Tichys Einblick
Staatsmann oder Sicherheitsrisiko – Kann Donald Trump Außenpolitik?

Anne Will und der Fuchs im Hühnerstall

Auf die Amis ist kein Verlass mehr, meint Angela Merkel. Und die Hofberichterstatter ergehen sich in Rüpel-Geschichten über Donald Trump. Was lernen wir daraus? Politik ist kein Kirchentag.

Screenshot: ARD/Anne Will

So kann es gehen bei einem Verwandtenbesuch. Der Vetter aus Amerika sagt nach seiner „Europa in neun Tagen“-Reise „Der Trip war ein großer Erfolg“, während alle anderen sich einig sind: Den Rüpel wollen wir so schnell nicht wiedersehen!

Bei Anne Will wurden dann alle Eskapaden des Gastes aus den USA genüsslich wie schockiert durchdekliniert. Wie er den Repräsentanten des NATO-Winzlings Montenegro beiseite und sich selbst nach vorne schob. Wie bei seiner Rede im NATO-Hauptquartier alle Zuhörer den Gesichtsausdruck von Merkel (Mundfalten bis unters Kinn) zu imitieren versuchten. Seinen Schwerttanz bei den Saudis, seinen Direktflug von Saudi-Arabien nach Israel. Merkel-Sprecherin Anne Will zitiert die Einschätzung ihrer Chefin: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“ Entschuldigen Sie, Frau Bundeskanzlerin, wenn ich kurz mal lache. „Wir Europäer“ können nicht mal die Grenzen schützen. Wir haben keinen europäischen Außenminister (nein, Gabriel zählt nicht), keinen europäischen Verteidigungsminister (Ursula von der Leyen schon gar nicht), und nein, Angela Merkel ist nicht die Kaiserin Europas, wenn auch der Spiegel das wahrscheinlich glaubt.

Wills Runde fand Donald Trump natürlich eine Katastrophe auf zwei Beinen. Allerdings mit kleinen, feinen Unterschieden. Als erste wollen wir Susan Neiman abhaken, die Direktorin des Einstein-Forums (kein Scherz) in Potsdam, das sich als „Laboratorium des Geistes“ versteht. Die „Philosophin“ hat mit ganz vielen Menschen in den USA gesprochen und weiß, dass Trump quasi schon weg ist, mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt – und gewählt wurde er eigentlich auch nicht. Und tschüss!

Michael Wolffsohn sieht Trumps Außenpolitik aus der Sicht Israels, und hält dessen Nahost-Reise „für einen Erfolg“. Während Obama im Nahen Osten ein „totales Desaster“ hinterlassen hat. Klaus von Dohnanyi, der mit fast 89 aus einer Zeit kommt, in der Sozialdemokraten noch Leute mit Verstand in Amt und Würden hatten, ärgert sich weniger über Trump als über NATO-Generalsekretär Stoltenberg, der devot „wie ein leitender Angestellter“ danebengestanden habe, als Trump die Repräsentanten der 27 NATO-Staaten „wie die Deppen“ behandelte. So einen wie Stoltenberg müsse man sofort entlassen.

Dann bekam Anne Will Nachhilfe-Unterricht in Weltpolitik: Die Amerikaner hätten eine völlig andere militärische Interessenlage als die anderen NATO-Mitglieder. Vietnam, Afghanistan, Irak, Syrien. Die Amis sitzen weit weg von den Problemen, die sie verursachen. Dann zitiert Dohnanyi den gerade verstorbenen Brzezinski: Europa ist für die USA in erster Linie ein Brückenkopf. Und ob etwa Frankreich und Deutschland Bedenken vorbrächten wie beim Irakkrieg, interessiert in Washington nicht groß. „Die haben das trotzdem gemacht.“

Was also hat Trump in den neun Tagen verbrochen, das derartige Schnappatmung verursacht? Nun, er hat die europäische Gewissheit, der zu Folge Weltpolitik ist wie ein permanenter Kirchentag, empfindlich gestört. Beim Klimawandel, dem modernen Teufel der Gläubigen, will er nochmal nachdenken. Und dass „Flüchtlinge“ per se eine Bereicherung darstellen, fehlt ebenso im gemeinsamen G7-Schlussprotokoll. Trump fand den Kampf gegen Terrorismus und sichere Grenzen wichtiger. Und die NATO hat er an in seinen Augen ausstehende Rechnungen erinnert.

Von Dohnanyi war klar, dass der Trip für Donald mehr innenpolitische Bedeutung hat. Trump hat seinen Wählern Jobs versprochen, deshalb lobt er sich für seinen „Deal“ mit den Saudis, und er weiß, dass ein Tritt in den Allerwertesten der europäischen Weicheier zuhause immer gut ankommt. Für die Amis, so Dohnanyi, sind die vom Mars, wir von der Venus.

Für den Vornehmsten der Genossen wird es allerhöchste Zeit, „unsere Interessen besser zu definieren“. Als Beispiel führt er Minsk an, wo die Europäer darauf bestanden, den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen zu lassen. Wolffsohn ist da nicht so optimistisch „bei einer sicherheitspolitisch desinteressierten Öffentlichkeit“ in Europa.

Dann machte er noch mal klar, dass die Deutschen, die über den Rüstungsdeal mit den Saudis schimpfen, dasselbe über Dreiecksgeschäfte machen, damit die Weste sauber bleibe.

Der Journalist Christoph von Marschall (Tagesspiegel) wunderte sich, dass Trump nach der Wahl das China-Bashing eingestellt habe und nicht mehr als Pro-Russland gelten könne. Vielleicht sei man zu streng mit Donald? Norbert CDU Röttgen, früher mal Merkels Bester, fand allerdings, Trump hätte sich zum Art. 5 (NATO- Beistandsverpflichtung) bekennen müssen, wobei offen blieb, von wem Röttgen sich bedroht fühlt. Wolffsohn bemerkte hingegen, dass es eine schlechte Politik sei, wenn man heute sagt, was man morgen macht. Röttgen kam zudem noch mit der alten Leier, dass er ohne die Amis jetzt nicht in Ostberlin sitzen könne, was wir schnell übergehen wollen. Und ein Lob für Obamas Atomdeal mit dem Iran wollte er im Protokoll vermerkt haben, da grinste Wolffsohn nur.

Wenn es nach Frau Einstein geht, wird der nächste Gipfel in Hamburg wieder so harmonisch wie früher. Weil der Donald dann schon abgesetzt ist.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Fuchs Trump hat den Euro-Hühnerhaufen ordentlich zum Gackern gebracht und einige zerzauste Federkleider zurückgelassen. Die Frage der Sendung wollen wir mit einem Gleichnis beantworten: Kann Anne Will Talkshow? Nein, aber GEZ zahlen müssen wir trotzdem.