, nur bei den Steuern, da ist Merkelland Weltniveau.

Und da sind die Kombattanten bei Illner eher ein Ärgernis, zeigen sie doch nur ihre komplette Hilflosigkeit und Konzeptionslosigkeit anhand der Lage. Allen voran Norbert Walter-Borjans, auferstanden aus SPD-Ruinen, jetzt sogar unter Saskia Esken Juniorchef der Spezialdemokraten. Für die Entlastung „der wirklichen Mitte“ sei er, „für den Krankenpfleger und nicht für Friedrich Merz mit zwei Flugzeugen“ (beliebter Genossen-Flachwitz). Dann verspricht er intakte Schulen und bessere Handynetze, wenn seine Partei erst mal an der Regierung ist – Moment, die ist ja seit Jahrzehnten an der Regierung. Jedenfalls sei er ja erst seit einem Monat im neuen Amt, da muss er sich wohl noch einarbeiten.

Ralph Brinkhaus von der CDU hat wenigstens schon mal in einem richtigen Beruf gearbeitet (Steuerberater!), geistert aber genauso durch die Gelächten wie der Bruder in Groko Norbert. „Dieses Land ist gut“ ruft er aus, und dass es Zeit wird, dass das auch mal jemand sagt in einer Talkshow. Brinkhaus ist einer größeren Zahl Bürger überhaupt bekannt, weil er mit seiner Nominierung als Fraktionschef gegen Merkels ausdrücklichen Wunsch bei vielen CDU-Wählern die Hoffnung auf eine Wende aus dem Merkel-Elend geweckt hatte. Aber Brinkhaus liegt mit seinem „Alles ist gut“ voll auf Fedidwgugl-Linie.

Anette Dowideit von der „Welt“ durfte dann benennen, was unter „Mittelschicht“ verstanden werden muss. Vom Piloten zur Krankenschwester im Prinzip alle, die einen vernünftigen Beruf erlernt haben, von dem sie leben können müssten. Früher waren die angekommen. Heute nicht. Stattdessen lebten die in Unsicherheit, litten unter Abstiegsangst und zahlten hohe Belastungen. „Die Mittelschicht fühlt sich ausgenommen.“

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Der Pädagoge Ulrich Schneider ist seit Jahrzehnten Apparatschik der Wohlfahrtsverbände und inzwischen auch noch bei den Kommunisten („Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“) von der SED NO. Er erinnerte sich noch an die gute alte Zeit. Mit Hauptschule wurdest du Arbeiter, mit Realschule ging‘s aufs Büro (NRW-Deutsch), und mit Abitur – das sieht man ja an ihm. Und heute? Die Rente reicht nicht, sagt sogar der Staat. Viele zahlen Arbeitslosenversicherung, kriegen aber dann nichts raus. Außerdem seien die Sozialversicherungsbeiträge viel zu hoch (ohne entsprechende Leistungen).

Was soll man zu Christian Lindner und seiner FDP groß sagen? In Thüringen kuscheln sie gerade mit den Kommunisten, und irgendwie plätschern sie unter der Wahrnehmungsgrenze, weil sie es sich mit den Regierungsparteien nicht verscherzen wollen. Sicher, Lindner kann mühelos aufzählen, es fehle nicht am Geld, sondern an Bauingenieuren, das Baurecht sei unzeitgemäß, die Sozialversicherungsabgaben (bald 40%) müssten unter Kontrolle gebracht werden. Er kann darauf hinweisen, die Rücklage von 40 Milliarden seien von den Groko-Räubern bereits verplant, „das geht nicht in Schulen“ (beliebtes Lügen-Argument für Steuererhöhungen). Lindner kriegt seinen Lacher mit dem Hinweis auf sozialdemokratische Baukunst am Berliner Flughafen BER, und mit der Aufforderung an den Merkelmann: „Herr Brinkhaus, wenn die SPD schon mal Steuern senken will, statt zu erhöhen, dann muss man doch zugreifen.“ Aber was hilft das schon?

Olaf Scholz wollte möglicherweise, wohl weil die Wähler in Scharen weglaufen, „für 90% den Soli schon in diesem Juli abschaffen“, aber Brinkhaus hätte gern zuerst einen Kassensturz.

Jeder hatte seine Agenda. Brinkhaus als Gute-Laune-Bär. Nowabo musste wohl Saskias Steuer-Grotesken gerade rücken. So hatte er einen Zettel (von Saskia?) dabei, demzufolge einer, der 60.000 Euro verdiene, nur 28% Steuern zahlt. Außerdem würde für Fondssparer durch die neue Aktiensteuer nur 1 Cent fällig. Das hat er wohl nicht nicht richtig verstanden. (Der Hochfrequenzhandel soll von der Steuer eh ausgenommen werden.) Anne Will verschonte den Genossen aus Frauensolidarität und wohl auch, weil es abgesprochen war, mit der Esken-Aussage, Steuersenkungen seien „gefährlich“.

Wie dramatisch die Lage im Land längst ist, zeigte der Umstand, dass fast 10% der bayerischen Polizisten einen Nebenjob brauchen, um sich über Wasser zu halten. In Berlin musste die Kinderonkologie über Weihnachten schließen, weil keine Schwestern da waren. „Das liegt an den Metropolen“ wusste Brinkhaus aus Wiedenbrück im Kreis Gütersloh, da hilft nur Bauen, Bauen, Bauen. Tja, wenn wir in China wären, wo man zwei Krankenhäuser in einer Woche hochzieht, dann könnte das helfen. Dann fielen Brinkhaus noch „Dienstwohnungen“ ein, aber die muss auch erst mal einer bauen.

Grundsätzlich lauten die Kernaussagen im Land, in dem wir gut und gerne leben: „Da müssen wir drangehen“, „uns noch viel mehr damit beschäftigen“, in der gesamten Breite sehen“ und ganz viel „Zukunft“.

Ein bisschen widerwillig, aber immerhin brachte der Sozialmann dann noch das Schlagwort „Klimawandel“ rein – das Thema besetzt die Linkspartei gerade massiv, um die Kinder anzulocken. Es blieb Christian Lindner vorbehalten, den weißen Elefanten wenigstens zu benennen. Durch die „Zuwanderung von Nichtqualifizierten“ verschärfe sich die Situation, „Armut durch mehr Migration“ sei vorprogrammiert.

Norbert Walter-Borjans guckte, als höre er das zum Allererstenmal. Aber er guckt wohl immer so, nicht nur bei Anne Will.


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