Tichys Einblick
Bei Anne Will

Debatte um Ukraine-Krieg dreht sich im Kreis

Wie die letzte Sendung von Anne Will war? Es ging um den Ukraine-Krieg und Ralf Stegner war da. Mit Sinn für Humor geht es – halbwegs.

Screenprint: ARD/Anne Will

Es ist Zeit, Anne Will um Entschuldigung zu bitten. Sie ist viel dafür kritisiert worden, immer nur die Vorsitzenden der Grünen Ricarda Lang und Omid Nouripour einzuladen. Zu Recht. Einerseits. Andererseits: Was sind die Alternativen? Ralf Stegner. Die personifizierte Niederlage. Als die SPD vor drei Jahren ihren Vorsitzenden wählte, landete er auf Platz sechs von sechs. Nun sitzt Ralf Stegner bei Anne Will – und es entsteht tatsächlich eine Sehnsucht nach Ricarda Lang oder Kevin Kühnert. Ja, sogar Marco Buschmann wäre besser. Man könnte sogar mit Jens Spahn leben.

Ralf Stegner sitzt Gerhart Baum gegenüber. Er war Minister. Für die FDP. Unter Helmut Schmidt. Vor über 40 Jahren. Der ewige Verlierer gegen den Ewiglangher-Minister. Erste Liga sieht anders aus. Das gilt nicht nur für die Gästeliste – sondern auch für die Diskussion. Die dreht sich bei Anne Will im Kreis und wiederholt sich immer und immer und immer wieder. Alle zwei Wochen. Zwischendrin schiebt die Redaktion mal ein anderes Thema unter, weil die Sendung zum Ukraine-Krieg in 60 Minuten keinen Schritt nach vorne macht. Schon wieder.

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Zu Beginn zeigt die Redaktion einen Ausschnitt, in dem Kanzler Olaf Scholz die „Zeitenwende“ fordert. Der Ausschnitt ist älter als ein Jahr und doch der Ausgang für die Debatte bei Anne Will. Deutlicher ließe sich nicht zeigen, wie wenig die Sendung nach vorne kommt bei dem Thema. „Ist eine nochmal geringere Verteidigungsfähigkeit die richtige Antwort auf die Zeitenwende?“, lautet dieses Mal die Fragestellung. Nein. Thema beendet. Aber Will hat noch weitere achtundfünfzigeinhalb Minuten voll zu quälen.

Apropos Quälen. Dafür ist Stegner dann wieder gut. Sogar Karl Lauterbach wäre jetzt besser. Der ist wenigstens lustig. Mitunter. Aber Ralf Stegner … Der Mann ist eine Phrasenmaschine, mit der man unartige Kinder bestrafen könnte: Ich bin kein Pazifist, aber Kriegsgegner. Unterbrechen Sie mich nicht! Olaf Scholz ist nicht zögerlich, sondern besonnen. Unterbrechen Sie mich nicht! Der SPD die Versäumnisse anzulasten, sei ja wohl nicht in Ordnung. Unterbrechen Sie mich nicht!

Einen macht Anne Will glücklich: Ralf Stegner. Sie unterbricht ihn nicht. Dabei hat sie durchaus interessante Gäste. André Wüstner. Den kennen vielleicht nicht so viele. Aber als Vorsitzender des Bundeswehrverbands kann er gut beschreiben, wie es dazu kommt, dass die Bundeswehr nicht verteidigungsfähig ist. Wie es die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) beschreibt, wie es Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einräumt. Die SPD sei aber nicht allein dafür verantwortlich, sagt Ralf Stegner. Unterbrechen Sie ihn nicht!

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„Die Mängel sind seit Jahren bekannt“, sagt Wüstner. „Grundsätzlich fehlt der politische Wille.“ Und das, obwohl seit 2014, seit dem Einmarsch Russlands auf der Krim, erkennbar gewesen sei, dass in der Verteidigungspolitik umgedacht werden müsse. Dass im vergangenen Jahr nicht einmal Munition bestellt worden sei, obwohl Scholz die „Zeitenwende“ verkündet hat. Da stecken Ansätze drin, die ein 60 Minuten langes Gespräch durchaus wert wären.

Aber stattdessen redet Ralf Stegner: „Es fängt jetzt an, dass wir Haushaltsberatungen führen … 100 Milliarden Euro sind ja kein Pappenstiel.“ Der Wehretat dürfe nicht gegen die Kindergrundsicherung ausgespielt werden. „Und übrigens das Parlament entscheidet.“ Ach. Tatsächlich? Das Parlament entscheidet? Unterbrechen Sie ihn nicht! Zumal sich Ralf Stegner noch gegen die „Neunmalklugen“ wehren muss. Die, die immer alles besser gewusst hätten als er. Davon dürfte es einige geben.

Ihm hat die Redaktion Gerhart Baum gegenüber gesetzt. Ob der politische Wille da sei, will Will wissen. Wozu eigentlich der Wille da ist? Zum Krieg führen, zum Waffenliefern, Ralf Stegner aussprechen zu lassen? Egal. Zu präzise schadet bei Anne Will nur. „Der politische Wille ist jetzt da“, sagt Baum. Um dann später zu sagen, dass es viele Leute gebe, die gegen Waffenlieferungen in die Ukraine seien. Dass keiner eine Kriegswirtschaft wolle. Dass bei einem höheren Wehretat ja auch gesehen werden müsse, wofür das Geld sonst noch ausgegeben werden könne.

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Ist angesichts all der Baum’schen Einschränkungen dann wirklich politischer Wille da? Oder war das nicht doch nur Geblubber? Ach, nicht so wichtig. Auch nicht schlimmer als das, was Ralf Stegner so sagt. Und so allmählich holt Anne Will Zeit von der Uhr. Baum meint noch: „Ich war ganz nah dran – damals.“ Dabei kramt er Namen aus dem Hut, die Unter-40-Jährige vermutlich nicht einmal mehr aus dem Geschichtsunterricht kennen.

Hedwig Richter von der Universität der Bundeswehr versucht, zu Wort zu kommen. Es habe einen „Kaputter-Panzer-Pazifismus“ der SPD gegeben. Spannend: War es also politischer Wille in der SPD, dass die Bundeswehr in diesen desolaten Zustand gerät? Hat die CDU das unter Kanzlerin Angela Merkel mitgetragen? Wir werden es nicht erfahren. Ralf Stegner unterbricht sie, sie solle ihn nicht unterbrechen. Schön, dass Anne Will ihn eingeladen hat. Kommt er auch mal wieder unter Leute.

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