Tichys Einblick
"Die Führungsfrage"

Bei Anne Will: Drei Bummelstudenten planen unser aller Zukunft

Kevin Kühnert will den Sozialismus, bis alles wieder in Scherben liegt. Paul Ziemiak will eher seine Ruhe, Anne Will fordert Visionen – so, what’s new, pussycat?

Screenprint: ARD/Anne Will

Soviel ist sicher: mit den jungen Leuten wird auch nichts besser. Diplomjournalistin Anne Will hatte drei Bummelstudenten eingeladen, um über „die Führungsfrage“ bei CDU und SPD zu sprechen, und, weil sie wohl selbst nichts Erhellendes erwartete, noch die AKK-Ghostwriterin (und stv. Leiterin des Parlamentsbüros der Rheinischen Post) Kristina Dunz und mit Gabor Steingart einen weiteren Journalisten in der Runde.

So hörten wir, dass AKK (Name bekannt) „mutig“ war, dass sie Merz so viel Platz ließ, so dass der nun ein Fass aufmachen konnte. „Das kennt man von Frau Merkel nicht“, sagte Frau Dunz, die schließlich weiß, dass Merkel ihre Gegner stets rückstandslos zu verschlingen trachtete. Bei Frau Merkel hingegen scheint die „Kanzlerenergie entwichen“, bedauerte Steingart, der auch gleich noch das Requiem sprach. Die politisch Verblichene sei die beeindruckendste Politikerin, die er kenne, und er, Gabor, habe sie alle besucht, Putin zum Abendessen, alle wichtigen Amerikaner, und überhaupt. „Wir werden der Kanzlerin noch nachweinen“, auch wenn wir jetzt froh wären, wenn sie weg ist.

Aber nun ist sie ja gar nicht weg, und so schnell wie beim FC Bayern München mahlen die Mühlen der CDU noch lange nicht. Weine also noch nicht, kleiner Gabor.

Wort der Woche: voranscheitern
Die CDU in der Woche nach dem Wahldebakel: Und so scheitern sie voran
In den Parteizentralen werden sie nun womöglich diskutieren, wie sich ihr jeweiliger Vertreter geschlagen hat, und wir können uns das Ergebnis schon vorstellen. Die SPD wird ihren Kevin Kühnert loben (Bummelstudent Nr. 1, der sich ins erste Fach Kommunikationswissenschaften sogar einklagte, bevor er hinschmiss und nun was anderes studiert), und die CDU ihren Paul Ziemiak (ebenfalls zwei Studiengänge ohne Abschluss). Ob die Grünen sich überhaupt die langweilige Sendung mit ihrer Marina Weisband (Bummelstudentin mit Abschluss! In Psychologie.) bis zum Ende angetan haben, ist zweifelhaft.

Paul Ziemiak konnte jedenfalls den Dilettanten Heiko Maas vorführen, der sich in der Türkei zum Affen gemacht hatte mit seiner Attacke auf Annegret Kramp-Karrenbauer, Kevin Kühnert entschuldigte das damit, dass „Innenpolitik heute Außenpolitik“ sei, wie auch „die türkische Innenpolitik bei uns“ stattfinde. Paul fasste dann die deutsche SPD-Außenpolitik zusammen, in dem er deren Feinde aufzählte: Trump, Erdogan, Putin, Assad, Johnson, Orban … . Also irgendwie alle außer Iran, Venezuela, Kuba und Saudi Arabien. Dann schaffte er es noch, die Wiederkehr des Clangangsters Miri der SPD anzulasten, obwohl das Macht-Hoch-die Tür der Kanzlerin mindestens genauso an der „Lächerlichkeit des Asylsystems“ Schuld trägt.

Kevin Kühnert wich dann aus auf die „pragmatische Arbeit der SPD“, und da mussten wir kurz an die Sacharbeit der Frau Nahles denken. Wieder ging es um Steuerhöhungen, irgendwas mit Wasserstoff und darum, dass der „Harz-4-Blödsinn“ weg müsse (den seine Partei einst erfand). An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Beifallspender im Saal mehrheitlich den Jusos und Asos zuzurechnen waren. Die ließen sich zum 100sten Mal mit der Grundrente sedieren, mit Bedürftigkeitsprüfung, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, oder ohne, wie die SPD jetzt plötzlich will. Warum? Weil Debatten eben schneller losgetreten werden bei der SPD, als Verträge gehalten, so Kühnert sinngemäß. Frau Dunz überprüfte die Sacharbeit der SPD dann mit dem Hinweis, dass der arme Hubertus Heil im Mai sein Papierchen vorgelegt habe, und man im November immer noch darüber sprechen müsse.

Alles einmal durchgedacht
Thüringen, das politische Labor
Manch ein Leser mag langsam unruhig werden: Eine Talkshow ohne AfD? Natürlich nicht. Genüsslich trug Frau Will die Worte des Thüringer CDU-Vize Michael Heym vor, der die AfD als „konservative Partei“ bezeichnet hatte und politische Gespräche einforderte. Paul Ziemiak legte sofort das Glaubensbekenntnis ab, wie in solchen Fällen vorgesehen, wenn er auch nicht bis zum Parteiausschluss gehen mag. Kühnert, nun wieder ganz bei den Seinen, verfluchte die, die Thüringens Bodo Ramelow in einem Atemzug mit der AfD nennen, immerhin dürfe Höcke doch Faschist genannt werden. Was uns noch mal zu Marina Weisband führt, immerhin darf die Grüne Künast als Gott-wer-weiß-was bezeichnet werden. Die junge Psychologin analysierte die Ängste der „älteren Parteien“, erläuterte deren Funktionärsmentalität, und empfahl mit den Jüngeren zu sprechen (oder gleich die Grünen Buben und Mädels zu wählen). Sprechen müssen die älteren Parteien über Pflege, Digitales, Rente und Antworten bieten. Denn das „sich an der AfD abarbeiten funktioniert nicht“. Trotzdem hatte die ehemalige Piratin natürlich auch ein paar Zaubersprüche gegen die Schwefelbuben parat.

Kevin Kühnert warb dann nochmal für das Berliner Erfolgsmodell Rot-Rot-Grün (Kein Witz!), obwohl er Ziemiak gegenüber Verständnis zeigte, dass „ihr die Linke bescheuert finden“ müsst. „Aber diese Partei will ein grundsätzlich anderes System!“, rief Paul entsetzt aus, wohl wissend, dass seine Partei auch im zweiten Real Existierenden Sozialismus nicht mehr gebraucht würde. „Ja, stimmt“, sagte Kevin Kühnert.

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