Tichys Einblick
Und wo bleibt die Demokratie?

Bei Anne Will. Die peinliche Befragung des Angeklagten Wolfgang Kubicki

Die Gesetze sind auch in Thüringen eindeutig. In freier, geheimer Wahl wählen die Abgeordneten des Landtages den Ministerpräsidenten. Wenn diese Gesetze nicht mehr gelten, dann kann man zu recht von einem Eklat und einem Tabubruch sprechen, aber das meint die Redaktion der Diplom-Journalistin Anne Will natürlich nicht bei ihrem Thema der Sendung.

Screenprint: ARD/Anne Will

Für Anne Will ist der Tabubruch, dass sich der Liberale Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD ins Amt wählen ließ, und sie begibt sich damit völlig unreflektiert auf die Argumentationsebene einer unheiligen Volksfront von Merkel bis Riexinger, von Söder bis Ramelow. Nun hatte es im Gefolge der Wahl zunächst noch andere öffentliche Stimmen gegeben. Etwa die von Hans-Georg Maaßen, CDU, („Hauptsache, die Sozialisten sind weg“), von Christian Hirte, CDU, („Herzlichen Glückwunsch, T. Kemmerich“) von Helmut Markwort, FDP, Alterspräsident des Bayerischen Landtags („Ich freu mich nach wie vor, dass es gelungen ist, die rotrotgrüne Regierung in Thüringen abzuwählen.“), auch der gelegentlich eigensinnige Wolfgang Kubicki, FDP, gratulierte Kemmerich freudig zur Wahl. Und allein die Tatsache, dass Kubicki als Gast bei Anne Will zugesagt hatte, rechtfertigt überhaupt ein besonderes Interesse an der Sendung.

Von Peter Altmaier war nichts Erhellendes zu erwarten, Alice Weidel wohl nur als obligatorischer Box-Sandsack vorgesehen, und die anderen Gäste waren halt die übliche Sättigungsbeilage für linke Kostgänger: Etwa Kevin Kühnert, der SPD-Lümmel mit wilden Säuberungsgelüsten, der zuletzt unter dem kindischen Twitternamen „KuehniKev“ drohte: „Der erste Trittbrettfahrer der blau-schwarz-gelben Schande muss gehen. (Er meint CDU-Mann Hirte) Ihm werden viele folgen …“. Oder Melanie Amann vom neuerdings „wahrhaftigen“ Spiegel (googeln Sie mal die neuen „Spiegel-Standards“). Oder eben Sahra Wagenknecht als eine der letzten allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten, die sich wenigstens anständig benehmen kann.

Von Griechenland-Rettung bis Grenzöffnung
Ohne Merkel gäbe es keine AfD
Zunächst wurde Altmaier vorgeführt. „Selten so unwohl gefühlt“ habe er sich, jammerte der Angeklagte und hoffte sich mit Merkeldeutsch aus der Affäre ziehen zu können. Schlimm, „dass es trotzdem dazu gekommen ist, dass die Wahl erfolgt ist“. So nebenbei erfuhren wir, dass der Drops auch noch nicht gelutscht ist. Die Thüringer CDU scheint ein aufmüpfiger Haufen zu sein, an dem sich AKK und sogar Merkel immer noch die Zähne ausbeißen. Ob die CDU-Abgeordneten im Sinne der Roten abstimmen werden – für Neuwahlen oder für einen SED-Ministerpräsidenten Ramelow – scheint noch lange nicht ausgemacht. Außerdem, da war sich die rote Fraktion inkl. Will einig, war die Wahl von Kemmerich eine abgekartete Sache.

Altmaier hangelte sich verteidigend von Parteitagsbeschlüssen zu solch progressiven Unionisten wie Ziemiak und Daniel Günther und wollte schließlich eine Verpflichtung für (fast) alle aufsetzen, „mit dem Tricksen aufzuhören“. Was der Sache nun wahrlich auch keinen Dienst erwies. Mit solchen unsicheren Kantonisten könnten doch die Sozialisten nicht zusammenarbeiten, klagte Kühnert.

Schließlich erfolgte die peinliche Befragung des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki. „Sie haben Kemmerich gratuliert!“ Kubicki widerrief mit einem klaren „Jein“. Er sei „in Straßburg gewesen, bei einer Sitzung des…“, es folgte irgendwas französisches, und sollte wohl heißen: Wir waren bester Stimmung, und da habe er eben. Außerdem galt die Gratulation Kemmerich persönlich. Von Mensch zu Mensch. Kühnert, der Blut sehen wollte, glaubte den Ausflüchten nicht.

Schließlich habe Kemmerich doch ab dem Moment, wo er gemerkt habe, „Scheiße, die haben mich gewählt“, fünf Sekunden Zeit gehabt zu sagen, Ich nehme die Wahl nicht an. All das wissend habe Kubicki trotzdem gratuliert. Es war wohl von höherer Stelle gefordert, dass Kubicki öffentlich vor Millionen Zusehern einknicken muss, so wand er sich noch ein wenig mit „Auch andere Parlamentarier hätten dem neuen Ministerpräsidenten von Thüringen gratuliert, sogar der Bischof von Erfurt“. Irgendwann sagte er dann noch was von „Parlamentariern, die frei gewählt hätten“, aber eine klare Ansage zu einer ganz normalen demokratischen Wahl sieht anders aus. In Berlin müssen sie inzwischen die ganz schweren Waffen herausgeholt haben.

„Muss Kubicki entlassen werden?“, fragte völlig hohl Frau Will. Da freute sich Peter, dass er vom Haken war und sagte, Kubicki könne froh sein, dass er nicht in der Regierung sei.

Dem Zuschauer musste dringend klar gemacht werden, dass der Merkelsche Staatstreich – ein Eingreifen in Wahlvorgänge eines Bundeslandes – das Natürlichste auf der Welt sei (Medienstaatsauftrag). Deswegen saßen diesmal wohl ausschließlich rote Klatschpappen im Publikum. Außerdem wurde Höcke wieder zum Faschisten erklärt. Selbst Auschwitz wurde bemüht, sowie der israelische Ministerpräsident, der Kevin Kühnert tief in die Augen geschaut und gesagt habe: „Die Verantwortung liegt in Ihrer Hand“. Jedenfalls hat Kevin das so verstanden. Gauland, hetzte der Kleine, habe bei der Rede des Israeli übrigens „geratzt“. Da wollte Altmaier nicht länger abseits stehen und geißelte sich selbst dafür, dass „Teile meiner Partei für das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben“. Er meinte das von 1933 – und da soll ihm jemand anderes helfen. Auf dem Niveau schaukelte das Narrenschiff dem Ausgang zu.

„Warum lächeln Sie die ganze Zeit, Frau Weidel?“ Wieder eine Frage der Diplom-Journalistin Will, die sogar Sahra Wagenknecht aus dem Stegreif beantworten konnte: Das Affentheater, das gerade aufgeführt werde, nütze nur der AfD. Weidel saß tatsächlich die meiste Zeit zufrieden lächelnd dabei, was strategisch diesmal sogar absolut richtig war, denn während sich die Roten, sowie Altmaier und Kubicki fetzten, war Schweigen Gold.

Also was passiert nun in Thüringen? Entweder der Landtag löst sich auf, oder die CDU wählt Ramelow mit, sagte Kubicki fast schon hämisch. Denn dann hätte die Union auch den letzten Rest Vertrauen bei vernünftigen Wählern verloren.

Die SED wäre übrigens mit fünf fest zugesagten Stimmen der CDU zufrieden, wurde dann irgendwo zitiert. Aber wie gesagt, die Thüringer CDU ist aufmüpfig, AKK nicht durchsetzungsfähig. Kühnert hatte sogar ein wenig „Angst vorm Gerede vom Einheitsbrei der Parteien“, das er aufkommen sieht.

Alice Weidel versprach hoch und heilig, die AfD würde Ramelow niemals wählen. Das wäre ja auch was! Dann könnte der die Wahl eigentlich nicht annehmen, nach dem roten Geschrei. Eigentlich. Gute Nacht.

Lesen Sie Stephan Paetow auch auf
https://www.spaet-nachrichten.de/